Der IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. war gefürchtet: Tausende von Internethändlern wurden vom IDO in der Vergangenheit abgemahnt. Zumindest das Thema Abmahnung dürfte sich für ihn erledigt haben: Der IDO darf nicht mehr abmahnen, da er nicht in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen wurde.

Unabhängig davon hat der IDO in der Vergangenheit massenhaft Unterlassungserklärungen eingesammelt. Diese Unterlassungserklärungen überprüft er auch und macht für den Fall eines Verstoßes gegen die Unterlassungserklärung mehrere tausend Euro Vertragsstrafen geltend. Viele Gerichte nehmen bei Abmahnungen des IDO Rechtsmissbrauch an (siehe u.a. LG Heilbronn, OLG Köln, LG Potsdam). Dies hat auch Auswirkungen, wenn der IDO vor Gericht eine Vertragsstrafe geltend macht.

Wegen Rechtsmissbrauch kann eine Unterlassungserklärung gekündigt werden. Möglich ist ferner auch eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB aufgrund einer fehlenden Aktivlegitimation. Dies hatte unter anderem das LG Potsdam angenommen.

Unterlassungserklärung gegenüber dem IDO kann wegen arglistiger Täuschung gekündigt werden

Das Landgericht Hamburg (Urt. v. 7.12.2021 – 406 HKO 87/21, n rkr.)  hat jetzt ebenfalls angenommen, dass eine Unterlassungserklärung gegenüber dem IDO wegen arglistiger Täuschung gekündigt werden kann.

Die Beklagte bietet Waren aus dem Bereich des Tierbedarfs an, hatte in der Vergangenheit eine Unterlassungserklärung abgegeben und war zudem schon einmal im Wege eines Versäumnisurteils zur Zahlung von 3.000,00 Euro an den IDO wegen einer Vertragsstrafe verurteilt worden.

Da der IDO offensichtlich den Eindruck hatte, bei dieser Händlerin gut abkassieren zu können, wurde aufgrund eines weiteren Verstoßes gegen die Unterlassungserklärung nunmehr eine Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,00 Euro vor dem Landgericht Hamburg eingeklagt.

Wirksame Anfechtung

Nach Ansicht des Landgerichtes war die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung wirksam: Der IDO hatte die Beklagte darüber getäuscht, dass dem Verband 22 Tierfach- und Zubehörhändler angehören würden, die ihre Waren, wie die Beklagte, über das Internet vertreiben. Im Rahmen der sogenannten sekundären Darlegungs- und Beweislast hätte der IDO weiter vortragen müssen. Es erfolgte jedoch kein weiterer Vortrag:

Dass der Kläger trotz des ausführlichen Sachvortrages der Beklagten zu dieser Frage nicht näher zur streitigen Mitgliedschaft von Konkurrenzunternehmen der Beklagten vorgetragen hat, führt daher dazu, dass die Wahrheit der Behauptung der Beklagten zu unterstellen ist.

Angaben zu Konkurrenzunternehmen in der Abmahnung waren arglistig

Hierzu führt das Landgericht aus:

Ausgehend von der Feststellung, dass dem Kläger somit keine für die Klagbefugnis ausreichende Anzahl von Konkurrenzunternehmen der Beklagten angehört, insbesondere nicht 22 derartige Unternehmen, muss davon ausgegangen werden, dass die streitige Angabe in der Abmahnung arglistig erfolgt ist.

Rückzahlungsanspruch bei bereits gezahlten Vertragsstrafen?

Interessant sind auch folgende Ausführungen des Landgerichtes:

Ohne dass es darauf noch ankäme, wäre die Klage auch dann unbegründet, wenn die unzutreffende Behauptung des Klägers zu seiner Mitgliedschaft in der Abmahnung lediglich auf Fahrlässigkeit beruhen würde oder die Beklagte schon länger als ein Jahr Kenntnis von dem Anfechtungsgrund gehabt hätte. Die Beklagte könnte der Klagforderung dann nach Treu und Glauben (§242 BGB) den Einwand entgegenhalten, dass der Kläger die geltend gemachte Vertragsstrafe sogleich zurückzahlen müsste, da der Beklagten auch im Falle der nur fahrlässigen Falschangabe bei Vertragsschluss ein auf Naturalrestitution in Gestalt der Aufhebung der Unterlassungsvereinbarung gerichteter Schadenersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss zusteht, §§ 311 Abs. 2, 249 BGB.

Inwieweit tatsächlich in der Vergangenheit gezahlte Vertragsstrafen zurückgefordert werden können, ist bisher noch ungeklärt.

Unterlassungserklärung gegenüber dem IDO jetzt kündigen und anfechten!

Da der IDO aktuell nicht mehr abmahnen darf, da er nicht in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen ist, brechen dem IDO erhebliche Einnahmen weg. Es kann nur vermutet werden, dass der IDO versuchen wird, weiterhin Vertragsstrafen geltend zu machen. Um diesem vorzubeugen, sollten abgemahnte Internethändler, die in der Vergangenheit gegenüber dem IDO eine Unterlassungserklärung abgegeben haben, prüfen lassen, ob diese gekündigt oder angefochten werden kann.

Wenn Sie dem IDO gegenüber eine Unterlassungserklärung abgegeben haben, kann diese nun gegebenenfalls gekündigt werden.

Über Rechtsanwalt Johannes Richard

Rechtsanwalt Johannes Richard ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Partner der Kanzlei Richard & Kempcke. Er betreibt die Internetseite internetrecht-rostock.de und berät seit vielen Jahren Shopbetreiber und Abgemahnte.

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