EuGH: Gebühren für SEPA-Überweisungen auch für Altverträge unzulässig

Seit dem 13.1.2018 sind nach § 270a BGB zusätzliche Gebühren für eine Zahlung per SEPA-Lastschrift, SEPA-Überweisung oder Zahlungskarte unwirksam. Der EuGH (Urt. v. 2.12.2021 – C-484/20) entschied nun, dass diese Regelung auch auf Verträge Anwendung findet, die bereits vor diesem Zeitpunkt geschlossen wurden.

Die Vodafone Kabel Deutschland GmbH differenzierte in ihren AGB bezüglich Bestands- und Neuverträgen. Für Bestandskunden verwendete sie die Klausel: „Selbstzahlerpauschale: Pauschale je Zahlung ohne Bankeinzug €2,50“. Für Vertragsschlüsse ab dem 13.1.2018 gilt eine andere Preisliste, in der diese Klausel nicht mehr enthalten ist. Hintergrund ist das Inkrafttreten des § 270a BGB. Die Verbraucherzentrale Bundesverband mahnte Vodafone daraufhin ab und verlangte neben der Abgabe einer Unterlassungserklärung auch Ersatz der Abmahnkosten. Diesen Forderungen kam Vodafone nicht nach. Die Verbraucherzentrale klagte daher auf Unterlassung und Zahlung.

Das LG München (Urt. v. 24.9.2019 – 33 O6578/18) legte bereits in der ersten Instanz die Übergangsvorschrift in Art. 229 § 45 Abs. 5 EGBGB dahingehend aus, dass die Vorschrift auch auf einen Zahlungsvorgang anzuwenden sei, wenn das Schuldverhältnis bereits vor dem 13.1.2018 entstanden ist, mit dem Zahlungsvorgang jedoch erst nach diesem Zeitpunkt begonnen wird. Zu dieser Auslegung tendierte auch das OLG München (Beschl. v. 1.10.2020 – 29 U 6221/19), setzte das Verfahren jedoch aus und legte die entsprechende Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. Der EuGH entschied nun, dass die Vorgabe in Art. 64 Abs. 4 PSD2-RL einer nationalen Regelung entgegenstehe, nach der das Verbot von Entgelten für bestimmte Zahlungsarten nur für Zahlungen gilt, die für nach dem 13.1.2018 geschlossene Verträge bewirkt werden.

Auch auf Altverträge anwendbar?

Das Problem liegt im vorliegenden Fall in der zeitlichen Anwendbarkeit des § 270a BGB. Hierfür findet sich in Art. 229 § 45 Abs. 5 EGBGB folgende Regelung:

(5) § 270a des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist auf alle Schuldverhältnisse anzuwenden, die ab dem 13. Januar 2018 entstanden sind.

§ 270a BGB wiederum setzt Art. 64 Abs. 4 RL (EU) 2015/2366 (PSD2-RL) um:

(4) Die Mitgliedstaaten stellen in jedem Fall sicher, dass der Zahlungsempfänger keine Entgelte für die Nutzung von Zahlungsinstrumenten verlangt, für die mit Kapitel II der Verordnung (EU) 2015/751 Interbankenentgelte festgelegt geregelt werden, und für die Zahlungsdienstleistungen, auf die die Verordnung (EU) Nr. 260/2012 anwendbar ist.

Umfassende Anwendbarkeit der PSD2-RL

Der EuGH stellte zunächst fest, dass die Mitgliedstaaten die zur Umsetzung der RL erforderlichen Vorschriften bis zum 13.1.2018 erlassen mussten und es sich um eine Vollharmonisierung handle. Zudem sei für die Anwendung des Verbots zusätzlicher Entgelte maßgeblich, wann die Zahlung bewirkt werde und nicht die Entstehung der Zahlungsverpflichtung.

Zum Zusammenhang von Art. 62 Abs. 4 der Richtlinie 2015/2366 ist erstens darauf hinzuweisen, dass nach Art. 115 Abs. 1 und Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie die Mitgliedstaaten zwar bis zum 13. Januar 2018 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen haben, die erforderlich sind, um der Richtlinie nachzukommen, diese Vorschriften aber erst ab diesem Datum anwendbar werden.

Zweitens dürfen die Mitgliedstaaten, da Art. 62 Abs. 4 der Richtlinie 2015/2366 harmonisierte Bestimmungen enthält, gemäß Art. 107 Abs. 1 der Richtlinie ab dem in Art. 115 Abs. 2 Unterabs. 1 vorgesehenen Datum keine anderen als die in der Richtlinie festgelegten Bestimmungen beibehalten oder einführen.

Drittens ist, da das Verbot, Entgelte für die Nutzung der in Art. 62 Abs. 4 der Richtlinie 2015/2366 genannten Zahlungsinstrumente und Zahlungsdienstleistungen zu verlangen, für Zahlungsvorgänge im Sinne von Art. 4 Nr. 5 der Richtlinie „unabhängig von etwaigen zugrunde liegenden Verpflichtungen im Verhältnis zwischen Zahler und Zahlungsempfänger“ gilt, der maßgebliche Zeitpunkt für die Anwendung dieses Verbots derjenige, zu dem der Zahlungsvorgang bewirkt wird, und nicht die Entstehung des diesem Vorgang zugrunde liegenden Schuldverhältnisses.

Damit ergebe sich aus einer systematischen Auslegung von Art. 62 Abs. 4 PSD2-RL, dass das Verbot der Erhebung von Entgelten für die Nutzung der in dieser Bestimmung genannten Zahlungsinstrumente und Zahlungsdienstleistungen für alle ab dem 13. Januar 2018 bewirkten Zahlungsvorgänge gilt.

Ziel: Hohes Schutzniveau für Verbraucher

Ziel der RL sei es, die Integration des Binnenmarktes zu fördern, die Nutzer von Zahlungsdiensten zu schützen und ein hohes Schutzniveau für Verbraucher zu erreichen. Diese Harmonisierung werde gefährdet, wenn nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses unterschieden würde.

Wie sich außerdem aus dem 66. Erwägungsgrund der Richtlinie 2015/2366 ergibt, wollte der Unionsgesetzgeber mit dem in Art. 62 Abs. 4 der Richtlinie vorgesehenen Verbot im Hinblick auf die Berechnung von Kosten für die Nutzung bestimmter Zahlungsinstrumente die Fragmentation der nationalen Praktiken überwinden, die zu einer enormen Heterogenität des Zahlungsverkehrsmarkts in der Union geführt und bei den Verbrauchern Verwirrung ausgelöst hat, insbesondere beim elektronischen Geschäftsverkehr und im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr.

Jede Anwendung, die danach unterschiede, ob die den ab dem 13. Januar 2018 bewirkten Zahlungsvorgängen zugrunde liegenden Verpflichtungen vor oder nach diesem Datum entstanden sind, würde die mit Art. 62 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 107 Abs. 1 der Richtlinie 2015/2366 geforderte Harmonisierung auf Unionsebene gefährden, was den von der Richtlinie als Ziel verfolgten Verbraucherschutz im Binnenmarkt für Zahlungsdienste schwächen würde.

Keine Unterscheidung nach Entstehungszeitpunkt

Für die Anwendung des Verbots für Entgelte sei der Zeitpunkt, zu dem die Zahlung bewirkt wird, entscheidend. Das Verbot gelte für alle Zahlungen, die ab Inkrafttreten der Norm bewirkt wurden, und verstoße nicht gegen die Grundsätze zur Rückwirkung.

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass eine neue Rechtsnorm grundsätzlich ab dem Inkrafttreten des Rechtsakts anwendbar ist, mit dem sie eingeführt wird. Auch wenn sie nicht auf vor diesem Zeitpunkt entstandene und endgültig erworbene Rechtspositionen anwendbar ist, findet sie unmittelbar auf die künftigen Wirkungen unter dem alten Recht entstandener Rechtspositionen sowie auf neue Rechtspositionen Anwendung, soweit aus dem Wortlaut, dem Aufbau oder der Zielsetzung der Regelung nicht eindeutig hervorgeht, dass ihr eine Rückwirkung beizumessen ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn zusammen mit der Regelung besondere Vorschriften getroffen werden, die speziell die Voraussetzungen für ihre zeitliche Geltung regeln (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Mai 2020, Azienda Municipale Ambiente, C‑15/19, EU:C:2020:371, Rn. 56 und 57 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

Da sich Art. 62 Abs. 4 der Richtlinie 2015/2366, wie sich aus Rn. 25 des vorliegenden Urteils ergibt, nicht auf vor dem 13. Januar 2018 bewirkte Zahlungsvorgänge bezieht, betrifft diese Bestimmung im vorliegenden Fall aber keine vor diesem Datum endgültig erworbenen Rechtspositionen und entfaltet daher keine Rückwirkung. Im Übrigen stellt sich Art. 62 Abs. 4 der Richtlinie 2015/2366 in Bezug auf ab dem 13. Januar 2018 in Erfüllung von vor diesem Datum abgeschlossenen Dauerschuldverhältnissen bewirkte Zahlungsvorgänge lediglich als Fall der Anwendung einer neuen rechtlichen Regelung auf künftige Wirkungen einer unter der alten Regelung entstandenen Rechtsposition dar.

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15.02.22