Die Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben, sog. Health-Claims, ist durch die EU streng reglementiert. Das OLG Stuttgart (Urt. v. 4.11.2021 – 2 U 49/21) entschied nun, dass es sich bei Aussagen zur Faltenreduzierung durch einen Kollagen-Drink um unzulässige gesundheitsbezogene Angaben handle. Für solche Aussagen bei Amazon hafte der Händler auch dann, wenn er keinen endgültigen Einfluss auf die Angebotsgestaltung habe.
Die Beklagte vertreibt über Amazon einen „#INNERBEAUTY Collagen Youth Drink“. Hierbei handelt sich um ein Flüssigpräparat, das u.a. Kupfer und Kollagenhydrolysat enthält. In der Produktbeschreibung erfolgten folgende Aussagen: „Wirkt von innen heraus. Der Collagen Youth Drink mit 2500 mg Kollagen und weiteren hocheffizienten Wirkstoffen verbessert das Erscheinungsbild der Haut durch… weniger Falten“, „Kupfer stärkt das Bindegewebe.“, „Reduziert Falten“ und „#INNERBEAUTY wirkt gegen Hautalterung“. Der Kläger, ein Wettbewerbsverband, sah in diesen Aussagen einen Verstoß gegen die Health-Claims-VO (HCVO; VO [EG] 1924/2006) und eine Irreführung nach der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV; VO [EU] 1169/2011).
Das LG Heilbronn (Urt. v. 28.1.2021 – 21 O 134/20) hatte die einstweilige Verfügung erlassen und der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt #INNERBEAUTY Collagen Youth Drink“ mit den vier beanstandeten Aussagen zu werben. Gegen dieses Urteil richtet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, die das OLG Stuttgart nun zurückgewiesen hat. Es handle sich um nicht zugelassene gesundheitsbezogene Angaben.
Welche nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben in der Werbung für Lebensmittel verwendet werden dürfen, regelt die VO (EG) 1924/2006 (HCVO = Health-Claims-Verordnung). Bei der Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben besteht ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt: Gesundheitsbezogene Angaben sind nach Art. 10 Abs. 1 HCVO grundsätzlich verboten, es sei denn, sie sind nach der Verordnung ausdrücklich zugelassen.
(1) Gesundheitsbezogene Angaben sind verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen im vorliegenden Kapitel entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 aufgenommen sind.
Eine Auflistung der zugelassenen Angaben findet sich im Anhang der VO (EU) 432/2012 sowie im Register der Europäischen Kommission. Zudem stehen alle Aussagen unter weiteren Bedingungen, welche ebenfalls dem Anhang der Verordnung entnommen werden können. Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile eines Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden sind nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Art. 13 oder 14 HCVO enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist (Art. 10 Abs. 3 HCVO).
Zunächst stellte das Gericht noch einmal klar, dass es sich bei den Vorschriften der HCVO um Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 3a UWG handelt, und Verstöße hiergegen abgemahnt werden können.
Die Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben für Lebensmittel stellt eine unlautere geschäftliche Handlung (§ 3 Absatz 1 UWG) dar, wenn sie nicht nach den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (Health-Claims-Verordnung, HCVO) verwendet werden dürfen. Unlauter handelt gemäß § 3a UWG, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Die Vorgaben der Health-Claims-Verordnung stellen Marktverhaltensregelungen in diesem Sinne dar, deren Verletzung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen (BGH, Urteil vom 17. Januar 2013 – I ZR 5/12, juris Rn. 22 – Vitalpilze).
Bei den vier beanstandeten Aussagen handle es sich um gesundheitsbezogene Angaben. Der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ erfasse jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert.
Unter einer „gesundheitsbezogenen Angabe“ ist gemäß Artikel 2 Absatz 2 Nr. 5 HCVO jede Angabe zu verstehen, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Diese Definition enthält weder genauere Angaben dazu, ob es sich um einen unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang handeln muss, noch zu dessen Intensität oder Dauer. Unter diesen Umständen ist der Begriff „Zusammenhang“ weit zu verstehen (EuGH, Urteil vom 06. September 2012 – C-544/10, Rn. 34 – Deutsches Weintor). Der Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe erfasst daher jeden Zusammenhang, der impliziert, dass sich der Gesundheitszustand dank des Verzehrs des Lebensmittels verbessert oder dass für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem solchen Verzehr einhergehen oder sich ihm anschließen, fehlen oder geringer ausfallen […]. Die Frage, ob eine Aussage auf das gesundheitliche Wohlbefinden abzielt, ist anhand der in Artikel 13 Absatz 1 und Artikel 14 Absatz 1 HCVO aufgeführten Fallgruppen zu beurteilen (BGH, Urteil vom 07. April 2016 – I ZR 81/15, juris Rn. 19 – Repair-Kapseln). Es sind sowohl die vorübergehenden und flüchtigen Auswirkungen als auch die kumulativen Auswirkungen des wiederholten und längerfristigen Verzehrs eines bestimmten Lebensmittels auf den körperlichen Zustand zu berücksichtigen […].
Bei der Frage nach der Zulässigkeit gesundheitsbezogener Angaben sei zwischen spezifischen und nicht spezifischen Angaben zu unterscheiden.
In den Anwendungsbereich des Artikel 10 Absatz 1 HCVO fallen die sog. spezifischen Gesundheitsangaben in Abgrenzung zu Verweisen auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden im Sinne von Artikel 10 Absatz 3 HCVO. Solche Verweise stellen zwar ebenfalls gesundheitsbezogene Angaben dar. Sie unterfallen nur deshalb nicht dem Verbot des Artikel 10 Absatz 1 HCVO, weil sie nicht zulassungsfähig sind; stattdessen dürfen sie nach Art. 10 Absatz 3 HCVO nur unter den dort geregelten Voraussetzungen zusammen mit einer zugelassenen gesundheitsbezogenen Angabe verwendet werden (BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – I ZR 36/11, juris Rn. 36 – Monsterbacke II). Für die Abgrenzung zwischen spezifischen und allgemeinen gesundheitsbezogenen Angaben kommt es danach darauf an, ob mit der Angabe ein unmittelbarer Wirkungszusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und einer Funktion des menschlichen Organismus hergestellt wird, dessen wissenschaftliche Absicherung (vgl. Artikel 6 Absatz 1 HCVO) in einem Zulassungsverfahren überprüft werden kann (BGH, Urteil vom 07. April 2016 – I ZR 81/15, juris Rn. 24 – Repair-Kapseln).
Maßgeblich sei dabei, wie die fragliche Angabe von den angesprochenen Verbrauchern verstanden wird. Hierbei sei auf das Verständnis des normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen.
Einen solchen Zusammenhang zwischen dem Produkt und der Gesundheit stelle die Werbung her. Der Verbraucher verstehe die Angabe „Innerbeauty“ dahingehend, dass das Produkt von innen heraus wirke. Solche Angaben wurden nicht in die Liste der zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben aufgenommen und damit unzulässig.
Schon durch die Angabe „wirkt von innen heraus“ wird dem Verbraucher suggeriert, dass ein Zusammenhang besteht zwischen dem in dem beworbenen Produkt enthaltenen Kollagen (bzw. weiteren „hocheffizienten Wirkstoffen“) und dem durch weniger Falten verbesserten Erscheinungsbild der Haut. Diese Wortlautangaben versprechen einen körperlichen Effekt. Der Verbraucher versteht sie dahingehend, dass die Wirkstoffe dazu beitragen, die Falten zu reduzieren. Entsprechendes gilt im Kontext der konkreten Verletzungsform auch für die Angaben „reduziert Falten“ und „#INNERBEAUTY wirkt gegen Hautalterung“. Die englischsprachige Angabe „Innerbeauty“ wird vom Verbraucher in deutscher Übersetzung als „innere Schönheit“ verstanden und im konkreten Kontext dahingehend, dass die Wirkung der Schönheit von innen heraus entsteht, mithin durch eine Verbesserung der körperlichen Prozesse.
Dieser Wirkzusammenhang werde zudem durch die unzulässigen Angaben zu Kupfer bestärkt.
Dieses Ergebnis wird noch dadurch bekräftigt, dass die beanstandeten Angaben in der konkreten Verletzungsform auch die Werbeangabe „Kupfer stärkt das Bindegewebe“ einbeziehen. Dabei handelt es sich – wie vom Landgericht festgestellt und von der Beklagten nicht angegriffen – um eine unzulässige Gesundheitsangabe, weil nur der Hinweis auf einen Beitrag des Kupfers zur „Erhaltung“ von normalem Bindegewebe zugelassen ist, nicht aber der Hinweis auf eine „Stärkung“. Die drei weiteren beanstandeten Werbeangaben beziehen allerdings auch den unzulässigen Hinweis auf die Wirkungen des Kupfers ein, wie sich unmittelbar aus Ziff. 1 ergibt („und weitere hocheffiziente Wirkstoffe“). Die Angaben Ziff. 3 und 4 stehen am Schluss der Werbung und beziehen sich zusammenfassend auf den gesamten darüberstehenden Text, mithin auch auf die Angabe über Kupfer.
Andere Angaben seien nicht in die Liste der zugelassenen Angaben enthalten und damit unzulässig.
Die Beklagte versuchte sich damit zu verteidigen, dass sie sich lediglich an eine Produktbeschreibung angehängt habe und keinen endgültigen Einfluss auf dessen Gestaltung gehabt habe. Das Gericht stellte jedoch klar, dass die Beklagte auch dann hafte, wenn die Beschreibung von anderen geändert wurde und sie keinen Einfluss darauf habe.
Unbehelflich ist schließlich der Einwand der Beklagten, die Unterlassungsverfügung sei unverhältnismäßig, weil sie sich mit ihrem Angebot lediglich an eine von ihr nicht zu beeinflussende Produktbeschreibung auf der Internetplattform Amazon „angehängt“ habe. Ein Händler, der auf einer Internet-Handelsplattform in seinem Namen ein Verkaufsangebot veröffentlichen lässt, obwohl er dessen inhaltliche Gestaltung nicht vollständig beherrscht, weil dem Plattformbetreiber die Änderung der beschreibenden Angaben vorbehalten ist, haftet als Täter für den infolge unzutreffender Angaben irreführenden Inhalt seines Angebots (BGH, Urteil vom 03. März 2016 – I ZR 110/15, Rn. 36 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon). Die Zurechnung der Gefahr, in dieser Konstellation für falsche Angaben Dritter zu haften, stellt keine völlig unvorhersehbare Rechtsfolge dar, weil sie gleichsam die Kehrseite der von den Händlern in Anspruch genommenen Vorteile einer internetbasierten, allgemein zugänglichen und eine weitgehende Preistransparenz vermittelnden Verkaufsplattform darstellt. Wenn es zur Wahrung der Einheitlichkeit und Übersichtlichkeit des Produktangebots im Internetportal erforderlich ist, identische Produkte unter einer Identifikationsnummer aufzulisten, und Händler sich in diesem Zusammenhang einer inhaltlichen Einflussnahmemöglichkeit des Plattformbetreibers unterwerfen, müssen sie auch mit der hiermit potentiell verbundenen Verfälschung ihres Angebots rechnen (BGH, a.a.O., Rn. 37 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon).
Die fehlerhafte Kennzeichnung von Lebensmitteln ist häufig ein Grund für Abmahnungen. Sie müssen nicht nur die Vorgaben aus der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) beachten, sondern auch die HCVO, wenn Sie mit gesundheitsbezogenen Angaben werben. Bei diesen Vorschriften handelt es sich um Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 3a UWG, die bei Verstößen abgemahnt werden können. Zudem findet die HCVO nicht nur bei gesundheitsbezogenen Angaben Anwendung, sondern sie gilt auch, wenn Sie ein Lebensmittel mit nährwertbezogenen Angaben wie z.B. „fettarm“, „zuckerfrei“ oder „hoher Proteingehalt“ bewerben.
Zudem haben die Gerichte bereits mehrfach entschieden, dass Händler für Verstöße auf Amazon auch dann haften, wenn sie keinen Einfluss auf die Angebotsgestaltung haben, zuletzt das KG, das OLG Frankfurt und das OLG Schleswig. Amazon-Händler sind dazu verpflichtet, ihre Angebote regelmäßig auf Verstöße zu überprüfen.
Bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln handelt es sich um ein komplexes Thema, welches ständigen Neuerungen unterworfen ist. Als Kunde unserer Legal Produkte finden Sie in Ihrem Legal Account umfangreiche Whitepaper, auch zur Kennzeichnung von Nahrungsergänzungsmitteln und gesundheitsbezogenen Angaben nach der HCVO und selbstverständlich auch zum rechtssicheren Verkauf auf Amazon.
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