OLG Nürnberg: Corona-Tests können vom Widerrufsrecht ausgeschlossen werden

Das Gesetz kennt in § 312g BGB einige Ausnahmen vom Widerrufsrecht. Dazu zählen u.a. Waren, die aus Gründen der Hygiene oder des Gesundheitsschutzes nicht zur Rücksendung geeignet sind, sofern diese entsiegelt wurden. Das OLG Nürnberg (Hinweisbeschl. v. 6.12.2021 – 3 U 3877/21) entschied nun, dass zu solchen Produkten auch Corona-Tests gehören.

Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich des Vertriebs von Corona-Schnelltests. Der Verfügungsbeklagte hat in seinem Onlineshop bei einem Verkaufsangebot für einen Schnelltest im Anschluss an die Beschreibung der wichtigsten Eigenschaften, durch Fettdruck hervorgehoben, angegeben: „Aus hygienischen Gründen sind Schnelltests von der Rückgabe und vom Umtausch ausgeschlossen“. Die Verfügungsklägerin sah darin eine Irreführung nach § 5 Abs. 1 S. 2 UWG, da auch derartige Spucktests zu einer Rücksendung geeignet sind, solange sie vollständig und unbenutzt sind. Der Ausschluss des Widerrufsrechts knüpfe nicht an die Versendung versiegelter Ware an, sondern sei generell formuliert. Durch den Hinweis erlange der Verfügungsbeklagte wettbewerbliche Vorteile, da sich Kunden durch ihn von einem Widerruf abhalten lassen könnten und er so Aufwendungen und Mühen für die Prüfung und Vorbereitung zurückgesandter Tests vor einem Wiederverkauf sowie für die Kaufpreisrückerstattung vermeide. Das LG Regensburg (Urt. v. 24.9.2021 – 2 HK O 1769/2) hatte die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Verfügungsklägerin.

Das OLG entschied nun, dass das Widerrufsrecht für diese Produkte ausgeschlossen werden könne. Der gerügte Hinweis sei nicht dazu geeignet, einen Verbraucher von einer berechtigten Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten, eine Irreführung der Verbraucher durch den Hinweis zum Ausschluss sei ausgeschlossen. Die Berufung habe keine Aussicht auf Erfolg.

Schnelltests sind Medizinprodukte

Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Ausnahme vom Widerrufsrecht auf Corona-Schnelltests Anwendung findet.

Die Spucktests waren versiegelt. Ebenso sind Testsätze auf Krankheitserreger wie das SARS-CoV-2-Virus Gegenstände, die nach einem Entfernen der Versiegelung der Verpackung aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen endgültig nicht mehr verkehrsfähig sind, weil es für den Unternehmer wegen ihrer Beschaffenheit unmöglich oder übermäßig schwierig ist, Maßnahmen zu ergreifen, die sie wieder verkaufsfähig machen, ohne dass einem dieser Erfordernisse nicht genügt würde (vgl. EuGH, Urteil vom 27. März 2019 – C-681/17, NJW 2019, 1507 (Slewo/Ledowski), Rn. 40 [= WRP 2019, 590]). Dies folgt bereits aus dem Charakter als Medizinprodukt, das für sich genommen nur einen geringen Preis hat, aber hohen Anforderungen unterliegt, um zuverlässige Ergebnisse anzuzeigen, und daher Unversehrtheit der Packung und Hygiene besonderen Stellenwert besitzen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. November 2017, VIII ZR 194/16, NJW 2018, 453, Rn. 9 [= WRP 2018, 215]). Der Tatbestand des § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB, nach dem das Widerrufsrecht vorzeitig erlischt, findet daher objektiv auf sie Anwendung.

Pflicht zur Information über Ausnahmen

Anschließend stellte das Gericht fest, dass der Unternehmer dazu verpflichtet sei, den Verbraucher über Ausnahmen vom Widerrufsrecht zu informieren, und dass dem Verbraucher bei fehlender Belehrung hierüber ein Schadensersatzanspruch gegen den Unternehmer zustehen kann.

Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 4 EGBGB verlangen zwar eine Unterrichtung des Verbrauchers, dass sein Widerrufsrecht kraft Gesetzes nach § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht besteht bzw. erlischt, wenn er eine Versiegelung öffnet und deshalb hygienische Gründe eine Rückgabe ausschließen. Eine ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers, dass das Anlaufen der Widerrufsfrist auch von dieser (vor Vertragsschluss zu gewährenden) Information abhängt, findet sich jedoch nicht; insbesondere verweist § 356 Abs. 3 S. 1 BGB nur auf die Pflichten in Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB (vgl. auch BeckOGK/Busch, 01.06 2021, BGB § 312d Rn. 18). Dies entspricht der (vollharmonisierenden) europarechtlichen Vorgabe, da auch Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU (Verbraucherrechte-RL) das Nichtanlaufen der 2-Wochen-Frist nur an die unterbliebene Belehrung über das Widerrufsrecht, die in Art. 6 Abs. 1 lit. h) vorgesehen ist, geknüpft hat, nicht aber eine entgegen Art. 6 Abs. 1 lit. k) unterbliebene Belehrung über das Nichtbestehen oder Erlöschen des Widerrufsrechts in den Fällen des Art. 16. Auch hat der Gesetzgeber den Ausschluss bzw. das vorzeitige Erlöschen in den in § 312g Abs. 2 BGB genannten Fällen nicht an eine entsprechende Information geknüpft. Die Missachtung von Informationspflichten kann lediglich Schadensersatzpflichten auslösen, die u.U. auf eine Befreiung vom Vertrag hinauslaufen können sollen, wenn der Vertragsschluss in der irrigen Annahme eines Widerrufsrechts erfolgt (vgl. BeckOK BGB/Martens, 60. Ed. 01.11.2021, BGB § 312g Rn. 13; MüKoBGB/Wendehorst, 8. Aufl. 2019, BGB § 312g Rn. 12; Schirmbacher, in: Tamm/Tonner/Brönneke, Verbraucherrecht, 3. Auflage 2020, § 9 Rn. 148; zur Diskussion BeckOGK/Busch, 01.06.2021, BGB § 312d Rn. 20 f.).

Hinweis nicht zur Irreführung geeignet

Nach Ansicht des Gerichts sei der Hinweis des Beklagten jedoch nicht dazu geeignet, einen Verbraucher von einer berechtigten Ausübung eines Widerrufsrechts abzuhalten, wenn die Voraussetzung des Öffnens einer vorhandenen Versiegelung nicht vorliegen.

Nähme man an, der Ausschluss des Widerrufsrechts des Verbrauchers wäre wegen einer unzureichenden Belehrung (wogegen aber das Fehlen einer entsprechenden ausdrücklichen Voraussetzung im Gesetz spricht) nicht gegeben, wäre der Hinweis zwar inhaltlich falsch. Der durchschnittlich verständige Verbraucher erkennt aber aus der Formulierung trotz ihres schlagwortartigen Charakters, dass ihm das Widerrufsrecht nur dann verwehrt sein soll, wenn hygienische Gründe einer erneuten Verwendung einer ihm zugesandten Ware entgegenstehen. Ein Verbraucher, der die Ware noch gar nicht erhalten hat oder ihm übersandten Spucktests noch nicht geöffnet hat, würde sich daher durch den so formulierten Hinweis nicht ernsthaft von seiner Absicht und seinem Rechtsstandpunkt abbringen lassen, da in solchen Fällen hygienische Gründe einem Widerruf erkennbar nicht entgegenstehen. Der Verbraucher wird daher, selbst wenn er keine juristischen Kenntnisse und Argumentationsgabe besitzt, den gerügten Hinweis nicht als Grundlage dafür genügen lassen, dass der Verkäufer den Widerruf in solchen Fällen zurückweist. Er wird vielmehr vorbringen, dass es zu keinerlei Verschlechterung der hygienischen Situation gekommen ist und daher ein Ausschluss des Widerrufs aus den genannten Umständen in der konkreten Situation nicht gerechtfertigt ist. Letztlich liefert der Verfügungsbeklagte somit dadurch, dass er den sachlichen Grund für das angeblich nicht bestehende Widerrufsrecht angibt, selbst das Argument dafür, dass dieser in der konkreten Situation dem Widerruf nicht entgegenstehen könne.

Widerrufsrecht erlischt mit Öffnen der Versiegelung

Zwar sei der Hinweis nicht korrekt, soweit die Corona-Tests noch versiegelt seien, allerdings könne der Verbraucher sich „ohne Weiteres“ damit verteidigen, dass Erwägungen der Hygiene einem Widerruf offensichtlich nicht entgegenstehen.

Kommt § 312g Abs. 1 Nr. 3 BGB ungeachtet der Defizite der Information zur Anwendung, erlischt das Widerrufsrecht bei den vorliegend vertriebenen Spucktests mit dem Öffnen der vorhandenen Versiegelung vorzeitig. Der Hinweis mag auch dann insoweit nicht korrekt sein, als die Ware noch unversiegelt ist. Der Verbraucher kann sich aber in Fällen, in denen er die Versiegelung noch nicht geöffnet hat, wiederum ohne Weiteres damit verteidigen, dass Erwägungen der Hygiene einem Widerruf offensichtlich nicht entgegenstehen, und findet dazu einen Anhaltspunkt auf der Seite mit der Widerrufsbelehrung sowie dem Hinwies selbst, der an die hygienischen Gründe anknüpft.

Keine klare und verständliche Information?

Das Gericht ließ jedoch durchklingen, dass der Hinweis, wie ihn der Verfügungsbeklagte angab, gegen § 3a UWG verstoßen könnte, da er möglicherweise nicht den Anforderungen nach Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 4 EGBGB genügen würde. Danach müssen dem Verbraucher die Informationen über das Erlöschen des Widerrufsrechts in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung gestellt werden. Einen hierauf gestützten Unterlassungsanspruch hat die Verfügungsklägerin jedoch nicht geltend gemacht.

Der Senat übersieht nicht, dass die Informationspflichten über das Widerrufsrecht nach § 312d und Art. 246a EGBGB dem Schutz des Verbrauchers dienende Marktverhaltensregeln i.S.v. § 3a UWG darstellen und Verstöße daher wettbewerbsrechtliche Folgen haben können (Haselblatt/Gregor, in: Gloy/Loschelder/Danckwerts, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2019, § 48 Rn. 86; BeckOGK/Busch, 01.06.2021, BGB § 312d Rn. 17). Es bestehen auch erhebliche Bedenken, dass ein Hinweis des Inhalts, wie ihn der Verfügungsbeklagte angebracht hat, den Anforderungen nach Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 4 EGBGB genügen würde, da er die maßgebliche Information nicht vollständig und damit nicht, wie dort gefordert, in klarer und verständlicher Weise präsentiert. Ebenso darf nach h.M. das Subsumtionsrisiko nicht auf den Verbraucher abgewälzt werden, weshalb ein eindeutiger Bezug der ausreichend präzisen Regelung zu dem konkreten Rechtsverhältnis über den Kauf dieser Ware hergestellt werden muss […]. Einen auf § 3c UWG gestützten Unterlassungsanspruch macht die Verfügungsklägerin aber nicht geltend; er würde einen anderen Streitgegenstand bilden.

Fazit

Das Widerrufsrecht besteht nach § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht bei versiegelten Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde. Vor diesem Hintergrund erscheint die Formulierung „Aus hygienischen Gründen sind Schnelltests von der Rückgabe und vom Umtausch ausgeschlossen“ wie ein grundsätzlicher Ausschluss vom Widerrufsrecht. Ein Hinweis, dass das Widerrufsrecht erst erlischt, wenn die Versiegelung entfernt wurde, erfolgt bei dem im Fall beanstandeten Hinweis gerade nicht. Das OLG Nürnberg sieht hingegen unverständlicherweise keine Irreführung und ist der Ansicht, diese Formulierung halte Verbraucher nicht von der Ausübung ihres Widerrufsrechts ab.

Wenigstens lässt das Gericht durchblicken, dass der Fall wohl anders entschieden worden wäre, wenn die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch auf einen Verstoß gegen Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 4 EGBGB gestützt hätte. Danach muss der Unternehmer den Verbraucher klar und verständlich informieren, wenn ihm ein Widerrufsrecht nicht zusteht, dass er seine Willenserklärung nicht widerrufen kann, bzw. über die Umstände, unter denen der Verbraucher ein zunächst bestehendes Widerrufsrecht verliert. Welche Anforderungen noch zusätzlich beim Vertreib von Corona-Tests zu beachten sind, haben wir hier für Sie zusammengefasst.

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27.01.22