OLG Frankfurt: Garantiewerbung ohne Hinweis bei „zusammengesetzter“ Garantie irreführend

Fehlerhafte Garantiewerbung ist häufig ein Grund für Abmahnungen. Das OLG Frankfurt a.M. (Urt. v. 11.11.2021 – 6 U 121/21) entschied nun, dass es irreführend sei, mit der Angabe „36 Monate Garantie" zu werben, wenn es sich nur um eine sich an die 12- oder 24-monatige Gewährleistung anschließende Garantie handelt, und wenn nicht darüber aufgeklärt wird, dass der Werbende nicht über die volle Laufzeit Garantiegeber ist, sondern zunächst ein Dritter.

Die Antragsgegnerin betreibt eine Plattform, über die Verkäufer generalüberholte gebrauchte Elektronikgeräte anbieten. Im Zusammenhang mit den Warenangeboten wirbt sie mit einer Garantie von 36 Monaten. Die Garantiebedingungen sahen eine Regelung vor, nach der die Garantie nach Ablauf der 24-monatigen gesetzlichen Gewährleistungspflicht des Verkäufers für 12 Monate gilt. Auf der Website wurde unter der Rubrik „Hilfe-Center“ ausgeführt, der Kunde profitiere neben der gesetzlichen Händlergewährleistung von 12 Monaten von einer Zusatzgarantie von 24 Monaten. In den AGB der Antragsgegnerin fand sich eine Klausel, wonach sie gegenüber dem Käufer für alle über die Plattform erworbenen Produkte eine zusätzliche Garantie von höchstens 24 Monaten übernehme. Hierin sah die Antragsgegnerin eine Irreführung. Nach erfolgloser Abmahnung hatte das LG Frankfurt a.M. dem Eilantrag zunächst stattgegeben. Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hin hat das Landgericht die Beschlussverfügung mit Urteil vom 19.5.2021 wieder aufgehoben und den Eilantrag zurückgewiesen, da ein Verfügungsgrund nicht glaubhaft gemacht sei.

Die hiergegen gerichtete Berufung der Antragsstellerin hatte Erfolg. Das OLG Frankfurt entschied, dass ihr der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zustehe.

Irreführung über Dauer der Garantie

Das Gericht entschied, dass die Angaben „36 Monate Garantie“ bzw. „Garantie 36 Monate“ irreführend seien. Der Verbraucher verbinde mit der Angabe ein selbstständiges Garantieversprechen mit einer Dauer von 36 Monaten. Das entspreche jedoch nicht den Tatsachen. Tatsächlich werde nur eine sich an die 12- oder 24-monatige Gewährleistung anschließende Garantie gewährt.

Die Angaben "36 Monate Garantie" […] bzw. "X Garantie 36 Monate" […] sind irreführend. Der Verkehr in Gestalt des Durchschnittsverbrauchers verbindet mit der Angabe, die Antragsgegnerin gewähre auf das gekaufte Produkt ein selbstständiges Garantieversprechen mit einer Dauer von 36 Monaten. Das entspricht nicht den Tatsachen.

Die Antragsgegnerin betreibt die Internetplattform "x.de", auf der Dritte gebrauchte, wieder aufbereitete Elektrogeräte (Smartphones, Tablets etc.) verkaufen und kaufen können. Die Antragsgegnerin gewährte nach dem Wortlaut ihrer "X Garantiebedingungen" nur eine Garantie, die an die gesetzliche Gewährleistungsfrist des Verkäufers anknüpft (Anlage ASt8). Je nach vertraglicher Gestaltung läuft die von der Antragsgegnerin gewährte Garantie damit 24 oder 12 Monate, und zwar erst in der Zeit nach Ablauf der gesetzlichen Gewährleistungsfrist.

Irreführung über Garantiegeber

Die Antragsgegnerin versuchte sich damit zu verteidigen, dass der Begriff „gesetzliche Gewährleistung“ in den Vertragsbedingungen und im „Hilfe-Center“ auf einem Übersetzungsfehler beruhe. Tatsächlich sei gemeint gewesen, dass die Garantie durch die Gewährleistung ergänzt werde. Darauf komme es jedoch nicht an, so das Gericht, denn ein Verbraucher, der sich im Garantiefall mit den Garantiebedingungen beschäftigt, könne den Eindruck gewinnen, dass diese innerhalb der ersten 12 bzw. 24 Monaten nicht gelte. Zudem entstehe für den Verbraucher der unzutreffende Eindruck, dass es nur einen Garantiegeber gebe.

Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin darauf, der Begriff "gesetzliche Gewährleistungsfrist" in den Vertragsbedingungen habe auf einem Übersetzungs- oder Übertragungsfehler beruht. Tatsächlich sei gemeint gewesen, dass die Verkäufergarantie ergänzt werde. Der angebliche Übersetzungsfehler erscheint fraglich, da an anderer Stelle der Vertragsbedingungen durchaus der Begriff "Garantie" verwendet wird. Außerdem fand sich in einem Artikel des "Hilfe-Center" auch der Begriff "Händlergewährleistung" (Anlagt ASt13). Letztlich kommt es darauf nicht an. Denn ein Kunde, der zunächst im Vertrauen auf die plakativen Werbeangaben die Plattform genutzt und ein - defektes - Produkt gekauft hat, wird nach näherer Befassung mit den "X Garantiebedingungen" möglicherweise den Eindruck gewinnen, es bestünde doch kein "Garantieanspruch" innerhalb der ersten 12 oder 24 Monate. Er wird davon abgehalten, einen solchen Anspruch geltend zu machen.

Unabhängig davon ist die Werbeangabe "36 Monate Garantie" jedenfalls deshalb unzutreffend, weil die Antragsgegnerin nicht über die volle Laufzeit Garantiegeberin ist, sondern zunächst der Verkäufer. Die Pauschalangabe "36 Monate Garantie" erweckt demgegenüber den Eindruck, es geben nur einen Garantiegeber.

Verbraucherinteressen spürbar beeinträchtigt

Diese Irreführung sei dazu geeignet, die geschäftlichen Entscheidungen der Verbraucher zu beeinflussen. Durch die verschiedenen Garantiegeber für verschiedene Zeiträume werde dem Verbraucher die Abwicklung bei eventuellen Mängeln rechtlich und tatsächlich erschwert. Es sei davon auszugehen, dass Verbraucher bei zutreffender Aufklärung über die „zusammengesetzte“ Garantie möglicherweise eine andere geschäftliche Entscheidung treffen und von der Nutzung der Plattform absehen. Eine von der Plattform angebotene Streitschlichtung ändere daran nichts.

Die Irreführung ist auch geeignet, geschäftliche Entscheidungen der Verbraucher zu beeinflussen. Zum einen kann es für Verbraucher von Bedeutung sein, ob nur die gesetzlichen Gewährleistungsrechte oder ein selbstständiges Garantieversprechen besteht […]; zum anderen kann es für den Kaufentschluss auch von Bedeutung sein, ob die Inanspruchnahme der Garantie unkompliziert ist und jeweils klar ist, wer der Garantiegeber ist […]. Das ist der Fall, wenn man sich bei jedem Kauf über die Plattform 36 Monate lang an die Antragsgegnerin als Garantiebetreiberin wenden kann. So verhält es sich jedoch nicht, wenn in den ersten 12 bzw. 24 Monaten Garantieansprüche nur gegenüber dem Verkäufer bestehen, auch wenn die Kontaktaufnahme und Abwicklung über die Plattform möglich ist. Dennoch wird durch verschiedene Garantiegeber für verschiedene Zeiträume die Abwicklung bei eventuellen Mängeln rechtlich und tatsächlich erschwert. Der Käufer kann sich - nach seiner Vorstellung - nicht auf die Solvenz und Kulanz der Antragsgegnerin als Betreiberin einer großen Plattform verlassen, sondern muss das Risiko einer Insolvenz oder einer nicht praktikablen, nicht zeitnahen Abwicklung durch den jeweiligen Verkäufer eingehen. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin gilt nicht deshalb etwas Anderes, weil die Antragsgegnerin Käufern über ihre Plattform eine Streitschlichtung anbietet und sich verpflichtet, notfalls eine im Rahmen der Schlichtung vorgeschlagene Lösung selbst durchzuführen, sollte der Verkäufer den Vorschlag nicht umsetzen (Bl. 90 d.A.). Der Vorgang einer Streitschlichtung ist nicht gleichermaßen einfach und geeignet, die Rechte des Käufers bei Mängeln zu wahren, wie die unmittelbare Inanspruchnahme der Antragsgegnerin bei Übernahme einer Garantie als Plattformbetreiberin. Es ist daher davon auszugehen, dass Verbraucher bei zutreffender Aufklärung über die "zusammengesetzte" Garantie möglicherweise eine andere geschäftliche Entscheidung treffen und von der Nutzung der Plattform absehen.

Aufklärender Hinweis erforderlich

Die Antragsgegnerin hatte die Garantiebedingungen nach dem ersten Verfahren dahingehend geändert, dass ein „zusammengesetzter Garantiezeitraum“ angeboten wurde. Auch diese Formulierung sei irreführend, so das Gericht. Der Verbraucher erwarte keine zusammengesetzte Garantie verschiedener Garantiegeber, sondern eine 36-monatige Garantie der Antragsgegnerin als Plattformbetreiberin. Der Verbraucher habe keinen Grund, in den Geschäftsbedingungen nachzuforschen, ob das Garantieversprechen Einschränkungen oder Modifikationen unterliegt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Werbeangaben selbst mit einem entsprechenden Sternchenhinweis versehen wären, der hier jedoch fehlte.

Eine Irreführung liegt auch vor, soweit die Antragsgegnerin am 21.1.2021 ihre Garantiebedingungen geändert hat und einen aus einer Verkäufergarantie und der Garantie der Plattformbetreiberin "zusammengesetzten Garantiezeitraum" angeboten hat (Bl. 87, 263 d.A.). Die Antragstellerin bestreitet, dass seitens der Verkäufer stets eine Garantie gewährt wird. Die Antragsgegnerin verweist insoweit auf ihre AGB, die für Händler auf der Plattform gelten. Darauf kommt es letztlich nicht an. Denn wie ausgeführt erwartet der Verbraucher bei den angegriffenen Werbeangaben keine zusammengesetzte Garantie verschiedener Garantiegeber, sondern eine 36-monatige Garantie der Antragsgegnerin als Plattformbetreiberin. Diesem Verkehrsverständnis steht nicht entgegen, dass in den AGB der Plattform ab dem 21.1.2021 tatsächlich von einer "Verkäufergarantie" die Rede ist. Die meisten Verbraucher, die die angegriffenen plakativen Werbeangaben lesen, werden sich nicht die Mühe machen, in den Geschäftsbedingungen nachzuforschen, ob das Garantieversprechen Einschränkungen oder Modifikationen unterliegt. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn die Werbeangaben mit einem Störer (sog. "Sternchenhinweis") versehen wären, der auf nähere Modalitäten hinweisen würde. Daran fehlt es.

Fazit

Fehlerhafte Garantiewerbung ist häufig ein Grund für Abmahnungen. Das OLG Frankfurt a.M. stellte nun klar, dass eine Aufklärung der Verbraucher erforderlich ist, wenn der Werbende nicht über die volle Laufzeit Garantiegeber ist, sondern zunächst ein Dritter. Ein weiterer häufiger Fehler ist die Darstellung der Garantiebedingungen. Der Verbraucher ist bereits vor Vertragsschluss hierüber zu informieren. Diese Informationen können im Rahmen der Produktbeschreibung oder über einen sprechenden Link zur Verfügung gestellt werden. Zuletzt entschied das OLG Nürnberg, dass eine transparente Darstellung der Garantiebedingungen notwendig ist und entsprechende Links klar und eindeutig bezeichnet werden müssen.

Eine andere Frage, die noch nicht abschließend geklärt ist und bisher in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet wurde, ist, ob auch über eine Herstellergarantie zu informieren ist, wenn diese gar nicht im Angebot des Unternehmers erwähnt wird. Der BGH hat diese Frage mittlerweile dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.

Zudem gilt seit dem 1.1.2022 eine Neuerung hinsichtlich der Garantieerklärung: Die Garantieerklärung ist dem Verbraucher nach § 479 Abs. 2 BGB spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung der Ware auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen.

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Alexander Kirch/Shutterstock.com

25.01.22