LG Köln: Kaufvertrag auch bei unerwarteten Kostenerhöhungen bindend

Im Zivilrecht gilt das sog. Prinzip der Vertragstreue. Nach diesem Grundsatz ist der Schuldner an den einmal geschlossenen Vertrag rechtlich gebunden. Das LG Köln entschied nun (Urt. v. 30.11.2021 – 5 O 140/21), dass ein geschlossener Kaufvertrag für den Händler auch dann bindend sei, wenn die verkaufte Ware nur noch teurer zu beschaffen ist.

Die Beklagte betreibt einen Online-Shop für Uhren. Dort bestellte der Kläger eine neue Uhr zum Preis von 15.990,- €. Die Beklagte bestätigte den Kauf der Uhr noch am gleichen Tag via E-Mail. 5 Tage später teilte die Beklagte dem Kläger jedoch mit, dass es aufgrund der Corona-Situation und der Marktlage zu Lieferverzögerungen komme. In einer nachfolgenden E-Mail wurde der Kläger sodann darüber informiert, dass der Hersteller das bestellte Modell aus seinem Sortiment genommen habe, die Beklagte sich aber bemühe, die Uhr zum vereinbarten Preis zu beschaffen. Anschließend stornierte die Beklagte die Bestellung und berief sich auf Ihre AGB.

In Ihren AGB behielt sich die Beklagte das Recht vor, vom Vertrag zurückzutreten, wenn die Ware ohne schuldhaftes Zutun von einem sorgfältig ausgewählten und zuverlässigen Zulieferer nicht vorrätig sei (sog. Vorbehalt der Selbstbelieferung). In diesem Falle verpflichte sich die Beklagte dazu, den Kunden unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit der Ware zu informieren und bereits geleistete Zahlungen zurückzuerstatten.

Am selben Tag, an dem die Bestellung storniert wurde, bot die Beklagte dieselbe Uhr auf ihrer Webseite zu dem erhöhten Preis von 21.990,- € an. Der Kläger bestellte die gleiche, allerdings teurere Uhr erneut über die Webseite der Beklagten, die ihm anschließend auch geliefert wurde. Danach forderte er die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe der Differenzsumme auf. Die Beklagte lehnte dies ab. Mit anwaltlichem Schreiben forderte der Kläger die Beklagte erneut zur Zahlung auf. Zusätzlich verlangte er Erstattung der ihm entstandenen Rechtsanwaltskosten.

Das LG Köln urteilte, dass der geschlossene Kaufvertrag grundsätzlich rechtlich bindend sei. Unerheblich sei, ob die Beklagte selbst Probleme bei der Beschaffung der Ware gehabt habe. Allerdings stehe dem Kläger lediglich ein Anspruch auf Zahlung von 2.760 € zu, da er sich hätte bemühen müssen, den Schaden so gering wie möglich zu halten.

Rücktrittsklausel greift nicht

Zunächst führte das Gericht aus, dass unstreitig ein Kaufvertrag zwischen beiden Parteien zustande gekommen sei, der die Beklagte zur Lieferung verpflichte. Diese könne sich nicht auf die Rücktrittsklausel ihrer AGB berufen, da die Klausel allein darauf abstelle, dass die Ware nicht mehr vorrätig sei. Die Uhr sei jedoch nicht „nicht vorrätig“ gewesen, die erhöhten Beschaffungskosten seien ohne Belang. Eine Prüfung, ob eine die Klausel überhaupt wirksamer Vertragsbestandteil geworden ist, sei in diesem Zusammenhang obsolet.

Die Beklagte war nicht aufgrund der Rücktrittserklärung vom 22.09.2020 gemäß § 346 Abs. 1 BGB von der Leistung befreit. Mangels Rücktrittsrechts der Beklagten ist die Rücktrittserklärung unwirksam. Die Beklagte kann sich nicht auf […] Ihre AGB berufen. Ob diese Klausel wirksam ist, kann dahinstehen. Denn jedenfalls war die Ware nicht "nicht vorrätig". Am Tag der Rücktrittserklärung, dem 22.09.2020, bot die Beklagte eine A auf ihrer Website an, wenn auch zu einem höheren Preis. Sowohl die Corona-Situation als auch der Umstand, dass die Uhr angeblich nicht mehr herstellt wurde, waren tatsächlich letztlich ohne Belang. Dass die Uhr unter Umständen für die Beklagte teurer zu beschaffen war, ist unerheblich, da die Klausel darauf nicht abstellt - allein die mangelnde Vorrätigkeit ist Rücktrittsgrund. Etwaige Zweifel bei der Auslegung der Klausel gehen nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders.

Kein individualisiertes Exemplar

Nach Ansicht des Gerichts sei ein individualisiertes Exemplar gerade nicht Gegenstand des Kaufvertrages geworden. Der Kauf beziehe sich lediglich auf eine neue, ungetragene Uhr, sodass eine Verweigerung der Lieferung wegen Unmöglichkeit ausscheide.

Bei der bestellten Uhr handelte es sich auch nicht um eine Stückschuld mit der Folge, dass die Beklagte die Lieferung wegen Unmöglichkeit verweigern konnte. Dabei konnte dahinstehen, ob sie sich nicht ohnehin dadurch schadenersatzpflichtig gemacht hat, dass ein anderer Kunde die bereits vom Kläger bestellte Uhr zwischenzeitlich noch über die Website kaufen konnte.

Der anderslautende Vortrag der Beklagten ist unerheblich. Der Kläger hat zutreffend darauf hingewiesen, dass er die Uhr als "Ungetragen - New" bestellt hatte. Da sich der Kauf auch nicht auf ein - nach Seriennummer - bestimmtes Exemplar bezog, handelte es sich um eine Gattungsschuld […].

Festpreis grundsätzlich bindend

Weiterhin das LG Köln aus, dass keine Umstände erkennbar seien, die zum Wegfall bzw. zum Erlöschen des Vertrages führen könnten. Ein vereinbarter Festpreis bleibe auch bei unerwarteten Kostenerhöhungen bindend. Die Beschaffung der Ware sowie die tatsächliche Lieferung zu einem profitablen Preis sei das alleinige Risiko der Beklagten gewesen.

Zudem kommt ein Rücktritt nach § 313 Abs. 3 BGB wegen Störung der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht. Ein vereinbarter Festpreis bleibt auch bei unerwarteten Kostenerhöhungen grundsätzlich bindend […]. Es liegt auch kein Ausnahmefall vor. Ein solcher ist nur dann anzunehmen, wenn sich Umstände außerhalb des Einfluss- und Risikobereichs des Schuldners verändern […]. Die Beschaffung der Ware ist jedoch das alleinige Risiko der Beklagten. Im Übrigen hätte sie durch entsprechende Maßnahmen vor Vertragsschluss sicherstellen können, dass ihr die Uhr tatsächlich zu einem für sie profitablen Preis geliefert wird, insbesondere durch eine entsprechende Reservierung, damit nicht - wie hier behauptet - ein anderer Kunde die Uhr zwischenzeitlich erwirbt.

Anspruch auf Ersatz der Mehrkosten für Deckungsgeschäft

Der Geschädigte könne Ersatz für die Mehrkosten eines gleichwertigen Deckungsgeschäfts verlangen. Das Deckungsgeschäft dürfe nicht verzögert werden und sei sorgfältig vorzunehmen, so das Gericht.

Nach der Differenzmethode kann der Geschädigte Ersatz für die Mehrkosten eines gleichwertigen Deckungsgeschäftes verlangen, dessen Vornahme er nicht verzögern darf und dabei die erforderliche Sorgfalt anwenden muss […]. Der Kläger hat bei der Beklagten die gleiche Uhr kurz nach Stornierung seiner Bestellung am 23.09.2020 bestellt. Der Schaden beläuft sich auf 21.990,00 € - 15.990,00 € = 6.000,00 € […].

Schadensminderungspflicht des Klägers

Allerdings sei bei der Vornahme des Deckungskaufs die Schadensminderungspflicht durch den Kläger nicht eingehalten worden. Diese bestimme sich durch Maßnahmen, die ein ordentlicher und verständiger Mensch ergriffen hätte. Der Kläger habe es unterlassen, aus vergleichbaren Angeboten das günstigste zu wählen, so das LG.

Der Kläger hat außerdem gegen die ihn gemäß § 254 Abs. 2 S. 1 BGB treffende Schadensminderungspflicht verstoßen. Dies ist dann der Fall, wenn der Geschädigte die Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergreifen würde […]. Dabei kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, dass er das Deckungsgeschäft unmittelbar nach der Stornierung vorgenommen hat. Zu einem möglichst frühen Deckungsgeschäft war er nämlich angehalten […].

Dem Kläger hätte es aber oblegen, von mehreren möglichen Deckungsgeschäften bei Vergleichbarkeit der Angebote und Gleichwertigkeit der Uhren das günstigste zu wählen. Die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat diesbezüglich vier günstigere Alternativangebote aufgelistet.

Das vergleichbare Angebot für 18.750,- € hätte der Beklagte aus Schadensminderungsgesichtspunkten annehmen müssen. Sein Anspruch belief sich damit lediglich auf 18.750,- € - 15.990,- € = 2.760,- €.

Fazit

Der Grundsatz „Verträge sind einzuhalten“ geht auf das römische Recht zurück und gilt auch im heutigen Zivilrecht. Das Urteil des LG Köln verdeutlicht, dass einmal geschlossene Verträge grundsätzlich rechtlich bindend sind. Erhöhte Beschaffungskosten der Ware fallen allein in die Risikosphäre des Verkäufers und berechtigen grundsätzlich nicht zur Stornierung eines Vertrages. Eine Überprüfung der Rücktrittsklausel durch das Gericht hat nicht stattgefunden. Vertragsrechtliche Absicherungen in AGB sind jedoch nur sehr bedingt möglich. Nutzen Sie unseren Rechtstexter, um unzulässige Klauseln in Ihren AGB zu vermeiden!

sergign/Shutterstock.com

06.01.22