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OLG Nürnberg: 22.000 € Vertragsstrafe für unzulässige Werbeaussagen angemessen

Jeder, der schon einmal abgemahnt wurde, kennt die eigentliche Gefahr dahinter – die strafbewehrte Unterlassungserklärung. Darin wird erklärt, für jeden zukünftigen Verstoß gegen diese Unterlassungserklärung einen bestimmten Geldbetrag zu zahlen. Das OLG Nürnberg (Hinweisbeschl. v. 16.6.2021 – 3 U 458/21) entschied nun zu einem „Haftungsausschluss“ mittels Pop-Up-Fenster und dass eine Vertragsstrafe in Höhe von 22.000 € für unzulässige Werbeaussagen angemessen sei.

Der Beklagte wurde im September 2019 vom Kläger wegen nach dem Heilmittelwerbegesetz und Medizinproduktegesetz unzulässiger Werbeaussagen abgemahnt und gab die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung – leicht abgeändert – ab. Drei Monate später, im Dezember 2019, erfolgten erneut unzulässige Werbeaussagen. Der Kläger mahnte den Beklagten daraufhin erneut ab, machte ihm gegenüber seine Rechte auf Unterlassung geltend und forderte die Zahlung einer Vertragsstrafe. Das LG Ansbach (Urt. v. 19.1.2021 – 5 HK O 138/20) hatte den Beklagten zur Unterlassung und zur Zahlung einer Vertragsstrafe i.H.v. 22.000 € verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung.

Das OLG Nürnberg beabsichtigt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen. Der Beklagte habe gegen die Unterlassungserklärung verstoßen.

Hinweis: Aktuell darf der IDO nicht mehr abmahnen, da er nicht in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände beim Bundesamt für Justiz eingetragen ist. Wenn Sie dem IDO gegenüber eine Unterlassungserklärung abgegeben haben, kann diese nun gegebenenfalls gekündigt werden.

Wirksamer Unterlassungsvertrag

Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Parteien einen wirksamen Unterlassungsvertrag mit einer wirksamen Vertragsstrafenvereinbarung geschlossen haben.

Zwischen den Parteien ist durch das Schreiben des Beklagten vom 10.09.2019, mit welchem dieser eine – im Vergleich zur Abmahnung leicht abgeänderte – strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab, und der Annahmeerklärung durch den Kläger vom 16.09.2019 ein Unterwerfungsvertrag zustande gekommen (vgl. BGH, GRUR 2006, 878, Rn. 13 ff. – Vertragsstrafevereinbarung).

Bei Verstößen gegen die darin vereinbarte Unterlassungspflicht kann der Gläubiger der Unterwerfung neben der Forderung der Vertragsstrafe i.S.v. § 339 BGB (vgl. dazu BGH, GRUR 2014, 909, Rn. 11 – Ordnungsmittelandrohung nach Prozessvergleich) den Verletzer auf Unterlassung in Anspruch nehmen (BGH, GRUR 1995, 678, juris-Rn. 22 – Kurze Verjährungsfrist). Die Geltendmachung des vertraglichen Unterlassungsanspruchs setzt dabei keine Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr – und damit keine Wettbewerbswidrigkeit – voraus (BGH, GRUR 1999, 522, juris-Rn. 41 – Datenbankabgleich).

Kerngleiche Werbeaussagen

Der Beklagte verwendete zwar nicht wortgleich die in der Unterlassungserklärung enthaltenen Aussagen, sondern relativierte diese dahingehend um, dass die ausgelobten Wirkungen eintreten „können“ oder „sollen“. Dies sei jedoch unbeachtlich, so das Gericht. Im Kern gleichartige Verstöße seien ebenso erfasst.

Diese Werbeaussagen auf der Website des Beklagten sind kerngleich mit den in der Unterlassungserklärung enthaltenen Aussagen. Soweit die Aussagen nunmehr dahingehend formuliert sind, dass die genannten Wirkungen eintreten „können“ oder „sollen“, handelt es lediglich um eine derart geringe Relativierung der Werbebehauptungen, dass deren Kerngehalt gegenüber der zu unterlassenden Aussagen nicht abgeändert ist. Denn nach dem insoweit maßgeblichen Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise handelt es sich weiterhin um Heils- bzw. Wirksamkeitsversprechungen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass auch nach den insoweit maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften die Eignung, bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine unrichtige Vorstellung über die wesentlichen Eigenschaften eines Mittels hervorzurufen, somit die Gefahr einer Täuschung ausreichend ist.

„Haftungsausschluss“ war nutzlos

Der Beklagte hatte versucht, sich durch einen „Haftungsausschluss“ seiner Haftung zu entziehen. Er stellte der Werbung ein Pop-Up voran, in dem darauf hingewiesen wurde, dass es bislang keine Studien nach wissenschaftlich anerkanntem Standard gebe, die die Wirksamkeit der beworbenen Therapie belegen, und sie lediglich auf Erfahrungen des Beklagten beruhen. Das Gericht stellte klar, dass dieser Hinweis nicht dazu geeignet sei, die Haftung auszuschließen.

Bei einem gesetzlichen Unterlassungsanspruch nach §§ 3 Abs., 3a UWG, § 3 S. 1 und 2 Nr. 1 HWG gilt im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (sog. „Strengeprinzip“). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn dem Werbenden jegliche wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse fehlen, die die werbliche Behauptung stützen können. Darüber hinaus kann es irreführend sein, wenn eine Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen (BGH, GRUR 2021, 513, Rn. 17 – Sinupret). […]

Zudem müsse ein aufklärender Hinweis, der eine Irreführung der Verbraucher ausschließen soll, klar und unmissverständlich erfolgen und am Blickfang teilhaben.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der Werbende eine Irreführung des Verkehrs durch einen aufklärenden Hinweis nur dann verhindern kann, wenn dieser für den Durchschnittsverbraucher klar und unmissverständlich ist (Helm/Sonntag/Burger, in Gloy/Loschelder/Danckwerts, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2019, § 59 Rn. 96). Voraussetzung ist, dass der Hinweis am Blickfang teilhat und dadurch eine Zuordnung zu den Werbeangaben gewahrt bleibt. Dies ist dann anzunehmen, wenn davon auszugehen ist, dass der situationsadäquat aufmerksame Verbraucher die aufklärenden Hinweise wahrnimmt (BGH, GRUR 2007, 981, Rn. 23 – 150% Zinsbonus).

Disclaimer schließt Haftung nicht aus

Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Ein solcher Disclaimer, der entgegen der strengen Vorgaben im Heilmittelbereich versuche, Werbeaussagen zu relativieren, reiche nicht aus, um eine Haftung auszuschließen.

Zum einen ist eine Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben nur zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht und der vom Werbenden in Anspruch genommene Stand der Wissenschaft bereits im Zeitpunkt der Werbung dokumentiert ist. Ein Disclaimer, der die gesundheitsbezogenen Werbeaussagen dadurch zu relativieren versucht, dass diese – entgegen der Vorgaben des „Strengeprinzips“ – nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen, reicht nicht aus, um einen Gesetzesverstoß auszuräumen, zumal ein gewisser Widerspruch besteht, wenn einerseits der Verbraucher auf fehlende Studien hingewiesen wird, und gleichzeitig konkrete Heilaussagen zur Bewerbung der Kältetherapie verwendet werden.

Zudem sei der Dislaimer den Werbeaussagen nicht zugeordnet, da das Pop-Up-Fenster nach Schließen schon nicht mehr im Zusammenhang mit der gegenständlichen Werbung gesehen werde.

Zum anderen fehlt eine Zuordnung des Disclaimers zu den Werbeangaben. Sobald der Benutzer der Website des Beklagten diesen als Pop-Up-Fenster vor die Werbung geschalteten „Haftungsausschluss“ schließt, sind ihm gegenüber die wettbewerbswidrigen Aussagen ohne weitere Einschränkung zugänglich. Die Ausführungen im Haftungsausschluss nehmen somit an der konkreten Werbung nicht mehr teil, wenn der Verbraucher die streitbefangenen Wirkungsauslobungen zu Kenntnis nimmt.

22.000 € Vertragsstrafe angemessen

Die Höhe der Vertragsstrafe sei angemessen, so das Gericht. Bei der Bemessung seien die Umstände des Einzelfalls entscheidend und der mit der Vertragsstrafe verfolgte Zweck, künftige Wettbewerbsverstöße zu verhindern. Zu berücksichtigen seien dabei Art, Schwere und Ausmaß, das Verschulden des Verletzers sowie die Gefährlichkeit des Verstoßes für den Gläubiger. Dem entspreche der mit dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs („Anti-Abmahn-Gesetz“) eingeführte § 13a UWG, der damit auch auf Unterlassungserklärungen vor Inkrafttreten des Gesetzes am 1.12.2021 angewendet werden könne.

Bei der Bemessung einer angemessenen Vertragsstrafe kommt es auf die Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Zwecks der Vertragsstrafe an, in erster Linie künftige Wettbewerbsverstöße zu verhindern. Dabei können vor allem auch Art, Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung, das Verschulden des Verletzers sowie die Gefährlichkeit des Verstoßes für den Gläubiger eine Rolle spielen (BGH, GRUR 2002, 180, juris-Rn. 25 – Weit-Vor-Winter-Schluss-Verkauf). Dem entspricht der seit 02.12.2020 geltende § 13a Abs. 1 UWG. Danach sind bei der Festlegung einer angemessenen Vertragsstrafe als Umstände zu berücksichtigen die Art, das Ausmaß und die Folgen der Zuwiderhandlung (Nr. 1), die Schuldhaftigkeit der Zuwiderhandlung und bei schuldhafter Zuwiderhandlung die Schwere des Verschuldens (Nr. 2), die Größe, Marktstärke und Wettbewerbsfähigkeit des Abgemahnten (Nr. 3) und das wirtschaftliche Interesse des Abgemahnten an erfolgten und zukünftigen Verstößen (Nr. 4).

Diese Grundsätze können auch bei einer nach billigem Ermessen des Gläubigers vorzunehmenden Bestimmung der Höhe einer durch die Zuwiderhandlung gegen eine vertragliche Unterlassungsverpflichtung verwirkten Vertragsstrafe zugrunde gelegt werden (vgl. OLG Celle, WRP 2015, 475, Rn. 25).

Zwei Vertragsstrafen verwirkt

Die Höhe der Vertragsstrafe hing auch damit zusammen, dass der Beklagte zwei Vertragsstrafen verwirkt hatte. Der Beklagte hatte nach Erhalt der zweiten Abmahnung weiter mit den strittigen Aussagen geworben und diese selbst nach Klageerhebung nicht überprüft.

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte auch nach der Abmahnung durch den Kläger sowie ebenfalls nach Klageerhebung mit den streitbefangenen Aussagen geworben. Der Beklagte wäre nach Empfang der Abmahnung sowie Zustellung der Klage jedoch gehalten gewesen, jeweils sein Wettbewerbsverhalten zu überprüfen. Die Abmahnung und jedenfalls die Klageerhebung sind daher geeignet, insgesamt eine Zäsur der Dauerhandlung der Werbung darzustellen, da der Beklagte nach deren Erhalt zwangsläufig erneut eine Entscheidung darüber treffen musste, ob er das Verhalten, zu dessen Unterlassung er sich verpflichtete, unverändert fortsetzt.

Fazit

Eine abgegebene Unterlassungserklärung sollte unbedingt befolgt werden. Grundsätzlich kann der Gläubiger bei Verstößen gegen die Unterlassungserklärung die Zahlung der Vertragsstrafe verlangen. Sie sollten eine Unterlassungserklärung nie einfach unterschreiben. Eine Beratung durch spezialisierte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ist dringend zu empfehlen, um die richtige Vorgehensweise im konkreten Fall festzulegen. Zwar dürfen Mitbewerber nach dem neuen Anti-Abmahngesetz  nach § 13a Abs. 2 UWG keine Vereinbarung einer Vertragsstrafe fordern, wenn erstmalig eine Unterlassungsverpflichtung gefordert wird und der Abgemahnte i.d.R. weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt. Dies gilt allerdings nur für den ersten Verstoß. Zudem gilt diese Einschränkung nicht bei Abmahnungen von Verbänden.

Unser Tipp: Im Rahmen unserer Legal Products Legal Enterprise und Legal Ultimate prüft unsere Partnerkanzlei auch bereits abgegebene Unterlassungserklärungen, um drohende Vertragsstrafzahlungen zu vermeiden, und schaut sich an, ob eine Kündigung in Ihrem Fall in Betracht kommt und spricht diese dann auch gerne für Sie aus.

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