Die Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben, sog. Health-Claims, ist durch die EU streng reglementiert. Von dem Begriff der „gesundheitsbezogenen Angabe“ werden auch Grafiken erfasst, wie nun das LG Essen (Urt. v. 20.5.2021 – 43 O 55/20) noch einmal klarstellte.

Die Beklagte vertreibt über ihren Onlineshop Nahrungsergänzungsmittel. Diese bewarb sie auf der Startseite ihres Internetauftritts u.a. einer Grafik, die verschiedene Keime in stilisierter Abbildung und zudem eine männliche Person zeigte, die ihre linke Hand in Abwehrhaltung gegen die Keime ausstreckt. Daneben befand sich der Hinweis „Volle Power für Ihr Immunsystem“. Die Klägerin, die Wettbewerbszentrale, mahnte die Beklagte wegen mehrerer Verstöße ab und forderte die Abgabe einer Unterlassungserklärung. Diese gab sie jedoch nur zum Teil ab und nicht hinsichtlich der verwendeten Grafik.

Das LG Essen entschied nun, dass der Klägerin der Unterlassungsanspruch zustehe. Mit der Darstellung habe die Beklagte sowohl gegen Vorschriften der Health-Claims-Verordnung als auch solche der LMIV (Lebensmittelinformationsverordnung; VO [EU] 1169/2011) verstoßen, bei denen es sich um Marktverhaltensregelungen handle.

Rechtlicher Hintergrund

Welche nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben in der Werbung für Lebensmittel verwendet werden dürfen, regelt die VO (EG) 1924/2006 (HCVO = Health-Claims-Verordnung). Bei der Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben besteht ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt: Gesundheitsbezogene Angaben sind nach Art. 10 Abs. 1 HCVO grundsätzlich verboten, es sei denn, sie sind nach der Verordnung ausdrücklich zugelassen.

(1) Gesundheitsbezogene Angaben sind verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen im vorliegenden Kapitel entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 aufgenommen sind.

Eine Auflistung der zugelassenen Angaben findet sich im Anhang der VO (EU) 432/2012 sowie im Register der Europäischen Kommission. Zudem stehen alle Aussagen unter weiteren Bedingungen, welche ebenfalls dem Anhang der Verordnung entnommen werden können. Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile eines Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden sind nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Art. 13 oder 14 HCVO enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist (Art. 10 Abs. 3 HCVO).

Grafik als Angabe

Das LG Essen stellte zunächst klar, dass gesundheitsbezogene Angaben verboten seien, die nicht den Anforderungen der HCVO entsprechen und nicht in die Liste der zugelassenen Angaben aufgenommen sind. Zudem sei der Begriff der Angabe weit zu verstehen und schließe auch Grafiken ein. Eine Angabe ist nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCVO jede Aussage oder Darstellung, die nach dem Gemeinschaftsrecht oder den nationalen Vorschriften nicht obligatorisch ist, einschließlich Darstellungen durch Bilder, grafische Elemente oder Symbole in jeder Form, und mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt.

Zu den Angaben zählen danach alle in der Etikettierung oder Bewerbung von Lebensmitteln in irgendeiner Weise zum Ausdruck gebrachten – nicht obligatorischen – Aussagen oder Darstellungen, die bei einem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher den Eindruck hervorrufen können, ein bestimmtes Lebensmittel besitze besondere Eigenschaften (BGH GRUR 2016, 412 ff. – I ZR 222/13 Rn. 17, juris [= WRP 2016, 471]).

Vorliegend hat die Beklagte im Rahmen der Internetwerbung eine derartige Angabe bzw. Darstellung gemacht, indem sie mittels der Grafik auf eine besondere keimabweisende bzw. keimschützende Eigenschaft der von ihr vertriebenen Nahrungsergänzungsmittel hingewiesen hat.

Gesundheitsbezug der Angabe

Zudem handle es sich bei der Grafik um eine gesundheitsbezogene Angabe. Unter einer gesundheitsbezogenen Angabe ist gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO jede Angabe zu verstehen, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits bestehe. Auch dieser Zusammenhang sei weit zu verstehen.

Der Zusammenhang ist dabei weit zu verstehen. Der Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe erfasst daher jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustandes dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert (BGH GRUR 2016, 412 ff. – I ZR 222/13, Rn. 21, juris [= WRP 2016, 471]; OLG Hamm MD 2019, 844 ff., 849 – 4 U 142/18, juris, jeweils m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat die Beklagte vorliegend mit gesundheitsbezogenen Angaben geworben. Wie der Kläger zu Recht vorträgt bezieht sich die Grafik auf die Abwehr von bzw. einen Schutz vor Krankheitserregern, insbesondere Viren.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes genügt es für die Annahme einer gesundheitsbezogenen Angabe bereits, dass eine geistige oder körperliche Funktion des menschlichen Organismus gefördert oder erhalten wird (vgl. BGH GRUR 2016, 412 ff. – I ZR 222/13, Rn. 23, juris [= WRP 2016, 471] für die Angaben „Lernstark“ und „Mit Eisen … zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit“).

Zusammenhang zwischen Grafik und Produkten

Da die Grafik unmittelbar neben den Produkten abgebildet war, werde ein Zusammenhang zwischen der Verbesserung des Gesundheitszustands und den dargestellten Produkten hergestellt.

Eindeutig wird nämlich ein Zusammenhang zu den konkret beworbenen Produkten dadurch hergestellt, dass die Grafik sogleich neben ihnen sichtbar ist. Die Kammer kann aus der Darstellung auch nicht lediglich eine Bezugnahme auf den Begriff des Immunsystems ableiten. Vielmehr führt die Art der dargestellten Keimabwehr beim Betrachter unwillkürlich zur Assoziation eines Schutzes vor den dargestellten Bakterien/Viren bis hin zum Corona-Virus. Die Darstellung der Keime entspricht dabei nach der Auffassung der Kammer im Kern durchaus der vereinfachten Darstellung eines Virus in den Medien.

Das genügt aber bereits für die Annahme eines Zusammenhangs, der eine Verbesserung des Gesundheitszustandes dank des Verzehrs des Produkts impliziert.

Angaben zu kompletten Lebensmitteln unzulässig

Zwar sei für Vitamin C, Vitamin D, Selen und Zink ein zugelassener Claim, dass die betreffenden Inhaltsstoffe zu einer normalen Funktion des Immunsystems beitragen, in der Gemeinschaftsliste der zugelassenen Angaben vorgesehen. Dieser decke jedoch nicht den durch die Grafik pauschal für die Gesamtheit der Produkte suggerierten Schutz vor Krankheitserregern bzw. die Abwehr von Viren und Bakterien ab. Es sei vielmehr erforderlich, dass sich die Angaben auf einen konkreten Nährstoff oder eine konkrete Substanz beziehen und nicht auf ein komplettes Lebensmittel.

Die Zulässigkeit einer Werbeaussage unter Berufung auf den oben angegebenen Claim setzt aber voraus, dass die Wirkungsangabe gemäß der Liste im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 jeweils in Beziehung zu einem bestimmten Nährstoff, einer bestimmten Substanz, einem bestimmten Lebensmittel oder einer bestimmten Lebensmittelkategorie gesetzt wird. Denn die hier zu betrachtenden Angaben aus der Liste beziehen sich jeweils auf einen bestimmten Nährstoff bzw. eine bestimmte Substanz (im chemischen Sinne).

Wirkungsangaben, die sich auf ein komplettes, aus verschiedenen Substanzen bestehendes Lebensmittel beziehen, sind hingegen nur zulässig, wenn sich in der Liste im Anhang zu der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 eine entsprechende zugelassene Aussage zu dem kompletten Lebensmittel findet (vgl. OLG Hamm MD 2015, 1252 ff. – I-4 U 72/14, Rn. 106, juris). Eine gesundheitsbezogene Angabe, die – wie hier – nicht erkennen lässt, auf welchen der in der Liste der zugelassenen Angaben im Anhang zur Verordnung (EU) Nr. 432/2012 aufgeführten Nährstoffen, Substanzen, Lebensmitteln oder Lebensmittelkategorien die behauptete Wirkung eines Produkts beruht, ist daher mit den zugelassenen Angaben nicht inhaltsgleich und somit unzulässig (BGH GRUR 2016, 1200 ff. – I ZR 81/15, Rn. 35, juris [= WRP 2016, 1359]).

Zudem gehe die Grafik über die für einzelne enthaltene Nährstoffe zugelassenen Angaben hinaus.

Es kommt hinzu, dass die streitgegenständliche Grafik nicht nur einen Beitrag zu einem normalen Immunsystem illustriert, sondern darüber hinausgehend – und damit unzulässig – eine Verbesserung des Immunsystems und eine aktive Abwehr von Bakterien, Viren und anderen Keimen durch die Einnahme der beworbenen Produkte.

Gleichzeitig Verstoß gegen die LMIV

Zudem verstoße die Grafik gegen Art. 7 abs. 3 LMIV. Danach dürfen grundsätzlich Informationen über ein Lebensmittel diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten suggeriert die vom Kläger beanstandete Grafik – gerade im Zusammenspiel mit der Überschrift „volle Power für Ihr Immunsystem“ – nämlich nicht nur die Unterstützung des körpereigenen Immunsystems, sondern bringt vielmehr einen aktiven Schutz der Gesundheit durch den Verzehr der beworbenen Lebensmittel zum Ausdruck.

Fazit

Die fehlerhafte Kennzeichnung von Lebensmitteln ist häufig ein Grund für Abmahnungen. Beim Handel mit Lebensmitteln müssen Sie nicht nur die Vorgaben aus der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) beachten, sondern auch die HCVO, wenn Sie mit gesundheitsbezogenen Angaben werben. Bei diesen Vorschriften handelt es sich um Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 3a UWG, die bei Verstößen abgemahnt werden können. Zudem findet die HCVO nicht nur bei gesundheitsbezogenen Angaben Anwendung, sondern sie gilt auch, wenn Sie ein Lebensmittel mit nährwertbezogenen Angaben wie z.B. „fettarm“, „zuckerfrei“ oder „hoher Proteingehalt“ bewerben.

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