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KG: Amazon-Händler müssen Angebote regelmäßig auf Verstöße überprüfen

Eine Abmahnung, die den Inhalt einer Produktbeschreibung betrifft, ist für Amazon-Händler sehr weitreichend, da sie keinen abschließenden Einfluss auf die Artikelbeschreibung haben. Andere Händler haben jederzeit die Möglichkeit, diese zu verändern. Das KG (Beschl. v. 21.6.2021 – 5 U 3/20) entschied nun, dass Amazon-Händler dazu verpflichtet seien, ihre Angebote regelmäßig auf Verstöße zu überprüfen.

Der Beklagte war in der Vergangenheit von dem Kläger abgemahnt worden und hatte daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Jetzt verstießen die Artikelbeschreibungen zweier Amazon-Angebote gegen diese Unterlassungserklärung. Der Kläger forderte daraufhin die Zahlung einer Vertragsstrafe. Das LG Berlin (Urt. v. 14.11.2019 – 91 O 57/19) hatte den Beklagten dazu verurteilt, 5.000 € Vertragsstrafe nebst Zinsen an den Kläger zu zahlen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung.

Das KG hat sich im Rahmen eines Beschlusses der Ansicht des LG Berlin angeschlossen. Es beabsichtigt, die Berufung zurückzuweisen, sie habe keine Aussicht auf Erfolg. Das KG entschied, dass der Beklagte zur regelmäßigen Überprüfung seiner Angebote verpflichtet sei. Reine Stichproben genügten zur Erfüllung dieser Prüfpflicht jedenfalls dann nicht, wenn das System, nach dem die Stichproben genommen werden, nicht sicherstellt, dass in einem angemessenen Zeitraum jedes Angebot, das dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum auf der Plattform eingestellt wird, zum Gegenstand einer Prüfung gemacht wird.

Pflicht zur Überprüfung der Angebote

Das KG stellte klar, dass Anbieter dazu verpflichtet seien, ihre Angebote regelmäßig auf Verstöße hin zu überprüfen und berief sich hierbei auf den BGH.

Sofern der Anbietende sich einer Verkaufsplattform bedient, bei der die technische Möglichkeit besteht, dass die Angaben für das Produkt, etwa die Produktbeschreibung, durch andere Händler geändert werden, besteht die Gefahr, dass ursprünglich richtige und zulässige Angebote durch Handlungen Dritter in rechtsverletzender Weise geändert werden. Jede weitere Nutzung der Verkaufsplattform erhöht diese Gefahr von Rechtsverletzungen (BGH, Urt. v. 03.03.2016 – I ZR 140/14, GRUR 2016, 936 Rn. 23 – Angebotsmanipulation bei Amazon). Unter diesen Umständen ist es dem Anbietenden – also hier dem Beklagten – zuzumuten, ein von ihm dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum auf der Plattform eingestelltes Angebot regelmäßig darauf zu überprüfen, ob rechtsverletzende Änderungen vorgenommen worden sind (BGH, Urt. v. 03.03.2016 – I ZR 140/14, GRUR 2016, 936 Rn. 24 – Angebotsmanipulation bei Amazon).

Diese vom BGH entwickelten Grundsätze zur Störerhaftung könnten auf den Prüfungsumfang bei einer abgegebenen Unterlassungserklärung übertragen werden.

Prüfpflichten nicht nachgekommen

Der Beklagte konnte nicht nachweisen, dass er seine Prüfungspflichten erfüllt hat. Reine Stichproben genügten grundsätzlich nicht, so das Gericht, und jedenfalls dann nicht, wenn das System, nach dem die Stichproben genommen werden, nicht sicherstellt, dass in einem angemessenen Zeitraum jedes Angebot, das dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum auf der Plattform eingestellt wird, zum Gegenstand einer Prüfung gemacht wird.

Der Beklagte hat nicht aufgezeigt, dass er seinen Prüfungspflichten nachgekommen ist. Die Vornahme bloßer Stichproben genügt nicht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das System, nach dem die Stichproben genommen werden, nicht sicherstellt, dass in einem angemessenen Zeitraum jedes Angebot, das dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum auf der Plattform eingestellt wird, zum Gegenstand einer Prüfung gemacht wird. Dazu trägt der insoweit darlegungsbelastete Beklagte nichts vor.

Regelmäßige Prüfung zumutbar

Der Beklagte argumentierte, dass es für einen Einzelunternehmer, der mehr als 5.000 Artikel im Angebot habe, unzumutbar und zu teuer sei, diesen Prüfpflichten nachzukommen. Dem folgte das KG nicht, denn der Beklagte habe sich bewusst für einen solchen Vertriebsweg entschieden, der nachträgliche Änderungen zulasse.

Soweit der Beklagte sich darauf beruft, die gebotene Prüfung sei zu kostenintensiv, weshalb sie § 276 Abs. 2 BGB nicht entnommen werden könne, überzeugt diese allein auf Maßstäbe der ökonomischen Analyse des Rechts abstellende Betrachtung nicht. Zwar mögen Gesichtspunkte, die sich aus ihr ergeben, bei der Auslegung des einfachen Rechts zu berücksichtigen sein; sie sind jedoch jedenfalls nicht das einzige Kriterium, das bei der Bestimmung des Inhalts von Sorgfaltspflichten in Ansatz zu bringen ist. So ist hier vielmehr in erster Linie zu bedenken, dass der Beklagte sich bewusst für den Vertriebsweg über solche Plattformanbieter entschieden hat, die eine nachträgliche Abänderung der eingestellten Angebote durch Dritte zulassen. Die wirtschaftlichen Nachteile, die sich daraus ergeben mögen, dass der Beklagte jene Prüfungen sicherzustellen hat, sind letztlich die Kehrseite jener unternehmerischen Entscheidung und müssen vom Beklagten hingenommen werden (vgl. zu dieser Wertung auch BGH, Urt. v. 03.03.2016 – I ZR 110/15, GRUR 2016, 961 Rn. 37 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon).

5.000 € Vertragsstrafe angemessen

Zudem hielt der Beklagte die Vertragsstrafe von 5.000 € für zu hoch. Diese Höhe halte jedoch der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB stand, so das Gericht. Zweck sei, den Schuldner von weiteren Verstößen abzuhalten.

Gemessen hieran hält die Festsetzung der Vertragsstrafe auf 5.000,00 Euro der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 S. 2 BGB stand. Bei einer deutlich geringeren Vertragsstrafe bestünde vielmehr die ernsthafte Gefahr, dass der Zweck des Vertragsstrafeversprechens, den Schuldner von weiteren Verstößen abzuhalten, nicht mehr erreicht würde. Dabei ist – worauf auch das Landgericht zutreffend hingewiesen hat – auch in Ansatz zu bringen, dass im Geschäftsbereich normaler wirtschaftlicher Bedeutung die Spanne einer ausreichenden Vertragsstrafe grundsätzlich zwischen 2.500,00 Euro bis 10.000,00 Euro zu bemessen ist (vgl. OLG Celle Urt. v. 05.12.2013 – 13 W 77/13, BeckRS 2014, 8331 Rn. 10). Durchgreifende Gründe, die für eine andere Beurteilung sprechen, sind nicht erkennbar.

Auch die Höhe der Vertragsstrafe sei bei einem jährlichen Umsatz i.H.v. 50.000 € angemessen. Hierbei sei auch der Bekanntheitsgrad von Amazon und die entsprechende Nachahmungsgefahr zu berücksichtigen. Ebenso habe der Beklagte nicht nur mit einem, sondern mit zwei Angeboten gegen die Unterlassungserklärung verstoßen.

Bei der Billigkeitskontrolle ist auch die Art und Größe des Unternehmens in den Blick zu nehmen, insbesondere, um beurteilen zu können, ob die Vertragsstrafe für den Schuldner “empfindlich” und damit dazu in der Lage ist, das zukünftige Verhalten des Schuldners zu beeinflussen. Soweit der Beklagte sich darauf beruft, sein Umsatz belaufe sich auf jährlich knapp 50.000,00 Euro brutto, so liegt darin kein Umstand, der es begründen könnte, dass die Klägerin bei der Bestimmung der Straffhöhe den ihr zukommenden Ermessenspielraum überschritten hat; es handelt sich insbesondere keineswegs um sehr geringe Umsätze.

Ferner war in Ansatz zu bringen, dass es sich bei der Plattform amazon.de um eine solche mit einem gehörigen Bekanntheitsgrad handelt. Es bestand daher insbesondere die gesteigerte Gefahr, dass eine erhebliche Anzahl von Internetbesuchern die Werbeaussage zur Kenntnis nehmen, was auch die Gefahr der Nachahmung erhöht (vgl. zu dieser Wertung OLG Hamm, Beschl. v. 14.07.2015 – 4 W 78/15, BeckRS 2016, 17328 Rn. 7).

Fazit

Die Gerichte haben bereits mehrfach entschieden, dass Händler für Verstöße auf Amazon auch dann haften, wenn sie keinen Einfluss auf die Angebotsgestaltung haben, zuletzt das OLG Frankfurt. Das OLG Schleswig hatte in einer Entscheidung die Überprüfungspflicht bei einer Unterlassungsverpflichtung bei Amazon bereits genauer konkretisiert. Notwendig sei grundsätzlich eine entsprechende Überprüfung in den eigenen Amazon-Angeboten einmal am Tag von Montag bis Freitag. Diese Überprüfung sollte jeweils schriftlich dokumentiert werden, um im Zweifelsfall einem gerichtlichen Verfahren ein vernünftiges Beweismittel zu haben. So weit geht das KG in seinem Beschluss nicht, lässt jedoch reine Stichproben nicht genügen, wenn das System, nach dem die Stichproben genommen werden, nicht sicherstellt, dass in einem angemessenen Zeitraum jedes Angebot, das dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum auf der Plattform eingestellt wird, zum Gegenstand einer Prüfung gemacht wird.

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