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OLG Hamm: Fehlende Kennzeichnung nach ElektroG ist wettbewerbswidrig

Elektrogeräte müssen nach § 9 Abs. 2 ElektroG mit dem Symbol der durchgestrichenen Mülltonne gekennzeichnet werden. Das OLG Hamm (Urt. v. 20.7.2021 – 4 U 72/20) entschied nun, dass es sich beim Fehlen dieser Kennzeichnung um einen Wettbewerbsverstoß handelt, der abgemahnt werden kann.

Die Beklagte verkauft Leuchten und Leuchtmittel über das Internet. Nach einem Testkauf eines Mitbewerbers mahnte dieser die Beklagte wegen eines Verstoßes gegen § 9 Abs. 2 S. 1 ElektroG ab, da das Symbol der durchgestrichenen Mülltonne nicht am Produkt selbst angebracht, sondern lediglich in den Begleitunterlagen abgedruckt war. Nach § 9 Abs. 2 ElektroG sind entsprechende Geräte grundsätzlich dauerhaft mit dem Symbol der „durchgestrichenen Mülltonne“ zu kennzeichnen. Diese Abmahnung wies die Beklagte zurück.

Das OLG Frankfurt verurteilte die Beklagte im einstweiligen Verfügungsverfahren zur Unterlassung. Das LG Dortmund verurteilte die Beklagte im Hauptsacheverfahren ebenfalls zur Unterlassung und zum Ersatz der Abmahnkosten. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung der Beklagten, die das OLG Hamm nun zurückwies. § 9 Abs. 2 ElektroG sei eine Marktverhaltensregelung i. S. v. § 3a UWG.

Rechtlicher Hintergrund

§ 9 Abs. 2 S. 1 ElektroG bestimmt, dass Elektro- und Elektronikgeräte grundsätzlich mit dem Symbol der durchgestrichenen Mülltonne zu kennzeichnen sind. Dieses findet sich in Anlage 3 ElektroG.

Das Symbol darf nur ausnahmsweise statt auf das Gerät auf die Verpackung, die Gebrauchsanweisung oder den Garantieschein gedruckt werden, sofern es in Ausnahmefällen auf Grund der Größe oder der Funktion des Elektro- oder Elektronikgerätes erforderlich ist. Diese Ausnahme sieht § 9 Abs. 2 S. 2 ElektroG vor.

Pflicht zur Kennzeichnung auch Marktverhaltensregel?

Zunächst stellte das OLG Hamm fest, dass es sowohl in Rechtsprechung und Literatur umstritten sei, ob es sich bei § 9 Abs. 2 ElektroG um eine Marktverhaltensregel i. S. d. § 3a UWG handelt.

Allerdings ist in Rechtsprechung und Literatur streitig, ob diese Norm zumindest auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln:

Teilweise wird vertreten, bei § 9 Abs. 2 ElektroG handele es sich nicht um eine Marktverhaltensregel (vgl. bspw. OLG Köln, Urteil vom 20.02.2015 – 6 U 118/14, WRP 2015, 616, Rn. 71 ff.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.05.2014 – 15 U 69/14, GRUR-RR 2014, 499, Rn. 9 ff., jew. noch zu § 7 ElektroG a. F. und zit. nach juris; Giesberts/Hilf, 3. AufI. 2018‚ § 9 ElektroG, Rn. 26 mwN.).

Nach anderer Auffassung stellt § 9 Abs. 2 ElektroG hingegen eine Marktverhaltensregel dar (vgl. bspw. OLG Frankfurt im vorangegangenen Verfügungsverfahren, Urteil vom 25.07.2019 – 6 U 51/19, WRP 2019, 1351, Rn. 21 ff.; Senatsurteil vom 04.09.2014 – 4 U 77/14, NJOZ 2015, 933, Rn. 80 ff. mwN. [ebenfalls noch zu § 7 ElektroG a. F.], jew. zit. nach juris; nunmehr in Abweichung zur Vorauflage auch Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, aaO., § 3a UWG, Rn. 1.198).

Kennzeichnung dient dem Verbraucherschutz

Das OLG Hamm folgt der Ansicht des OLG Frankfurt, dass es sich bei § 9 Abs. 2 ElektroG um eine Marktverhaltensregel handle. Die Vorschrift diene auch dem Verbraucherschutz.

Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main hat im vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren insofern zutreffend ausgeführt, § 9 Abs. 2 ElektroG diene mittelbar durchaus dem Verbraucherschutz. Der Verbraucher könne anhand des Symbols bereits beim Kauf erkennen, dass er das Produkt nicht im Hausmüll entsorgen könne. An dieser Information habe er Interesse, weil ihm vor Augen geführt werde, dass er einen anderen, meist aufwändigeren Entsorgungsweg wählen müsse. § 9 Abs. 2 ElektroG enthalte damit ein produktbezogenes Gebot. Bei Verstößen werde jedenfalls die schutzwürdige Erwartung des Verbrauchers enttäuscht, ein Produkt angeboten zu bekommen, das den im Interesse des Kunden bestehenden gesetzlichen Bestimmungen entspreche.

Gesetzesänderung war entscheidend

Zum 20.10.2015 hin wurde § 1 ElektroG zudem um einen dritten Satz ergänzt: „Um diese abfallwirtschaftlichen Ziele zu erreichen, soll das Gesetz das Marktverhalten der Verpflichteten regeln.“ Dieser vom Gesetzgeber nachträglich eingefügte Gesetzeszweck sei für die Einordnung als Marktverhaltensregel mitentscheidend. Hieraus ergebe sich der notwendige Marktbezug.

Hinzu komme, dass der Gesetzgeber mit Wirkung zum 20.10.2015 die den Gesetzeszweck umschreibende Bestimmung des § 1 ElektroG um Satz 3 dahingehend ergänzt habe, dass das Gesetz zur Erreichung der abfallwirtschaftlichen Ziele das Marktverhalten der Verpflichteten regeln solle. Damit habe der Gesetzgeber den für die Anwendbarkeit des Rechtsbruchtatbestands nötigen Schutzzweck begründet. Zwar entbinde dies die Gerichte nicht von der Prüfung, ob die konkret in Rede stehende Bestimmung des ElektroG Interessen der Marktteilnehmer schütze. Der Marktbezug könne jedoch nicht allein unter Hinweis auf die primär abfallwirtschaftliche Zielsetzung verneint werden. Ausreichend sei, wenn die Bestimmung einen zumindest sekundären Wettbewerbsbezug aufweise. Bei § 9 Abs. 2 ElektroG ergebe sich dieser sekundäre Wettbewerbsbezug daraus, dass der Verbraucher ein Interesse habe, beim Kauf zu erkennen, ob er das Produkt im Hausmüll entsorgen könne.

Hinweis in Begleitunterlagen reichte nicht aus

Zudem stellte das OLG Hamm klar, dass ein bloßer Hinweis der Entsorgungsanweisung in den Begleitunterlagen nicht ausreicht, um der Pflicht nach § 9 Abs. 2 ElektroG nachzukommen. Die Ausnahme nach § 9 Abs. 2 S. 2 ElektroG sei nicht anwendbar gewesen. Danach kann das Symbol statt auf dem Gerät auf der Verpackung, der Gebrauchsanweisung oder dem Garantieschein angebracht werden, wenn dies aufgrund der Größe oder der Funktion des Elektrogerätes erforderlich ist.

Die Beklagte hat unstreitig Leuchten in den Verkehr gebracht, die selbst nicht mit dem gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 ElektroG i. V. m. Anl. 3 vorgesehenen „Mülltonnensymbol“ gekennzeichnet sind. Dieses ist unstreitig vielmehr lediglich in den Begleitunterlagen abgedruckt. Hierdurch hat sie gegen § 9 Abs. 2 ElektroG i. V. m. Anl. 3 verstoßen. ie diesbezüglichen Erwägungen des Landgerichts insbesondere zu der Frage, ob jeweils der Ausnahmetatbestand des § 9 Abs. 2 Satz 2 ElektroG greift, sind ebenfalls nicht zu beanstanden (so auch OLG Frankfurt, Urteil vom 25.07.2019 – 6 U 51/19, WRP 2019, 1351, Rn. 28 ff., zit. nach juris).

Verbraucherinteressen spürbar beeinträchtigt

Das OLG Hamm bestätigte auch, dass das Fehlen des Symbols die Verbraucherinteressen spürbar beeinträchtigt habe. Eine solche Spürbarkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn ein Verbraucher die ihm vorenthaltene wesentliche Information je nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Die Beklagte hatte versucht, sich damit zu verteidigen, dass das Symbol erst die nachgelagerte Entsorgung betreffe und nicht die geschäftliche Entscheidung selbst, zumal der Verbraucher das Symbol online gar nicht zur Kenntnis nehmen könne. Dem folgte Das Gericht nicht.

Soweit die Beklagte sich hiergegen auch in der Berufungsinstanz mit der Begründung wendet, es sei ausgeschlossen, dass Verbraucher durch die fehlende Kennzeichnung zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst würden, welche sie ansonsten nicht getroffen hätten, weil die Frage, ob das “Mülltonnensymbol” auf dem Produkt selbst angebracht sei, nichts mit der geschäftlichen Entscheidung und dem Marktverhalten zu tun habe, sondern ausschließlich die der geschäftlichen Entscheidung nachgelagerte Entsorgung des Produkts betreffe und der Verbraucher im Moment seiner geschäftlichen Entscheidung – zumal beim Online-Kauf – das auf dem (verpackten) Produkt angebrachte “Mülltonnensymbol” ohnehin gar nicht zur Kenntnis nehmen könne, geht auch der Senat davon aus, dass jedenfalls nach der Auslieferung die fälschliche Annahme, er könne das Gerät nach Gebrauch im Hausmüll entsorgen, den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abhalten kann.

Die Spürbarkeit entfalle auch nicht, weil der Hinweis in der Beilage abgedruckt war.

An der Spürbarkeit fehlt es auch nicht deshalb, weil das Symbol stattdessen – unstreitig – in der Gebrauchsanweisung angebracht ist. Es kann nicht angenommen werden, dass alle Verbraucher die Gebrauchsanweisung zur Kenntnis nehmen bzw. bis zur anstehenden Entsorgung des Produkts aufbewahren, um sich sodann anhand der Gebrauchsanweisung über die Entsorgungsmöglichkeiten zu informieren.

Fazit

Eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage steht zwar noch aus, aber es scheint sich die Ansicht in der Rechtsprechung durchzusetzen, dass § 9 Abs. 2 ElektroG eine Marktverhaltensregel darstellt. Denken Sie zudem daran, dass am 1.1.2022 das neue ElektroG in Kraft tritt, das weitreichende Änderungen für Online-Händler vorsieht. Zudem sind für Lampen und Leuchten nicht nur die Vorschriften des ElektroG zu beachten, sondern es gilt zudem die Pflicht zur Energieverbrauchskennzeichnung.

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