Häufig erfolgen in Onlineshops Angaben zur noch verfügbaren Stückzahl der angebotenen Waren. Das OLG Rostock (Hinweisbeschl. v. 24.2.2021 – 2 U 13/20) entschied nun, dass eine solche Angabe in Echtzeit erfolgen müsse. Zudem stellte das Gericht noch einmal klar, dass Waren, die im Onlineshop angeboten werden, auch tatsächlich verfügbar sein müssen.
Die Beklagte gab in ihrem Onlineshop konkret das noch verfügbare Kontingent der einzelnen Waren an („noch […] Exemplare auf Lager“). In einem Fall wurde die Ware jedoch unter Hinweis auf die fehlende Verfügbarkeit nicht geliefert, obwohl der Artikel als vorrätig ausgewiesen war. Der Kläger, ein Mitbewerber, nahm die Beklagte daher auf Unterlassung in Anspruch. Das LG Rostock (Urt. v. 11.8.2020 – 6 HK O 101/17) entschied, die Beklagte habe über die Verfügbarkeit der Ware irregeführt und verurteilte sie zur Unterlassung. Gegen dieses Urteil richtet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Das OLG Rostock hat sich nun im Rahmen eines Hinweisbeschlusses der Ansicht des LG Rostock angeschlossen. Das Gericht beabsichtigt, die Berufung zurückzuweisen.
Angebotene Ware muss verfügbar sein
Zunächst stellte das OLG Rostock klar, dass Ware, die im Onlineshop angeboten wird, auch verfügbar sein muss und zwar unabhängig davon, ob Angaben zum verfügbaren Kontingent erfolgen oder nicht. Dies sei hier jedoch nicht der Fall gewesen. Hierzu berief sich das Gericht auf eine Entscheidung des BGH.
Die Besucher des Onlineshops der Beklagten, mögen sie (End-) Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sein, durften und dürfen – dies unabhängig von Angaben zum Umfang des noch vorhandenen Kontingents – erwarten, dass im Shop angebotene Ware sofort verfügbar ist und umgehend versandt wird (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2005 – I ZR 314/02, GRUR 2005, 690 = WRP 2005, 886 [Juris; Tz. 20]; LG Osnabrück, Urteil vom 01.09.2005 – 18 O 472/05 [Juris; Tz. 24]), jedenfalls aber innerhalb der im Shop durch die Beklagte selbst angegebenen Zeitspanne (hier einer Lieferzeit von 5-7 Werktagen). Bereits diese (Grund-) Erwartung ist im Ergebnis – unbestritten – enttäuscht worden (die Beklagte hat gegenüber dem Zeugen … letztlich überhaupt nicht geliefert), mag auch hierin nicht die Zielrichtung des zuletzt formulierten Klageantrags liegen bzw. der ursprüngliche Antrag nicht begründet gewesen sein, weil für die Entscheidung jedenfalls als unwiderlegt zu Grunde zu legen ist, dass im Bestellzeitpunkt noch die angegebene Zahl an Exemplaren des Artikels vorrätig gewesen ist.
Bei Angabe des Kontingents ist ein Echtzeitsystem erforderlich
Wenn die verfügbaren Restexemplare beziffert werden, müsse die Angabe der Warenverfügbarkeit in Echtzeit erfolgen, so das OLG Rostock.
Weist die Beklagte zudem – wie hier geschehen – im Shop auf eine konkret bezifferte Restmenge an Artikelexemplaren hin – mag diese 1, 5 oder 6 betragen haben, was offenbleiben kann und deshalb vom Landgericht zurecht nicht zum Gegenstand einer Beweisaufnahme gemacht worden ist -, darf die Kundschaft der Beklagten in jedem Fall erwarten, dass – wenn nicht stattdessen die nunmehr im Urteilstenor „verordneten“ Hinweise platziert werden – durch ein Echtzeitsystem sichergestellt ist, dass im Zeitpunkt der Bestellung tatsächlich noch die angegebene Zahl an Exemplaren vorrätig und für die Lieferung verfügbar ist. Das entspricht dem Erwartungshorizont des angesprochenen Verkehrskreises, zu dem auch die Mitglieder des Senats zählen. Dass die Zahl hier mit ggf. nur einem einzigen (Rest-) Exemplar besonders niedrig gewesen sein mag, spricht nicht gegen, sondern für diese Erwartung (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 11.08.2015 – I-4 U 69/15, WRP 2015, 1383 = MMR 2016, 320 [Juris; Tz. 40]).
Warenwirtschaftssystem muss alle Bestellungen berücksichtigen
Die Beklagte versuchte sich damit zu verteidigen, dass nur tatsächliche Verkäufe und nicht bereits bloße Bestellungen, also Angebote der Kunden, berücksichtigt wurden. Sie argumentierte, die Verfügbarkeit falle erst weg, wenn sie eine Bestellung annehme. Dieser Ansicht folgte das Gericht nicht.
Hiergegen verfangen auch die anhand eines fiktiven Beispielsfalls angestellten Überlegungen der Beklagten zur denkbaren Reihenfolge von Vertragsschlüssen bzw. zum zeitlichen Versatz zwischen Bestellung – ggf. Eingangsbestätigung – und Vertragsschluss […] nicht. Die Kundschaft der Beklagten darf und wird erwarten – worauf der Kläger in der Berufungserwiderung (dort Seite 4 = Band III Blatt 52 d.A.) zutreffend hingewiesen hat und was Klageantrag und Urteilstenor mit dem Rekurs auf „zwischenzeitlich eingegangene Bestellungen“ (Hervorhebung durch Senat) ebenso präzise wie sachrichtig ausdrücken -, dass im Rahmen eines echtzeitlichen Systems nicht nur anderweitige „Abverkäufe“ berücksichtigt werden, sondern schon anderweitige (bloße) „Bestellungen“. Mündet eine solche anderweitige Bestellung nicht in einen Vertragsschluss (weil die Beklagte das in der Bestellung liegende Vertragsangebot i.S.d. § 145 BGB z. B. mangels Bonität des Bestellers nicht annimmt), so mag das Echtzeitsystem die anlässlich der Bestellung zwischenzeitlich reduzierte Kontingentzahl entsprechend wieder erhöhen. Weder rechtlich noch EDVtechnisch sind an dieser Stelle Schwierigkeiten oder Hindernisse zu erkennen. Insbesondere kann die Beklagte sich insoweit auch nicht etwa darauf zurückziehen, die „Verfügbarkeit“ falle erst in dem Moment – ex nunc – weg, in dem eine andere Bestellung auch angenommen wird; anderenfalls sei die Ware – retrospektiv – zu jeder Zeit verfügbar gewesen. Eine solche Sichtweise ginge an der erkennbaren Erwartung des zeitlich früher Bestellenden vorbei und erschiene auch rechtlich konstruiert.
Anlass des Verkaufs unerheblich
Ebenso sei es unerheblich, dass es sich um einen Restpostenverkauf handelte. Vielmehr spreche dieser Umstand für die Erwartung des Verkehrs, dass die Angabe des Restbestandes in Echtzeit erfolgt.
So oder so keine Rolle spielt die Frage, ob es sich um einen „Restpostenverkauf“ gehandelt hat und seit wann dieser ggf. angedauert hat. Daher hatte das Landgericht hierzu auch keinen Beweis zu erheben. Letztlich gilt hier abermals, dass die pointierte Hervorhebung des Umstandes, dass nur noch eine sehr begrenzte Zahl an Exemplaren des zum Verkauf angebotenen Artikels zur Verfügung steht, nicht gegen, sondern für die Erwartung eines echtzeitlichen Angabesystems spricht. Ob die Hervorhebung in der Nennung einer kleinen konkreten – hier jedenfalls einstelligen – Zahl, in dem unbezifferten Hinweis auf nur noch „geringe“ Vorratsmengen oder schließlich in der Verwendung des weitgehend für sich sprechenden Begriffs „Restposten“ besteht, macht keinen Unterschied.
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Manchmal frage ich mich schon, ob Gerichte und Richter dem Anspruch an Perfektion die sie regelmäßig an Online-Händler stellen, in ihrem Arbeitsalltag eigentlich selbst gerecht werden.
“Angebotene Ware muss verfügbar sein” – Diese Aussage des Gerichtes halte ich für unrealistisch und absolut nicht an der Realität orientiert.
Damit dürfte ein Shop keine Artikel die in Vorbestellung sind anzeigen und müsste Artikel welche nicht vorrätig sind sofort im Shop ausblenden.
Das ist theoretisch sicherlich möglich, aber es gibt viele Gründe (z.B. Werbung) die dafür sprechen das Kunden auch Artikel im Shop finden, welche gerade nicht lieferbar sind oder sich im Zulauf befinden.
Das hilft sicherlich dem lokalen Einzelhandel, dann müsste man aber alle großen Onlinehändler mit anklagen, da von Otto, über Mediamarkt bis hin zu Amazon alle Händler auch zur zeit nicht verfügbares im Shop anzeigen.
Was spricht denn dagegen, “im Zulauf” befindliche Waren auch mit einer entsprechend langen Lieferzeit zu kennzeichnen?
Es geht hier schließlich nicht darum, dass solche Artikel zwingend gänzlich aus dem Shop entfernt werden müssten. Wenn aber eine nicht vorrätige Ware (die folglich erst beschafft werden muss) mangels anderweitiger Information im Shop als “verfügbar” dargestellt wird, führt das nun einmal Abnehmer in die Irre. Warum sollte das im Onlinehandel anders sein als im lokalen Einzelhandel, bei dem der Abnehmer i. d. R. auch nach Verfügbarkeit der Ware entscheiden kann.
Und warum sollte die getroffene Entscheidung nicht für die großen Händler genauso gültig sein? Für mich ist nicht erkennbar, dass das Gericht die Entscheidung auf kleine Händler beschränkt hätte.
Es ist unrealistisch, einen Lieferstatus “in Echtzeit” zu verlangen, weil in der Regel die Warenwirtschaft und der Online-Shop getrennte Systeme sind. Alle Bestellungen aus dem Online-Shop und aus allen anderen Kanälen laufen erst in der Warenwirtschaft zusammen. Damit der Online-Shop möglichst zeitnah “weiß”, was der aktuelle Bestand ist, wird in einem festgelegten (möglichst engen) Turnus der Lagerbestand und der Lieferstatus aller Artikel immer wieder mit dem Lagerbestand der Warenwirtschaft abgeglichen.
Aber egal, wie dicht man den Abgleich taktet (oder eher takten kann): Es kann durchaus passieren, dass ein gerade noch verfügbarer Artikel im Online-Shop von einem Kunden am Telefon “weggeschnappt” wurde. In dem Fall wäre eine Absage an den Kunden im Online-Shop dann abmahnfähig. Das ist wirklich absurd, weil es definitiv an der Realität vorbeigeht.
Willkommen in Deutschland, wo jedem Unternehmer immer wieder neue bürokratische Steine in den Weg geworfen werden…es nervt nur noch…