Seit Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie 2014 müssen Online-Händler den Termin nennen, bis zu dem sie eine Ware liefern. Unklare Angaben wie „voraussichtlich“ oder „in der Regel“ erfüllen diese Anforderung nicht. Das sah das OLG Hamm (Urt. v. 19.8.2021 – 4 U 57/21) nun jedoch anders. Zudem entschied es zu Garantiewerbung, Angaben zum Warensortiment und einer AGB-Klausel zur Beschaffenheit.

Die Verfügungsbeklagte, die Leuchten und entsprechendes Zubehör produziert und vertreibt, warb in ihrem Online-Shop u.a. mit der Angabe „circa 1 Mio. Artikel sofort verfügbar“, die Beklagte bot jedoch nur rund 2000 Artikel an. Zudem warb sie mit „Lieferzeit i.d.R 48 Stunden“, verwendete jedoch in ihren AGB die folgende Klausel: „Soweit in der Artikelbeschreibung keine andere Frist angegeben ist, erfolgt die Lieferung der Ware in Deutschland innerhalb von 3 – 5 Tagen nach Auftragsbestätigung (bei vereinbarter Vorauszahlung nach dem Zeitpunkt Ihrer Zahlungsanweisung). Beachten Sie, dass an Sonn- und Feiertagen keine Zustellung erfolgt. Haben Sie Artikel mit unterschiedlichen Lieferzeiten bestellt, versenden wir die Ware in einer gemeinsamen Sendung, sofern wir keine abweichenden Vereinbarungen mit Ihnen getroffen haben. Die Lieferzeit bestimmt sich in diesem Fall nach dem Artikel mit der längsten Lieferzeit den Sie bestellt haben.“ Zudem wurde pauschal mit einer 5-Jahres-Garantie geworben und die Verfügungsbeklagte verwendete folgende AGB-Klausel zur Beschaffenheit: „Die vereinbarte Beschaffenheit unserer Waren wird ausschließlich durch unsere Produktbeschreibungen bestimmt. Öffentliche Äußerungen, Anpreisungen und Werbungen stellen daneben keine vertragsgemäßen Beschaffenheitsangaben dar.“

Eine Mitbewerberin hielt diese Angaben für unzulässig und mahnte die Verfügungsbeklagte ab. Die geforderte Unterlassungserklärung gab die sie jedoch nicht ab. Das LG Arnsberg  hatte den Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, da die Dringlichkeitsvermutung widerlegt sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Verfügungsklägerin. Das OLG Hamm nahm zwar an, dass die Dringlichkeitsvermutung nicht widerlegt sei, gab der ihr jedoch nur teilweise Recht.

„In der Regel“-Lieferzeit

Das Gericht nahm an, dass die Werbung mit „Lieferzeit i.d.R. 48 Stunden“ zulässig sei. Auch zusammen mit der verwendeten AGB-Klausel ergebe sich kein Widerspruch.

Dem gem. § 3 Abs. 4 Satz 1 UWG maßgeblichen durchschnittlichen Verbraucher ist bekannt, dass sich die Lieferung bestellter Waren infolge unterschiedlicher Postlaufzeiten nicht immer exakt prognostizieren lässt. Er versteht die Werbung daher in der Weise, dass der Vertragspartner sich jedenfalls um eine schnellstmögliche Lieferung bemüht, soweit er diese – z. B. durch umgehende Aufgabe der Ware zur Post – beeinflussen kann und eine Lieferung binnen 48 Stunden infolgedessen auch in der überwiegenden Anzahl der Fälle gelingt. Im Zusammenhang mit der beanstandeten AGB-Klausel, welche die vertraglich geschuldete Lieferzeit im Einzelnen definiert, zum Teil aber auch allgemein bekannte Selbstverständlichkeiten enthält (keine Zustellung an Sonn- und Feiertagen), ergibt sich, dass etwaige Ansprüche des Bestellers wegen verzögerter Lieferung nicht vor Ablauf der in der Klausel genannten Fristen bestehen sollen, weil eine vertragliche Zusage, immer und unter allen Umständen binnen 48 Stunden zu liefern, nicht erfolgen kann und soll, in der überwiegenden Anzahl der Fälle aber gleichwohl gelingt.

Verfügbare Artikel

Die beanstandete Werbeaussage „ca. 1 Mio. Artikel sofort verfügbar“ sei hingegen unzulässig. Dieser Bestand ergab sich nur aus einer entsprechenden Lagerhaltung. Der Durchschnittsverbraucher verstehe diese Aussage so, dass das Sortiment ca. 1 Million unterschiedliche Artikel umfasse und nicht lediglich 2.000 Artikel.

Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben u. a. über die Verfügbarkeit der Ware enthält. Auch dies ist vorliegend der Fall, weil der gem. § 3 Abs. 4 Satz 1 UWG maßgebliche durchschnittliche Verbraucher die beanstandete Werbeaussage auf dem Banner der Website des Online-Shops der Verfügungsbeklagten dahingehend versteht, dass das Sortiment der Verfügungsbeklagten ca. 1 Mio. unterschiedliche Artikel umfasst und damit besonders breit gefächert ist, vergleichbar mit großen, ggf. marktbeherrschenden Anbietern wie bspw. H, während dies tatsächlich nicht zutrifft. Unstreitig besteht das Sortiment der Verfügungsbeklagten lediglich aus rund 2.000 unterschiedlichen Artikeln. Der beworbene umfangreiche Bestand ergibt sich nur aufgrund einer entsprechenden – den Durchschnittsverbraucher aber allenfalls am Rande interessierenden – Lagerhaltung.

Werbung mit Garantie

Die pauschale Werbung mit einer 5-Jahres-Garantie sei ebenfalls unzulässig, so das Gericht. Der Verbraucher verstehe diese Angabe dahingehend, dass die Garantie für alle Produkte gelte, was tatsächlich jedoch nicht der Fall war.

Die blickfangmäßige Bewerbung sämtlicher der im Online-Shop der Verfügungsbeklagten angebotenen Artikel mit einer tatsächlich nicht vorhandenen 5-Jahres-Garantie in der beanstandeten ISM01-Anzeige stellt eine Irreführung über die Rechte des Verbrauchers nach § 5 Abs. 2 Nr. 7 UWG dar […]. Vorliegend hat der Senat keinen durchgreifenden Zweifel, dass der gem. § 3 Abs. 4 Satz 1 UWG maßgebliche durchschnittliche Verbraucher, dessen Verkehrsverständnis der Senat selbst feststellen kann (vgl. EuGH, Urteil vom 18.10.2012 – C-428/11 , GRUR 2012, 1269, Rn. 53, zit. nach juris – Purely Creative u. a.; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, aaO., § 2 UWG, Rn. 15 mwN.), die beanstandete, ohne jeglichen einschränkenden Zusatz versehene Anzeige dahingehend versteht, dass die Garantiezusage für sämtliche der im Online-Shop der Verfügungsbeklagten angebotenen Produkte gilt, was aber unstreitig nicht der Fall ist, weil dies nach dem eigenen Vorbringen der Verfügungsbeklagten bspw. nicht für Leuchtmittel, Klein- oder Ersatzteile gilt. Insoweit heißt es auf dem Banner der Website des Online-Shops der Verfügungsbeklagten zu Recht einschränkend „bis zu 5 Jahre Garantie“.

AGB-Klausel zur Beschaffenheit

Unzulässig sei ebenfalls die AGB-Klausel nach der nur die Produktbeschreibung für die Beschaffenheit maßgeblich sei, Angaben in der Werbung hingegen nicht. Eine solche Vereinbarung benachteilige den Verbraucher unangemessen, da sie § 434 Abs. 1 S. 3 BGB ausdrücklich widerspreche.

Eine Bestimmung, nach der die für Gewährleistungsansprüche der Kunden der Verfügungsbeklagten maßgebliche vereinbarte Beschaffenheit der Ware dahingehend definiert wird, dass diese sich ausschließlich nach den Produktbeschreibungen der Verfügungsbeklagten richtet und nicht auch nach öffentlichen Äußerungen, Anpreisungen oder Werbeaussagen, weicht zum Nachteil des Vertragspartners der Verfügungsbeklagten von § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB ab und benachteiligt diesen hierdurch unangemessen i. S. v. § 307 Abs. 2 BGB. Die Klausel ermöglicht den Verfügungsbeklagten praktisch, die Beschaffenheit ihrer Waren abweichend von jeglicher Werbung, Anpreisung u. ä. – im Zweifel zum eigenen Vorteil – zu definieren und hierdurch Gewährleistungsansprüche ihrer Kunden gewissermaßen beliebig einzuschränken. Dies kann auch im unternehmerischen Verkehr nicht hingenommen werden.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Hamm hinsichtlich der Lieferzeitangaben „in der Regel“ überrascht. Mehrere Gerichte haben bereits angenommen, dass diese Angabe nicht ausreicht (KG, OLG Bremen, OLG Frankfurt). Nach Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EGBGB muss der Unternehmer über den Termin, bis zu dem er die Ware liefert, informieren. Zwar muss hierfür nicht ein genaues Datum angegeben werden, sondern es genügt die Angabe einer Frist. Das OLG München hat bereits hierzu entschieden, dass auch „ca.“-Lieferzeiten („ca. 7 Tage“) zulässig sind. Entscheidend ist, dass der Kunde erfährt, wann die Ware spätestens bei ihm eintrifft. Diese Angabe sollte jedenfalls so genau wie möglich erfolgen. Unverbindliche oder unklare Lieferzeiten, wie z. B. „voraussichtlich“ oder „in der Regel“, ohne Nennung einer Endfrist erfüllen die Informationspflicht nicht. Ob sich andere Gerichte dem OLG Hamm anschließen werden, bleibt abzuwarten. Welche Rechtsfolgen drohen, wenn Sie Lieferzeiten nicht einhalten, erfahren Sie hier.

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