Nach § 40 Abs. 4 S. 2 BDSG besteht ein Auskunftsverweigerungsrecht für den Auskunftspflichtigen für Fragen der Aufsichtsbehörde, wenn deren Beantwortung ihn selbst oder einen Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde. Das OVG Schleswig (Beschl. v. 28.05.2021 – 4 MB 14/21) musste sich nun erstmals mit der Fragestellung beschäftigen, ob man sich im Vollzugsverfahren nach Bestandskraft der Grundverfügung mit Erfolg auf das in § 40 Abs. 4 Satz 2 BDSG normierte Auskunftsverweigerungsrecht berufen kann.

Der Sachverhalt

Die Antragstellerin betreibt einen Online-Versand für Kosmetikprodukte und bewirbt diese unter anderem durch Zusendung von Werbung per E-Mail.

Im Jahr 2019 gingen bei der zuständigen Datenschutzbehörde sieben verschiedene Beschwerden Betroffener ein, laut denen die Antragstellerin ohne vorherige Einwilligung in persönlichen Werbeansprachen die Namen der Betroffenen verarbeitet haben soll. Eine Kundenbeziehung habe zudem nicht bestanden. Daraufhin ordnete die Datenschutzbehörde per Bescheid die Erteilung von Auskünften zu fünf durchnummerierten Fragen bezüglich der Verarbeitung personenbezogener Daten an.

Weiter setzte die Behörde, für jede nicht fristgerecht beantwortete Frage ein Zwangsgeld in Höhe von 200 € fest. Im Anschluss an die Begründung der Anordnungen wies die Datenschutzbehörde auf das ggf. bestehende Auskunftsverweigerungsrecht nach § 40 Abs. 4 Satz 2 BDSG hin sowie die Verpflichtung, bei Gebrauch des Auskunftsverweigerungsrechts, dies der Behörde mitzuteilen.

Die Antragstellerin verweigerte die Auskunft, sodass die Datenschutzbehörde gegen sie ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € festsetzte.

Im Wege des einstweiligen Rechtsschutz wandte sich die Antragstellerin gegen den Zwangsgeldfestsetzungsbescheid der Datenschutzbehörde und erhob Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wurde durch das VG abgelehnt. Die Antragstellerin könne sich gegenüber der Zwangsgeldfestsetzung nicht auf das aus § 40 Abs. 4 Satz 2 BDSG folgende Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Das Auskunftsverweigerungsrecht könne im Vollzugsverfahren gegen die bestandskräftige Verfügung nicht mehr mit Erfolg beansprucht werden. Damit werde dem rechtsstaatlichen Gehalt des Aussageverweigerungsrechts weiterhin ausreichend Rechnung getragen.

Anschließend leitete die Antragstellerin ein Beschwerdeverfahren beim OVG ein.

Das OVG Schleswig gab der Antragstellerin teilweise Recht und entschied, dass ein Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 40 Abs. 4 S. 2 BDSG gegenüber der Datenschutzbehörde bestehe, deren Beantwortung sie selbst oder einen Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde. Allerdings müsse sich die Auskunftsverpflichtete auch hierauf berufen, wenn sie die geforderte Auskunft verweigere, sodass eine Abgrenzung zur reinen Auskunftsverweigerung möglich sei. Ob das Auskunftsverweigerungsrecht im Vollzugsverfahren beansprucht werden könne ließ das Gericht jedoch offen.

Ausdrückliche Berufung auf Auskunftsverweigerungsrecht notwendig

Zunächst stellte das Gericht fest, dass die Entscheidung von dem Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 40 Abs. 4 S. 2 BDSG Gebrauch zu machen nicht im Einzelnen begründet werden müsse. Erforderlich sei jedoch, dass die Inanspruchnahme des Rechts ausdrücklich erklärt werde.

„Zwar hat sich die Antragstellerin auf das in § 40 Abs. 4 Satz 2 BDSG normierte Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Dabei kann dahinstehen, ob sie tatsächlich bereits in ihrem Schreiben vom 28. Januar 2021 von diesem Recht Gebrauch machte. Zweifel daran bestehen bei objektiver Auslegung des Inhalts dieses Schreibens, der zwar erkennen lässt, dass bestimmte Auskünfte nicht erteilt werden sollen, nicht jedoch deutlich macht, aus welchem Grund von der Auskunftserteilung abgesehen wird. Zwar muss die Entscheidung, von dem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, nicht im Einzelnen begründet werden. Derartige Anforderungen könnten zur Aushöhlung des Auskunftsverweigerungsrechts führen […]. Es ist aber jedenfalls zu fordern, dass die Inanspruchnahme des Rechts aus § 40 Abs. 4 Satz 2 BDSG ausdrücklich erklärt wird, sodass eine Abgrenzung zur reinen Auskunftsverweigerung möglich ist […].“

Für Auskunftsverweigerungsrecht bedarf es einer bestimmten Gefahrenlage

Voraussetzung für das Bestehen des Rechts nach § 40 Abs. 4 S. 2 BDSG sei eine bestimmte Gefahrenlage. An diese stellte das Gericht gewisse Anforderungen.

,,Die Ausübung des Auskunftsverweigerungsrechts des § 40 Abs. 4 Satz 2 BDSG ist nur insoweit berechtigt, wie der an sich zur Auskunft Verpflichtete die Auskunft auf solche Fragen verweigert, deren Beantwortung ihn der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde. Es gibt kein generelles, umfassendes Schweigerecht, und es muss dem Betroffenen eine bestimmte „Gefahrenlage“ drohen. Für das Bestehen einer solchen Gefahrenlage bedarf es nicht der sicheren Erwartung einer Bestrafung oder Sanktionierung in Anknüpfung an die Erteilung der Auskunft. Indessen genügt auch nicht die bloße Vermutung oder theoretische Möglichkeit einer solchen. Notwendig, aber auch hinreichend ist, dass die Einleitung eines strafgerichtlichen Verfahrens oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten nach den konkreten Umständen des Einzelfalls ernsthaft möglich erscheint.“

Inhalt der Auskunft für Gefahrenlage entscheidend

Weiterhin führte das Gericht aus, dass der Inhalt der erteilten Auskunft für die Gefahr eines Strafverfahrens oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten entscheidend sei.

„Ferner muss diese Möglichkeit auf dem Inhalt der Auskunft beruhen. Die Auskunft muss Fragen zu Tatsachen betreffen, die die Einleitung oder Aufrechterhaltung eines Strafverfahrens oder Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten nach sich ziehen können. Hierunter können neben Tatsachen, die den Tatbestand einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit erfüllen, auch solche Tatsachen fallen, die mittelbar einen entsprechenden Verdacht begründen oder stützen.“

Datenschutzprüfung grundsätzlich als Gefahrenlage möglich

Datenschutzrechtliche Verstöße können mit einem Bußgeld geahndet werden, sodass die Vorschriften über Ordnungswidrigkeiten sinngemäß gelten, so das Gericht.

,,Für Verstöße nach Art. 83 Abs. 4 bis 6 DSGVO gelten die Vorschriften des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sinngemäß, § 41 Abs. 1 Satz 1 BDSG. Der Antragsgegner hat die Antragstellerin auch in verschiedenen Schreiben bereits darauf hingewiesen, dass der Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften im Raum steht und dass bestimmte Verstöße nach Art. 83 Abs. 4 bis 6 DSGVO mit einem Bußgeld geahndet werden können.“

Nicht jede Auskunft begründet Gefahrenlage

Im Anschluss führte das Gericht aus, dass nicht jede Beantwortung der Fragen eine Gefahrenlage begründe, die zur Einleitung eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten führe. Dafür seien inhaltliche Auskünfte über Umstände, die einen Verstoß gegen die Grundsätze der Verarbeitung personenbezogener Daten erkennen lassen, erforderlich. Insofern differenzierte das Gericht zwischen den fünf Fragen der Datenschutzbehörde und stellte insgesamt fest, dass zwei der Fragen im vorliegenden Fall die Gefahr eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten begründen würden.

„Ein Verstoß gegen Art. 5 und Art. 6 DSGVO, der hier zur Einleitung eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten führen könnte, ergibt sich nicht a priori aus der Beantwortung dieser Fragen, die darauf abzielen aufzuklären, von welchen Verantwortlichen und Auftragsverarbeitern die Antragstellerin Daten erhebt und für Werbezwecke verarbeitet (Frage 1), welche personenbezogenen Daten insoweit erhoben werden (Frage 2) und wie viele Personen betroffen sind (Frage 4). Allein die Benennung von Verantwortlichen und Auftragsverarbeitern, die Angabe, um welche personenbezogenen Daten es sich dabei handelt bzw. wie viele Personen betroffen sind, lassen noch keinen Verstoß gegen die Grundsätze der Verarbeitung personenbezogener Daten erkennen. Die Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung erfordert das Hinzutreten weiterer Umstände, wie beispielsweise das Fehlen einer Einwilligung zur Datenverarbeitung.“

Auskunftsverweigerungsrecht im Vollzugsverfahren möglich?

Das Gericht ließ allerdings die Fragestellung offen, ob sich ein Auskunftsverpflichteter auch nach Bestandskraft des Auskunftsbescheids auf das Aussageverweigerungsrecht berufen könne.

„Es ist daher für die Bewertung der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldfestsetzung durch den Bescheid […], entscheidend, ob sich die Antragstellerin im Vollzugsverfahren nach Bestandskraft der Grundverfügung vom 21. Dezember 2020 mit Erfolg auf das in § 40 Abs. 4 Satz 2 BDSG normierten Auskunftsverweigerungsrecht berufen kann. Diese Frage ist offen und insbesondere nicht durch die Rechtsprechung anderer Obergerichte oder des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.“

Jedoch betonte es die besondere Schutzfunktion des § 40 Abs. 4 S. 2 BDSG, insbesondere als einfachgesetzliche Ausprägung des Grundsatzes der Selbstbelastungsfreiheit sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

„Es ist in diesem Zusammenhang die besondere Schutzfunktion des § 40 Abs. 4 Satz 2 BDSG zu berücksichtigen. Wie andere spezialgesetzlich normierte Auskunftsverweigerungsrechte trägt auch § 40 Abs. 4 Satz 2 BDSG dem Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit Rechnung. Dieser Grundsatz ist vom Bundesverfassungsgericht als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG anerkannt. Ein Zwang zur Selbstbezichtigung berührt zugleich die Würde des Menschen, dessen Aussage als Mittel gegen ihn selbst verwendet wird.“

Insbesondere der mögliche Eingriff in den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit könnte dafür sprechen, dass ein Berufen auf das Auskunftsverweigerungsrecht auch nach Bestandskraft des Grundverwaltungsaktes möglich sei.

„Ein Eingriff in die Selbstbelastungsfreiheit eines Auskunftspflichtigen kann sowohl darin liegen, dass er durch einen Verwaltungsakt rechtsverbindlich zur Selbstbezichtigung aufgefordert wird, als auch in der Durchsetzung einer solchen Pflicht mittels Verwaltungszwang begründet sein. Sinn und Zweck des § 40 Abs. 4 Satz 2 BDSG könnten demnach dagegen sprechen, das Auskunftsverweigerungsrecht auf eine materiell-rechtliche Einwendung gegen das (durch Verwaltungsakt konkretisierte) Auskunftsverlangen zu reduzieren und die Möglichkeit der Ausübung dieses Rechts damit aufgrund der abschichtenden Wirkung der Bestandskraft des Grundverwaltungsakts faktisch bis zur Bestandskraft des das Auskunftsverlangen konkretisierenden Verwaltungsakts zu beschränken.“

Fazit

Das Urteil des OLG Schleswig verdeutlicht, dass grundsätzlich ein Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 40 Abs. 4 S. 2 BDSG bestehen kann, sofern nach den Umständen des konkreten Einzelfalls eine Einleitung eines strafrechtlichen Verfahrens oder des Gesetzes gegen Ordnungswidrigkeiten ernsthaft möglich erscheint. Auf dieses Recht muss sich der Betroffene jedoch ausdrücklich berufen. Ob die Berufung auf das Auskunftsverweigerungsrecht im Rahmen des Vollzugsverfahrens noch zulässig ist, ließ das Gericht offen. Bis zur Entscheidung der Hauptsache besteht demnach Unsicherheit, zu welchem Zeitpunkt das Auskunftsverweigerungsrecht geltend gemacht werden kann. Es empfiehlt sich insofern, frühzeitig von diesem Recht Gebrauch zu machen.

 

Alexander Kirch/Shutterstock.com

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