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EuGH muss entscheiden: Muss ein Pfand in den Gesamtpreis einbezogen werden?

§ 1 Abs. 4 PAngV bestimmt, dass ein Pfand nicht in den Gesamtpreis einzubeziehen ist, sondern dessen Höhe neben dem Preis anzugeben ist. Die Vorschrift findet allerdings keine Grundlage im Unionsrecht und ist deshalb nach Ansicht einiger Gerichte nicht mehr anwendbar. Der BGH (Beschl. v. 29.7.2021 – I ZR 135/20) hat nun ein Verfahren zu dieser Problematik ausgesetzt und dem EuGH die entsprechenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Worum ging es in dem Verfahren?

Die Beklagte vertreibt Lebensmittel und bewarb in einem Prospekt u.a. Getränke in Pfandflaschen und Joghurt in Pfandgläsern. Das Pfand war in die angegebenen Preise nicht einberechnet, sondern mit dem Zusatz „zzgl. […] € Pfand“ angegeben. Der Kläger, ein Wettbewerbsverein, hielt diese Darstellung für unzulässig und nahm die Beklagte auf Unterlassung dieser Werbung in Anspruch. Er ist der Ansicht, dass ein Gesamtpreis einschließlich des Pfandes anzugeben sei und § 1 Abs. 4 PAngV mangels Grundlage im Unionsrecht nicht mehr angewendet werden dürfe.

Bisheriger Prozessverlauf

Das LG Kiel (Urt. v. 26.6.2019 – 15 HKO 38/18) hatte der Klage in erster Instanz stattgegeben. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte erfolgreich Berufung ein. Das OLG Schleswig (Urt. v. 30.7.2020 – 6 U 49/19) wies die Klage des Wettbewerbsvereins ab. Es entschied, dass wegen einer separaten Ausweisung des Pfands nach geltendem Recht kein Unterlassungsanspruch bestehe. Die Vorschrift sei zwar europrechtswidrig aber noch gültig – das Gericht sehe sich „aus rechtsstaatlichen Gründen an einer Stattgabe des Klageantrags gehindert“. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers.

EuGH muss entscheiden

Der BGH hat das Verfahren nun ausgesetzt und dem EuGH die entsprechenden Fragen zur Auslegung der PreisangabenRL (RL 98/6/EG) und der UGP-RL (RL über unlautere Geschäftspraktiken; RL 2005/29/EG) vorgelegt. Zunächst möchte das Gericht wissen, wie der Begriff des Verkaufspreises im Sinne von Art. 2 lit. a PreisangabenRL zu verstehen und ob er dahin auszulegen ist, dass er den Pfandbetrag enthalten muss, den der Verbraucher beim Kauf von Waren in Pfandflaschen oder Pfandgläsern zahlen muss.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs stellt sich die Frage, ob der Begriff des Verkaufspreises im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG dahin auszulegen ist, dass er den Pfandbetrag enthalten muss, den der Verbraucher beim Kauf von Waren in Pfandflaschen oder Pfandgläsern zahlen muss.

Zudem möchte der BGH beantwortet wissen, ob die Mitgliedstaaten nach Art. 10 PreisangabenRL nationale Ausnahmen vorsehen dürfen, wonach für den Fall, dass außer dem Entgelt für eine Ware eine rückerstattbare Sicherheit gefordert wird, deren Höhe neben dem Preis für die Ware anzugeben und kein Gesamtbetrag zu bilden ist. Allerdings dürfen die Mitgliedstaaten der EU seit dem 12.6.2013 keine Regelungen vorsehen, die strenger sind als das EU-Recht. Das bestimmt Art. 3 Abs. 5 S. 1 UGP-RL. Auch dieses Verhältnis zwischen der PreisangabenRL und der UGP-RL möchte der BGH geklärt wissen.

Falls der Verkaufspreis im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG den Pfandbetrag enthalten muss, möchte der Bundesgerichtshof mit der zweiten Vorlagefrage wissen, ob die Mitgliedsstaaten nach Art. 10 der Richtlinie 98/6/EG berechtigt sind, eine von Art. 3 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG abweichende Regelung wie die in § 1 Abs. 4 PAngV beizubehalten, wonach für den Fall, dass außer dem Entgelt für eine Ware eine rückerstattbare Sicherheit gefordert wird, deren Höhe neben dem Preis für die Ware anzugeben und kein Gesamtbetrag zu bilden ist, oder ob dem der Ansatz der Vollharmonisierung der Richtlinie 2005/29/EG entgegensteht.

Der Vorlagebeschluss liegt noch nicht im Volltext vor, der BGH hat jedoch bereits eine Pressemitteilung veröffentlicht.

Fazit

Die Frage, ob ein Pfand entgegen § 1 Abs. 4 PAngV in den Gesamtpreis einzubeziehen ist oder gerade kein Bestandteil des Gesamtpreises darstellt, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Unstreitig ist jedenfalls, dass die Vorschrift keine Grundlage im Unionsrecht findet.

Neben dem OLG Schleswig entschied das OLG Köln zuletzt ebenfalls, dass ein Pfand nicht in den Gesamtpreis einbezogen werden müsse, begründete seine Entscheidung allerdings damit, dass es das geltende Recht gebunden und nicht befugt sei, eine bestehende Vorschrift zu ignorieren. Das OLG Schleswig hielt die Vorschrift des § 1 Abs. 4 PAngV hingegen für unanwendbar. Trotzdem sei die Vorschrift geltendes Recht und für den Einzelnen bindend. Ein rechtlich gebotenes Verhalten könne nicht die Grundlage für eine Verurteilung sein, in der unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben werde, dieses Verhalten zu unterlassen.

Das OLG Dresden (Urt. v. 17.9.2019 – 14 U 807/19), LG Leipzig (Urt. v. 29.3.2019 – 1 HK O 325/19) und LG Bonn (Urt. v. 3.7.2019 – 12 O 85/18) haben ebenfalls entschieden, dass ein Pfand kein Bestandteil des Gesamtpreises sei. Andere Gerichte haben die Frage zur Darstellung des Pfandbetrags jedoch bereits auch anders entschieden (LG Essen; LG Berlin, Urt. v. 10.9.2019 – 91 O 127/18; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 22.11.2019 – 3-10 O 50/19).

Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH in dieser Sache entscheiden wird. Bis zu einer endgültigen Klärung wird leider weiterhin Rechtsunsicherheit herrschen.

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