Nach dem neuen Anti-Abmahngesetz dürfen Mitbewerber nach § 13a Abs. 2 UWG keine Vereinbarung einer Vertragsstrafe fordern, wenn erstmalig eine Unterlassungsverpflichtung gefordert wird und der Abgemahnte i.d.R. weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt. Das OLG Schleswig (Beschl. v. 3.5.2021 – 6 W 5/21) entschied nun, dass in diesen Fällen eine „einfache“ Unterlassungserklärung, die kein Vertragsstrafeversprechen vorsieht, dazu geeignet sei, die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen.
Die Parteien sind Mitbewerber im Bereich des Handels mit Drogeriewaren. Der Antragsteller macht gegenüber dem Antragsgegner, einem Einzelunternehmer ohne angestellte Mitarbeiter, wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend. Bei einem Angebot auf eBay fehlten die Angabe eines volumenbezogenen Grundpreises und eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung. Der Antragsteller führte zudem einen Testkauf durch. Der Artikel wurde unter Verwendung von Versandverpackungen ausgeliefert, für die der Antragsgegner nicht bei der „Zentrale Stelle Verpackungsregister“ (§ 24 VerpackG) registriert ist. Daraufhin ließ der Antragssteller den Antragsgegner abmahnen, forderte ihn zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf und überließ ihm deren Formulierung. Zudem forderte er teilweisen Ersatz der Abmahnkosten, nämlich ein Drittel der eigentlich angefallenen Kosten. Für die Abmahnung wegen der Verletzung von gesetzlichen Informationspflichten – die fehlerhafte Widerrufsbelehrung und die fehlende Grundpreisangabe – machte er keinen Kostenerstattungsanspruch geltend, sondern nur für die mangelnde Registrierung. Dieser wäre auch nach § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG ausgeschlossen gewesen.
Am 4.2.2021 gab der Antragsgegner eine Unterlassungserklärung ab. Diese enthielt nur im Hinblick auf die fehlende Registrierung nach dem VerpackG ein Vertragsstrafeversprechen. Wegen der fehlerhaften Widerrufsbelehrung und der fehlenden Grundpreisangabe erfolgte die Unterlassungserklärung unter Hinweis auf § 13a Abs. 1, 2 UWG ausdrücklich ohne Vertragsstrafeversprechen. Darüber hinaus stellte der Antragsgegner die wettbewerbswidrigen Handlungen ein und zahlte die geltend gemachten Abmahnkosten in Höhe von 396,17 € an den Antragsteller.
Der Antragssteller hielt die abgegebene Unterlassungserklärung jedoch nicht für ausreichend und beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung.
Das LG Lübeck (Beschl. v. 9.2.2021 – 13 HKO 3/21) hatte den Antrag zurückgewiesen. Das OLG Schleswig hat nun die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen diese Entscheidung ebenfalls zurückgewiesen. Der Antragsgegner habe die Vermutung für die Wiederholung seines wettbewerbswidrigen Verhaltens durch die Abgabe einer „einfachen“, ohne Vertragsstrafe versehenen Unterlassungserklärung beseitigt.
Das Gericht stellte klar, dass der Unterlassungsanspruch nicht bestehe, weil es an der erforderlichen Wiederholungsgefahr fehle. Bisher sei zur Ausräumung dieser Wiederholungsgefahr die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung erforderlich gewesen.
Dafür bedurfte es bisher nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur einer Erklärung des Schuldners, mit der er sich verpflichtete, das beanstandete Verhalten künftig zu unterlassen. Erforderlich war zur Bekräftigung dieser übernommenen Verpflichtung auch das Versprechen der Zahlung einer Vertragsstrafe für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung. Weil dem Verletzer bisher stets dieser einfache Weg offen stand, konnte kaum ein anderer Umstand die Wiederholungsgefahr ausräumen; vielmehr zeigte der Verletzer mit der Verweigerung der Unterwerfung, dass nach wie vor Wiederholungsgefahr bestand (Bornkamm a. a. O. Rn. 1.44 m. w. N.).
Durch den mit dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs eingeführten § 13a Abs. 2 UWG sei die Vereinbarung einer Vertragsstrafe vorliegend jedoch ausgeschlossen.
Unter den in § 13a Abs. 2 UWG n. F. genannten Voraussetzungen, die hier unzweifelhaft vorliegen, ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe zwischen Gläubiger und Verletzer jedoch ausgeschlossen. In diesen Fällen kann an dem Erfordernis der Strafbewehrung zur Widerlegung der vermuteten Wiederholungsgefahr nicht mehr festgehalten werden. Anderenfalls wäre es dem Verletzer unmöglich, die Vermutung der Wiederholungsgefahr im unmittelbaren Verhältnis zum Gläubiger zu widerlegen und so eine außergerichtliche Streitbeilegung zwischen ihm und dem Gläubiger herbeizuführen. Dass der Gesetzgeber aber mit den Änderungen des UWG durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs (BT-Drs. 19/12084, 1) für diese Fälle eine außergerichtliche Streitbeilegung zwischen Mitbewerbern ausschließen wollte, lässt sich weder der Gesetzessystematik in §§ 13, 13a UWG n. F. noch der Gesetzesbegründung entnehmen.
Das Erfordernis einer angemessenen Vertragsstrafe entfalle in diesen Fällen, weil eine solche Vereinbarung ausgeschlossen ist.
Die Regelung in § 13 Abs. 1 UWG ist somit in den Fällen des § 13a Abs. 2 UWG n. F. so zu verstehen, dass der Gläubiger den Schuldner vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen und ihm Gelegenheit geben soll, den Streit durch Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung beizulegen.
Zur Begründung führt das Gericht auch die Gesetzesbegründung an:
Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich nichts Anderes. Dort heißt es zu Absatz 2 des § 13a UWG-E: „Absatz 2 schließt die Vereinbarung einer Vertragsstrafe mit einem Mitbewerber aus, wenn der Mitbewerber erstmalig eine Verpflichtung zur Unterlassung in Fällen des § 13 Abs. 4 UWG-E fordert. {… }. Erfolgt die erstmalige Abmahnung des Verstoßes dagegen durch einen Wirtschaftsverband {… } besteht auch weiterhin die Möglichkeit, zur Streitbeilegung unmittelbar die Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung zu verlangen. Die unterschiedliche Behandlung ist dadurch gerechtfertigt, dass Fälle des Abmahnmissbrauchs überwiegend bei den Klageberechtigten nach § 8 Absatz 3 Nummer 1 UWG-E berichtet werden“ (BT-Drs. 19/12084 S. 33 f.). Hieraus ergibt sich nur, dass die in § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 UWG genannten Gläubiger zur (außergerichtlichen) Streitbeilegung nach wie vor eine Unterwerfungserklärung verlangen können, während von Mitbewerbern zur (außergerichtlichen) Streitbeilegung beim erstmaligen Verstoß kein Strafversprechen verlangt werden kann. Dass demgegenüber eine außergerichtliche Streitbeilegung in diesem Fällen ausgeschlossen sein soll, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nicht.
Das OLG Schleswig stellte klar, dass der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs die Generierung von Vertragsstrafen und Gebühren eindämmen und damit missbräuchlicher Anspruchsverfolgung im Lauterkeitsrecht entgegen wirken wollte.
Dieser Intention würde es zuwiderlaufen, wenn ein Unterlassungsschuldner die Wiederholungsgefahr bei einer Abmahnung durch einen Mitbewerber in den Fällen des § 13a Abs. 2 UWG n. F. nicht durch die Abgabe einer einfachen, nicht strafbewehrten Unterlassungserklärung ausräumen könnte. Anderenfalls könnte der Mitbewerber den Unterlassungsschuldner trotz abgegebener Unterlassungserklärung - wie im vorliegenden Fall - gerichtlich in Anspruch nehmen. Dies würde zum einen dazu führen, dass die Entlastung der Gerichte durch das System aus Abmahnung und (strafbewehrter) Unterlassungserklärung in einer Vielzahl von Fällen abgeschafft wäre. Zum anderen würde dies in letzter Konsequenz für den Abgemahnten dazu führen, dass seine Belastung mit einer Vertragsstrafe durch eine solche mit Gebühren ersetzt werden würde. Für eine solche Intention des Gesetzgebers geben Wortlaut und Begründung nichts her.
Der in der Literatur vertretenen Ansicht, dass eine außergerichtliche Streitbeilegung nicht mehr möglich sei, da hierfür das Versprechen einer Vertragsstrafe notwendig sei, erteilte das Gericht eine Absage.
Dieser Dogmatik des Unterlassungsanspruchs scheint es zu widersprechen, wenn die Wiederholungsgefahr in bestimmten Fällen nunmehr auch ohne ein Strafversprechen entfallen kann. Jedoch führt auch eine Unterlassungserklärung ohne Strafbewehrung in den Fällen des § 13a Abs. 2 UWG n. F. im Falle des späteren Verstoßes durchaus zu nachteiligen Rechtsfolgen für den Schuldner. So steht dem Gläubiger (neben dem gesetzlichen) dann auch ein vertraglicher Unterlassungsanspruch zu, sodass das Gericht nicht mehr den Wettbewerbsverstoß selbst prüfen muss, sondern nur noch den Verstoß gegen die Unterlassungserklärung festzustellen hat. Darüber hinaus handelt es sich bei dem erneuten Verstoß dann nicht mehr um den erstmaligen, so dass nunmehr eine Vertragsstrafe zugunsten des Gläubigers vereinbart werden kann.
Nach wie vor sei es für den Mitbewerber möglich, direkt gerichtlich gegen den Verletzer vorzugehen.
Nach wie vor bleibt es einem Mitbewerber möglich, auch im Fall des § 13a UWG n. F. gegen Wettbewerbsverletzungen gerichtlich vorzugehen. Dies betrifft sowohl den Fall, in dem sich der Unterlassungsschuldner weigert, eine Unterlassungserklärung abzugeben als auch den Fall, in dem der Gläubiger ohne vorherige Abmahnung, dann allerdings mit dem Kostenrisiko des § 93 ZPO, gegen den Schuldner gerichtlich vorgehen will.
Der Antragssteller argumentierte, dass es nach Art. 13 der RL 2005/29/EG (UGP-RL), die dem UWG zugrunde liegt, möglich sein müsse, bereits erste Verstöße mit abschreckenden Maßnahmen zu belegen. Diese Möglichkeit bestehe jedoch weiterhin, so das Gericht. Mitbewerber könnten sich an einen Wirtschaftsverband richten, der auch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe fordern könne.
Die Neuregelung führt auch nicht dazu, dass es an geeigneten Maßnahmen der Sanktionierung wettbewerbswidrigen Verhaltens fehlt. Zwar kann der Gläubiger von dem Schuldner in den Fällen der §§ 13 Abs. 4, 13 a Abs. 2 UWG n. F. weder Aufwendungen für eine Abmahnung verlangen noch mit dem Schuldner eine Vertragsstrafe vereinbaren. Der Anspruch der in § 8 Abs. 3 Nummer 2 bis 4 UWG genannten Gläubiger bleibt jedoch unberührt und es bleibt dem Mitbewerber unbenommen, sich an einen qualifizierten Wirtschaftsverband zu wenden, der für ihn eine Abmahnung ausspricht und eine mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrte Unterlassungserklärung des Schuldners entgegen nimmt (vgl. BT-Drs. 19/12084 S. 32).
Das OLG Schleswig legt das neue Recht dahingehend aus, dass der Unterlassungsgläubiger beim ersten Verstoß lediglich die Möglichkeit einer Abmahnung auf eigene Kosten hat und eine ernsthafte Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafeversprechen zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr ausreichend ist. Auch wenn Konkurrenten bei der ersten Abmahnung keine Vertragsstrafe mehr in der Unterlassungserklärung verlangen dürfen, kann eine Unterlassungserklärung verwendet werden, um ein sog. Ordnungsgeldverfahren einzuleiten. Daher wird auch künftig genau zu prüfen sein, ob mitgeschickte Unterlassungserklärungen unterschrieben werden sollten oder nicht, weil sie häufig viel zu weit formuliert werden. Wird weiterhin gegen die Unterlassungspflicht verstoßen, was sich häufig nicht ausschließen lässt, wird sicher auch die zweite Stufe (strafbewehrt) folgen.
Erfolgt die erstmalige Abmahnung des Verstoßes dagegen durch einen Wirtschaftsverband, eine qualifizierte Einrichtung, eine Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer oder Gewerkschaft, besteht auch weiterhin die Möglichkeit, zur Streitbeilegung unmittelbar die Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung zu verlangen.
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