Bewertungen sind sehr beliebt und beeinflussen die Kaufentscheidung vieler Kunden. Verständlich, dass Online-Händler nach Möglichkeiten suchen, schlechte Bewertungen zu vermeiden. AGB-Klauseln, nach denen Kundenbewertungen nur in gegenseitigem Einvernehmen abgegeben werden bzw. Bewertungen auf erstes Anfordern von dem Kunden entfernt werden müssen, sind hierzu jedenfalls nicht geeignet und unwirksam, wie nun das LG Koblenz (Urt. v. 26.1.2021 – 3 HK O 19/20) entschied.

Die Beklagte ist im Bereich digitaler Unternehmensberatung sowie der Erbringung von zumeist onlinebasierten Coaching-Dienstleistungen tätig. Die auf ihrer Webseite abrufbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen sahen unter „§ 8 Verhalten und Rücksichtnahme“ folgende Klausel vor: „Bewertungen (Sterne, Kommentare) innerhalb sozialer Medien (z.B. Google My Business) geben die Parteien nur im gegenseitigen Einvernehmen ab. Auf erstes Anfordern von uns entfernt der Kunde eine über uns abgegebene Bewertung dauerhaft. Das gilt auch nach Beendigung des Vertrages zwischen uns und dem Kunden. Entfernt der Kunde auf erstes Anfordern die von uns beanstandete Bewertung/Kommentar nicht, gilt eine angemessene und von uns festzusetzende und im Streitfall vom zuständigen Gericht zu überprüfende Vertragsstrafe als verwirkt.“ Die Wettbewerbszentrale mahnte die Beklagte wegen Verwendung der AGB ab und forderte Unterlassung. Da die Beklagte die Unterlassungserklärung nicht abgegeben hat, erhob die Wettbewerbszentrale Klage.

Das LG Koblenz verurteilte die Beklagte zur Unterlassung. Die in ihren AGB verwendete Bestimmung sei unwirksam, da hiermit grundrechtlich geschützte Freiheiten eingeschränkt werden. Die Beklagte nehme unmittelbar Einfluss auf die von ihren Kunden abgegebenen Bewertungen. Solche Bewertungen seien nicht objektiv, was sich den Adressaten nicht erschließe und somit zu einer Irreführung dieses angesprochenen Verkehrskreises führe.

Einschränkung der Meinungsfreiheit

Das Gericht entschied, dass die verwendete Klausel gegen § 307 BGB verstoße. Danach sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Hierbei handle es sich um eine Marktverhaltensregelung. Die angegriffene Klausel sei geeignet, das Recht der Kunden der Beklagten zur Abgabe von Kundenbewertungen, welches verfassungsrechtlich durch das Grundrecht der Meinungsfreiheitnach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützt ist, einzuschränken.

Grundrechtlich geschützt sind zum einen wahre Tatsachenbehauptungen, die zur Meinungsäußerung beitragen können und einem Werturteil als Grundlage dienen. Aber auch reine Meinungsäußerungen sind innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt. Der Schutzbereich des Grundrechtserstreckt sich auch auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden (BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 – VI ZR 196/08, BGHZ 181, 328–345, Rn. 33 [= WRP 2009,979]). Hierzu gehört auch die Möglichkeit, ein im Internet angebotenes Produkt frei zu bewerten und sich mit Hilfe von Bewertungen anderer zu informieren. Diese Bewertungen eröffnen ein Kommunikations- und Informationsforum, das den Kunden eines Unternehmens im Vorfeld einer geschäftlichen Entscheidung zur Information dient und unabhängig von den werbenden Angaben des Verkäufers ist. Der Umstand, dass diese Informationen erkennbar subjektiv gefärbt sind und ihnen deshalb eine Gefahr der Fehl- und Falschinformation innewohnt, wird dabei erkannt, aber ebenso in Kauf genommen und bei der geschäftlichen Entscheidung berücksichtigt wie die systemimmanente Gefahr gefälschter Bewertungen. Diese Kundenkommunikation im Internet, die maßgeblich durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt ist, fällt in den Schutzbereich der Meinungs- und Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs.1 S. 1 GG (BGH, Urteil vom 20. Februar 2020 – I ZR 193/18,Kundenbewertungen auf Amazon, Rn. 38, juris [= WRP 2020, 574]).

Verhinderung freier Meinungsäußerung

Die Klausel benachteilige die Vertragspartner der Beklagten unangemessen, indem sie deren grundrechtlich geschützte Freiheiten einschränke. Sie sei daher nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Ein Unternehmer muss sachlich gerechtfertigte Kritik an seinen Leistungen grundsätzlich hinnehmen, das verfassungsrechtlich geschützte Grundrecht an Meinungsfreiheit darf nicht eingeschränkt werden (BGH, Urteil vom 14. Januar 2020 – VI ZR496/18 Rn. 52, juris, m.w.N. [= WRP 2020, 483]). Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens ist in der Regelauch dann vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs.1 GG gedeckt, wenn sie scharf und überzogen formuliert ist. Grenzen liegen dort, wo sie als Schmähkritik zu qualifizieren ist (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2014 – VI ZR 39/14, Rn. 18, juris).

Die von dem Kläger beanstandete Klausel der Beklagten ist geeignet, die Abgabe von negativen Bewertungen zu verhindern. Kunden, die nicht oder nur in Teilen mit der Leistung der Beklagten zufrieden sind und dies in einer Bewertung darlegen möchten, können von der Klausel an der freien Meinungsäußerung gehindert werden, da sie erst ein Einvernehmen mit der Beklagten diesbezüglich herstellen müssen. Kunden, die sich diesem Diskussionsprozess mit der Beklagten nicht stellen möchten, werden von der Abgabe einer Bewertung insgesamt absehen. Überdies können sich Kunden auch dadurch gehindert sehen, überhaupt eine Bewertung abzugeben, weil sie befürchten, eine entsprechende Aufforderung zur Löschung gemäß § 8 Abs. 1 S. 2, 3 der AGB nicht rechtzeitig zur Kenntnis zu nehmen, und sich in der Folge einer Vertragsstrafenforderung ausgesetzt zu sehen, weil sie die Bewertung nicht „auf erstes Anfordern“ gelöscht haben.

Auch gegenüber Unternehmern unwirksam

Die Beklagte versuchte sich damit zu verteidigen, dass sie keine Verträge mit Verbrauchern schließe. Kaufleute und Unternehmer seien anders als Verbraucher in der Lage, den Inhalt von Klauseln zu verstehen und gegebenenfalls deren Einbeziehung zu widersprechen. Die Regelung des § 307 Abs. 1 BGB finde jedoch auch auf AGB gegenüber Unternehmern Anwendung, so das Gericht.

Gemäß § 310 Abs. 1 BGB gelten die für die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB geltenden Maßstäbe auch für Verwendung der AGB gegenüber einem Unternehmer. Daher ist der Einwand der Beklagten, nur Verträge mit Unternehmern abzuschließen, unbeachtlich.

Irreführender Eindruck objektiver Bewertungen

Zudem nehme die Beklagte unmittelbar Einfluss auf die von ihren Kundenabgegebenen Bewertungen. In dieser Weise zustande gekommene Bewertungen seien nicht objektiv und deswegen als Irreführung des angesprochenen Verkehrs i.S.d § 5 UWG zu qualifizieren.

Äußerungen Dritter wirken in der Werbungobjektiv und werden daher im Allgemeinen höher bewertet als eigene Äußerungen des Werbenden. Die Werbung mit bezahlten Empfehlungen ist daher unzulässig. Ein Kunde, der eine Empfehlung ausspricht, muss in seinem Urteil frei und unabhängig sein. Ein zu Unrecht erzeugter Anschein der Objektivität ist irreführend. Eine Ausnahme gilt nur für Empfehlungen Prominenter in der Werbung, da der Verkehr weiß, dass der bekannte Name nicht unentgeltlich verwendet werden darf (OLG Frankfurt, Urteil vom 20. August 2020 – 6 U 270/19, Rn. 26, juris [= WRP 2020,1463], mit Verweis auf Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm, 37. Aufl.,§ 5 Rn. 1. 165).

Vorliegend nimmt die Beklagte unmittelbaren Einfluss auf die von ihren Kunden abgegebenen Bewertungen. Solche Bewertungen sind nicht objektiv, was sich einem Adressaten solcher Bewertungen jedoch nicht erschließt. Mithin führt die Klausel der Beklagte die angesprochenen Verkehrskreise in die Irre.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Alexander Kirch/Shutterstock.com

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