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Wieder LG Düsseldorf: Fliegender Gerichtsstand auch nach Anti-Abmahngesetz

Seit dem 2.12.2020 gilt das neue Anti-Abmahngesetz. Danach wird unter anderem nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 UWG der fliegende Gerichtsstand bei Verstößen eingeschränkt, die in Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden. Das LG Düsseldorf (Beschl. v. 26.2.2021 – 38 O 19/21) entschied nun erneut, dass für diese Einschränkung erforderlich sei, dass der Verstoß nur auf diesen Verbreitungswegen und nicht bei Nutzung eines anderen Mediums verwirklicht werden könne.

Nachdem das LG Düsseldorf bereits in einem anderen Verfahren versucht hatte, die neue Regelung zu unterlaufen, ist das OLG Düsseldorf dieser Auffassung zuletzt mit deutlichen Worten entgegengetreten. Nichtsdestotrotz hält das LG Düsseldorf an seiner Rechtsauffassung fest. In dem Verfahren ging es ebenfalls um irreführende Werbung sowohl in Printmedien, in einem TV-Werbespot, auf einer Internetseite und auf Youtube.

Das LG Düsseldorf hat erneut seine örtliche Zuständigkeit angenommen.

Fliegender Gerichtsstand trotz anderer Ansicht des OLG

Das LG Düsseldorf hält an seiner Auffassung fest, dass die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands auf solche Fälle beschränkt sei, die zwingend an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpfen und nicht bei Nutzung eines anderen Mediums verwirklicht werden könnten. Die vom OLG Düsseldorf hierzu geäußerten erheblichen Bedenken veranlassen das Gericht nicht, seine Auffassung zu ändern.

Insbesondere ist die örtliche Zuständigkeit des von der Antragstellerin angerufenen Gerichts nicht nur für die in Printmedien verbreitete Anzeigen- und die Fernsehwerbung, sondern darüber hinaus für die über ihre Internetpräsenz und das Portal youtube verbreitete Werbung gegeben.

Zur Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 2 und S. 3 Nr. 1 UWG wird zunächst auf die Erwägungen unter I 1 a sowie I 1 b aa des Beschlusses der Kammer vom 15. Januar 2021 verwiesen (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2021 – 38 O 3/21, WRP 2021, 395 = GRUR-RS 2021, 402 und bei juris [dort jeweils Rn. 3 bis 14; die Entscheidung kann außerdem kostenfrei unter nrwe.de abgerufen werden]; zur Unterrichtung der an dem Verfahren 38 O 3/21 nicht beteiligten Antragsgegnerin sind die in Bezug genommenen Passagen des Beschlusses vom 15. Januar im Anschluss an die Gründe dieses Beschlusses wiedergeben). An dem dort gefundenen Ergebnis – dass nämlich der den grundsätzlich nach § 14 Abs. 2 S. 2 UWG gegebenen fliegenden Gerichtsstand sperrende Ausschlusstatbestand des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG (nur) eingreift, wenn die betreffende Zuwiderhandlung tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpft (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2021, a.a.O.; zustimmend Lerach, jurisPR-WettbR 2/2021 Anm. 5; Spoenle, jurisPK-UWG, § 14 UWG [Stand: 8. Februar 2021] Rn. 51; für eine einschränkende Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG auch Wagner/Kefferpütz, WRP 2021, 151 [158 Rn. 36 f. und 159 Rn. 41] sowie – allerdings etwas weniger weitgehend – Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen, § 14 UWG Rn. 21; kritisch dagegen Omsels/Zott, WRP 2021, 278 [286 Fn. 79]) – hält die Kammer nach nochmaliger Überprüfung fest. Die gegen die vorgenommene teleologische Reduktion von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG vorgebrachten Bedenken (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Februar 2021 – 20 W 11/21, GRUR-RS 2021, 2043 [unter III]; Omsels/Zott, a.a.O.) greifen nicht durch und veranlassen die Kammer nicht, ihre Sichtweise zu ändern.

Teleologische Reduktion geboten

Während das OLG Düsseldorf entschied, dass sich eine teleologische Reduktion der Vorschrift verbiete, da der Gesetzgeber sich über die Folgen der Vorschrift im Klaren gewesen sei, ist das LG Düsseldorf anderer Meinung.

Die Unterschiede in den Formulierungen von § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG einerseits und § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG andererseits stehen der an (in dem Beschluss der Kammer vom 15. Januar 2021 herausgearbeiteten) Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht entgegen, zumal es sich bei dieser Vorschrift – was das Oberlandesgericht Düsseldorf unberücksichtigt lässt – um einen Ausnahmetatbestand handelt dessen Zweck es ist, den in § 14 Abs. 2 S. 2 UWG grundsätzlich eröffneten fliegenden Gerichtsstand für bestimmte Fälle auszuschließen. Näher als die Annahme eines (möglicherweise vom Oberlandesgericht Düsseldorf im Gesetz erkannten) “Zweistufensystems” (im Sinne einer bewusst zwischen verschiedenen Fallgruppen differenzierenden Lösung für die Regelung des Abmahnkostenersatzes einerseits und der örtlichen Zuständigkeit andererseits) liegt die Annahme eines Redaktionsversehens des Gesetzgebers (vgl. Lerach, a.a.O.), was aus den in dem Beschluss der Kammer vom 15. Januar 2021 angeführten Gesichtspunkten eine teleologische Reduktion des in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG enthaltenen Ausnahmetatbestandes angezeigt erscheinen lässt. Die für eine solche Auslegung sprechenden Argumente sind – jedenfalls durch die bisherige Diskussion – nicht widerlegt. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vertiefenden, die Zirkelschlüssigkeit der bislang geäußerten Kritik aufzeigenden und den Gang des Gesetzgebungsverfahrens nachzeichnenden Ausführungen der Antragstellerin unter IV 3 c ihrer Antragsschrift (S. 17 bis 20 = Bl. 18 bis 21 GA) Bezug genommen.

Keine ausreichenden Bedenken vorgebracht

Das Gericht sehe keine Veranlassung, seine Auffassung aufzugeben. Es seien bisher keine überzeugenden Bedenken hiergegen vorgebracht worden.

Die Kammer sieht keine Veranlassung, ihre Auffassung im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung aufzugeben. Die Diskussion darüber, wie die seit dem 2. Dezember 2020 geltende Regelung der örtlichen Zuständigkeit in § 14 Abs. 2 UWG auszulegen ist, steht noch an ihrem Anfang. Die Überzeugungskraft der Bedenken, die bislang gegen das in dem Beschluss der Kammer vom 15. Januar 2021 gefundene Ergebnis und die dafür gegebene Begründung vorgebracht worden sind, ist – jedenfalls aus Sicht der Kammer – gering und auf der anderen Seite sind Ergebnis und Begründung des Beschlusses der Kammer vom 15. Januar 2021 teils ausdrücklich zustimmend besprochen worden. Angesichts dessen erscheint es der Kammer, die ausschließlich mit Streitigkeiten aus den Bereichen des Wettbewerbs-, Kennzeichen- und Geschmacksmuster-/Designrecht befasst ist und auf deren Spruchpraxis sich die beteiligten Kreise vielfach einstellen, angezeigt, an ihrer eingeschlagenen Linie festzuhalten (freilich unter dem – letztlich für jede Rechtsanwendung geltenden – Vorbehalt sich eventuell aus dem Fortgang der Diskussion um die zutreffende Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG ergebender besserer Erkenntnisse).

Keine Bindungswirkung

Das Gericht stellte klar, dass es an seiner Auffassung festhalten werde. Die vom OLG Düsseldorf geäußerte Kritik entfaltet gegenüber dem Gericht keine Bindungswirkung.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist schließlich nicht geeignet, ein schutzwürdiges Vertrauen der Rechtsunterworfenen dahin zu begründen, die Kammer werde nunmehr an ihrer – für den geneigten Leser ihres Beschlusses erkennbar nicht unüberlegt in den Raum geworfenen, sondern unter Heranziehung anerkannter Auslegungsgrundsätze und der Gesetzgebungsmaterialien entwickelten – Auffassung nicht länger festhalten. Selbst wenn man – hinausgehend über die sich aus §§ 31 BVerfGG, 322, 563 Abs. 2 ZPO ergebenden Bindungen an Urteile anderer Gerichte und dem sich aus den Rechtswerten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ergebenden Gebot, grundsätzlich an einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung festzuhalten (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Oktober 1982 – GSZ 1/82, NJW 1983, 228 [unter II 1 b]) – eine dem deutschen Recht an sich fremde (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2002 – X ARZ 110/02 [unter III 2]) Präjudizienbindung von Instanzgerichten annehmen wollte, griffe diese nicht ein. Bei der von dem Oberlandesgericht Düsseldorf unter II 3 c und III seines Beschlusses vom 16. Februar 2021 geäußerten Kritik an Zustandekommen und Inhalt des von der Kammer am 15. Januar 2021 erlassenen Beschlusses handelt es sich um bloße obiter dicta, die als die Entscheidung nicht tragende Erwägungen schon vom Ansatz her keinerlei Bindungswirkung entfalten.

Die Antragstellerin leite die von ihr angenommene Unlauterkeit der Werbemaßnahmen aus Umständen her, die tatbestandlich nicht an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpfen. Bei dieser Sachlage greife der in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG geregelte Ausschlusstatbestand nicht ein, so das LG Düsseldorf.

Fazit

Die nach Auffassung des LG Düsseldorf vorzunehmenden Einschränkungen lassen sich weder dem Wortlaut der Vorschrift, ihrem Sinn und Zweck noch der Gesetzesbegründung entnehmen. Selbst wenn durch diesen Ausschluss mögliche Ungleichbehandlungen entstehen, lässt sich der Gesetzesbegründung eine entsprechende Einschränkung auf solche Fällen, die nicht bei Nutzung eines anderen Mediums verwirklicht werden können, nicht entnehmen. Die Einschränkung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung soll auf die in diesem Zusammenhang besonders missbrauchsanfälligen Verstöße beschränkt werden, die in Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden. Die Gesetzesbegründung stellt an anderer Stelle, dem Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs bei Abmahnungen gegen Kennzeichnungs- und Informationspflichten nach § 13 Abs. 4 UWG, klar, dass unter „im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangenen Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten“ nicht nur spezifische Informations- und Kennzeichnungspflichten im Online-Handel oder auf Webseiten zu verstehen sind, sondern es ausreicht, dass die Verstöße in diesem Bereich auftreten. Es bleibt abzuwarten, wie andere Gerichte hierzu entscheiden werden.

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