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OLG Düsseldorf: Kein fliegender Gerichtsstand nach Anti-Abmahngesetz

Seit dem 2.12.2020 gilt das neue Anti-Abmahngesetz. Danach wird unter anderem nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 UWG der fliegende Gerichtsstand bei Verstößen eingeschränkt, die in Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden. Nachdem das LG Düsseldorf zuletzt versucht hatte, diese Regelung zu unterlaufen, ist das OLG Düsseldorf (Beschl. v. 16.2.2021 – I-20 W 11/21) dieser Auffassung mit deutlichen Worten entgegengetreten.

Die Antragsgegnerin vertreibt Router und bewarb diese unter Hinweisen auf die Vorzüge des Standards WiFi 6 in einem TV-Werbespot, auf einer Internetseite, in einer Print-Anzeige und auf Youtube. Der Antragssteller sah hierin eine Irreführung und nahm die Antragsgegnerin im einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem LG Düsseldorf auf Unterlassung in Anspruch. Das LG Düsseldorf hatte seine örtliche Zuständigkeit angenommen und entschied, dass die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands auf solche Fälle beschränkt sei, die zwingend an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpfen und nicht bei Nutzung eines anderen Mediums verwirklicht werden könnten.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde eingelegt. Zwar war das eingelegte Rechtsmittel unstatthaft, um die örtliche Zuständigkeit des LG Düsseldorf zu rügen, gleichwohl fand das OLG Düsseldorf erfreulicherweise deutliche Worte zu der vom Landgericht vertretenen Rechtsauffassung und äußerte „erhebliche Bedenken“. Das OLG Düsseldorf stellte klar, dass die Kammer im Falle eines Widerspruchs, der in diesem Fall das richtige Rechtsmittel sei, ihre Auffassung zur örtlichen Zuständigkeit werde überprüfen müssen.

Die Entscheidung wurde uns von Rechtsanwalt Dr. Steffen Wettig mitgeteilt.

„Erhebliche Bedenken“ des Gerichts

Das OLG Düsseldorf machte deutlich, dass sich weder nach dem Wortlaut der Vorschrift noch nach ihrem Sinn und Zweck solche nach Auffassung des LG Düsseldorf vorzunehmenden Einschränkungen ergeben.

Gegen die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des – auf das vorliegende Verfahren im Hinblick auf seine Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs – anwendbaren § 14 Abs. 2 UWG n.F. bestehen erhebliche Bedenken.

Der Wortlaut enthält die vom Landgericht vorgenommene Einschränkung nicht. Diese lässt sich auch nicht mit Sinn und Zweck der Regelung rechtfertigen. Hintergrund der Änderung der Vorschrift über die örtliche Zuständigkeit waren vom Gesetzgeber angenommene Unzuträglichkeiten. Der Entwurf sah diese vor allem bei der Verfolgung lauterkeitsrechtlicher Verstöße im Internet (BT-Drs. 19/12094, S. 35), die eine Vielzahl von Gerichtsständen zur Folge haben. Die Bemerkung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 19/19/22238 S. 18) bezieht sich hierauf. Der Missstand wurde bei der Verfolgung im Internet begangener Verstöße gesehen; Einschränkungen auf bestimmte im Internet begangene Verstöße ergeben sich dagegen nicht.

Keine Einschränkungen vorgesehen

Eine Einschränkung auf solche Fälle, die zwingend an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpfen, sei der Vorschrift nicht zu entnehmen.

Hinzu kommt der Vergleich mit der engeren Formulierung in § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG n.F. Dort findet sich die – in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG n.F. fehlende – Einschränkung „gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten“. Der Gesetzgeber hat dazu ausgeführt (BT-Drs. 19/12084 S. 32): „Es muss sich nicht um spezifische Informations- und Kennzeichnungspflichten im Online-Handel oder auf Webseiten handeln, sondern es ist ausreichend, dass die Verstöße in diesem Bereich auftreten.“ Als Beispiel nennt der Gesetzgeber Verstöße gegen die – nicht internetspezifische – Preisangabenverordnung. Bereits von daher lässt sich die vom Gesetzgeber für eine Bestimmung, die sogar eine ausdrückliche Einschränkung (Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet) enthält, abgelehnte weitere Einschränkung erst recht nicht auf eine Bestimmung übertragen, die eine solche Einschränkung nicht einmal ansatzweise enthält.

Folgen waren dem Gesetzgeber bewusst

Der Gesetzgeber sei sich über die Folgen der Vorschrift im Klaren gewesen, daher verbiete sich eine teleologische Reduktion.

Eine teleologische Reduktion verbietet sich auch deswegen, weil dem Gesetzgeber mögliche Einschränkungen vor Augen standen, er diese aber nicht übernommen hat. In § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG hat er eine (allerdings auch nur begrenzte) Einschränkung vorgenommen. Die GRUR hatte im Vorfeld Einschränkungen bei der Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands bei Verstößen gegen bestimmte Kennzeichnungs- und Informationspflichten vorgeschlagen (GRUR 2019, 59). Auch in der Sachverständigenanhörung am 23. Oktober 2019 vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages sind verschiedentlich in diese Richtung gehende Einschränkungen vorgeschlagen worden. Der Gesetzgeber hat jedoch in Kenntnis dieser Möglichkeiten eine Einschränkung gerade nicht vorgenommen. Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass eine derartige Einschränkung gerade nicht gewollt war.

Die von der Antragsstellerin angesprochenen Äußerungen des Abgeordneten Jung im Deutschen Bundestag (Plenarprotokoll 19/173) – auf die auch Wagner/Kefferpütz, WRP 2021, 151 Rn. 36 verweisen – lassen eine Beschränkung des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG n.F. auf internetspezifische Kennzeichenpflichten nicht erkennen; eine Beschränkung der Vorschrift auf die Verletzung von Informations- und Kennzeichnungspflichten, auf die er Bezug nimmt, hat – anders als in § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG – im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden und sind daher unmaßgeblich (vgl. BGH GRUR 2019, 970 – Erfolgshonorar für Versicherungsberater – Rn. 64 ff., 66).

Nach Ansicht des OLG Düsseldorf verbleibe es bei der Regel des § 260 ZPO, wonach mehrere Anträge bei demselben Gericht nur dann zusammen anhängig gemacht werden können, wenn dieses Gericht für sämtliche Ansprüche zuständig ist. Zudem fehle es an der Notwendigkeit eines Gerichtsstandes Kraft Sachzusammenhangs, da der allgemeine Gerichtsstand für sämtliche Anträge zur Verfügung stehe. Insoweit bestehe auch kein Widerspruch dazu, dass zusammengehörige Beanstandungen möglichst in einem Verfahren geltend gemacht werden sollen.

Mündliche Verhandlung erforderlich

Zudem hätte das LG Düsseldorf die einstweilige Verfügung nicht ohne vorherige mündliche Verhandlung erlassen dürfen, da der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung umfangreiche Ausführungen zur Auslegung des § 14 Abs. 2 UWG n.F. umfasste, die die Abmahnung nicht enthielt.

Allerdings lagen entgegen der Auffassung des Landgerichts die Voraussetzungen, unter denen es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (s. zuletzt WRP 2021, 181; Beschluss vom 11.01.2021 – 1 BvR 2681/20) von einer Anhörung der Antragsgegnerin vor Erlass der Beschlussverfügung hätte absehen dürfen, ersichtlich nicht vor. Zwar hatte die Antragsstellerin die Antragsgegnerin vorher abgemahnt und die Abmahnung sowie die Antwort der Antragsgegnerin hierauf dem Gericht vorgelegt. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ging jedoch jedenfalls insoweit weit über die Abmahnung hinaus, als er umfangreiche Ausführungen zur Auslegung des § 14 Abs. 2 UWG n.F. umfasste. Dass die Antragsgegnerin in ihrer Schutzschrift auf § 14 Abs. 2 UWG n.F. hinwies, rechtfertigte diese Verfahrenshinweise nicht, da dieser Hinweis sehr kurz war und die Ausführungen der Antragsstellerin nicht berücksichtigen konnte. Damit hatte die Antragsstellerin ihren Antrag „sonst mit ergänzendem Vortrag begründet“ (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.01.2021 – 1 BvR 2681/20 Rdnr. 32 a.E.). Dadurch wurde es der Antragsgegnerin – anders als der Antragsstellerin – verwehrt, ihre umfangreichen Ausführungen zur Auslegung des § 14 Abs. 2 UWG n.F. vor Erlass der sie belastenden Beschlussverfügung zu Gehör zu bringen.

Fazit

Der Versuch des LG Düsseldorf, die neue Regelung zu unterlaufen, ist damit gescheitert. Erfreulich sind die deutlichen Worte des Gerichts. Die nach Auffassung des LG Düsseldorf vorzunehmenden Einschränkungen lassen sich weder dem Wortlaut der Vorschrift, ihrem Sinn und Zweck noch der Gesetzesbegründung entnehmen.

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