Update: Das Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags wurde am 24.6.2021 in der vom Ausschuss geänderten Fassung vom Bundestag beschlossen und am 30.6.2021 im Bundesgesetzblatt verkündet. Es tritt am 1.1.2022 in Kraft.
Am 11.6.2019 ist die EU-Richtlinie 2019/771 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs (Warenkauf-RL, WKRL) in Kraft getreten. Zur Umsetzung sind umfangreiche Änderungen des BGB geplant. Die Mitgliedstaaten haben bis zum 1.7.2021 Zeit, die entsprechenden Vorschriften zu erlassen. Den entsprechenden Referentenentwurf hat das BMJV nun veröffentlicht. Wir haben die wichtigsten Änderungen für Sie zusammengefasst.
Bereits im September 2016 hatte die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über ein neues Kaufrecht für Online- und andere Fernabsatzverträge vorgelegt. Der ursprüngliche Vorschlag der Europäischen Kommission ist auf Kritik gestoßen. Der Grund hierfür war insbesondere die Rechtsfragmentierung, die durch unterschiedliche Regelungen für den Fernabsatz und den klassischen Einzelhandel entstehen würde. Nach dem ursprünglichen Entwurf sollten nämlich nur Online- und andere Fernabsatzverträge erfasst werden. Im Oktober 2017 legte die Europäische Kommission dann einen geänderten Richtlinienvorschlag vor, nach dem alle Kaufverträge erfasst werden sollen.
Die WKRL spricht in diesem Zusammenhang von „Vertragsmäßigkeit“. An diesen Begriff stellt die Richtlinie subjektive (Art. 6) und objektive Anforderungen (Art. 7). Ebenso wird jede unsachgemäße Montage als Vertragswidrigkeit angesehen (Art. 8). An diese Begrifflichkeiten soll § 434 BGB angepasst werden. Abs. 1 bestimmt, dass die Kaufsache frei von Sachmängeln ist, wenn sie den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen, die jeweils in den Abs. 2, 3 und 4 des § 434 BGB näher dargelegt sind, entspricht:
(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.
§ 434 Abs. 1 BGB-E sieht damit künftig einen Gleichrang dieser drei Anforderungen vor. Eine Vereinbarung über die Abweichung der objektiven Anforderungen soll jedoch weiterhin möglich sein (dazu unten).
Wenn der Verbraucher eine mangelhafte bereits in eine andere Sache eingebaut hat, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung dazu verpflichtet, die bereits in eine andere Sache eingebaute mangelhafte Kaufsache auszubauen und die Ersatzsache einzubauen oder die Kosten für beides zu tragen. Der Käufer hat unmittelbar einen Anspruch auf Ersatz der Aus- und Einbaukosten. Bisher gilt hierfür ein Ausschluss, wenn der Käufer den Mangel kannte. Ist dem Käufer der Mangel bei ihrem Einbau infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, kann er Rechte wegen eines Mangels in einem solchen Fall nur geltend machen, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Die WKRL sieht hingegen einen solchen Ausschluss nicht vor. Zudem soll § 442 BGB, der die Vorgaben hinsichtlich der Kenntnis des Käufers bzgl. des Mangels enthält, nicht mehr auf Verbrauchsgüterkaufverträge angewendet werden.
Die Beschränkung der Käuferrechte bei einem Einbau in Kenntnis des Mangels wird daher umgesetzt, indem der Verweis auf § 442 BGB gestrichen wird und die Wörter „bevor der Mangel offenbar wurde“ eingefügt werden. § 439 Abs. 3 BGB soll damit folgende Fassung erhalten:
(3) Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht, bevor der Mangel offenbar wurde, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen.
Die Regelung des § 442 BGB, wonach keine Mängelrechte bestehen, wenn der Käufer bei Vertragsschluss den Mangel kennt, bleibt im allgemeinen Kaufrecht hingegen anwendbar und wird nur für den Verbrauchsgüterkauf ausgeschlossen.
Zudem soll ein neuer § 439 Abs. 5 BGB eingeführt werden, wonach der Verbraucher dem Verkäufer die Waren im Fall der Nacherfüllung zu Verfügung stellen muss. § 439 Abs. 6 BGB soll um die in Art. 14 Abs. 2 S. 2 WKRL geregelte Pflicht des Verkäufers, die ersetzte Sache zurückzunehmen, ergänzt werden.
(5) Der Käufer hat dem Verkäufer die Sache zum Zweck der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen.
(6) Liefert der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache, so kann er vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 verlangen. Der Verkäufer hat die ersetzte Sache auf seine Kosten zurückzunehmen.
Diese Pflichten sind nicht neu, sondern werden nunmehr ausdrücklich geregelt.
Wie bisher ist der Rückgriff des Verkäufers in der Lieferkette in § 445a BGB geregelt. Die Vorschrift wird nun aufgrund der Änderungen angepasst. Zudem wird die in § 445b Abs. 2 S. 2 BGB vorgesehene Begrenzung der Verjährungshemmung auf fünf Jahre gestrichen. weil auch bei diesen Pflichten eine über den Zeitraum von fünf Jahren hinausgehende Haftung des Verkäufers denkbar ist, insbesondere im Hinblick auf die neu eingeführte Aktualisierungsverpflichtung (dazu unten). Deshalb ist gerade bei dieser Pflicht eine Verlängerung der Haftung der Lieferanten und vor allem des Herstellers wichtig.
2011 hatte der EuGH entschieden, dass die bisherige VerbrauchsgüterkaufRL es nicht zulasse, dem Verkäufer zu erlauben, sowohl Nachbesserung als auch Nachlieferung unter der Berufung auf unverhältnismäßige Kosten zu verweigern. Allein für die Übernahme von Aus- und Einbaukosten komme eine solche Verweigerung in Betracht, erfordere dann aber eine andersartige Kompensation des Verbrauchers. § 475 Abs. 4 und 5 BGB setzten diese Vorgaben bisher um. Diese Rechtslage wurde jedoch nicht in die WKRL übernommen. § 475 Abs. 4 und 5 BGB sollen daher gestrichen werden.
§ 439 Abs. 2 BGB bestimmt, dass die Nacherfüllung für den Käufer unentgeltlich sein muss. Art. 14 Abs. 1 WKRL bestimmt darüber hinaus, dass bei Verbrauchsgüterkaufverträgen die Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen muss. Diese Vorgaben sollen in dem neuen § 475 Abs. 5 BGB-E umgesetzt werden.
(5) § 439 Absatz 2 gilt mit der Maßgabe, dass der Unternehmer die Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel unterrichtet hat, und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher durchzuführen hat, wobei die Art der Sache sowie der Zweck, für den der Verbraucher die Sache benötigt, zu berücksichtigen sind.
Art. 16 Abs. 3 b) WKRL bestimmt Mindestanforderungen für die Rückabwicklung des Kaufvertrags nach der Vertragsbeendigung wegen eines Mangels der Kaufsache. Danach hat der Verkäufer die Kosten der Rückgabe der Sache zu tragen und der Verkäufer hat den Kaufpreis zurückzuzahlen, sobald er die Sache erhält oder der Verbraucher einen Nachweis erbringt, dass er die Sache zurückgesandt hat. Die genauen Modalitäten der Rückgabe und Erstattung können die Mitgliedstaaten festlegen. Diese Mindestvorgaben der WKRL erfordern eine Anpassung der entsprechenden §§ 346, 348 BGB, nach denen sich der Rücktritt richtet. Diese Anpassung enthält § 475 Abs. 6 BGB-E. Für die Rückerstattung soll künftig auch der Nachweis genügen, dass der Verbraucher die Sache zurückgesandt hat.
(6) Im Fall des Rücktritts wegen eines Mangels der Sache ist § 346 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Unternehmer die Kosten der Rückabwicklung trägt. § 348 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Nachweis des Verbrauchers über die Rücksendung der Rückgewähr der Sache gleichsteht.
Eine entsprechende Regelung besteht bereits für die Rückerstattung im Widerrufsfall. Unklar ist auch hier bislang, welche Anforderungen genau an einen solchen Nachweis der Rücksendung zu stellen sind.
§ 475d BGB-E passt zur Umsetzung der WKRL für den Verbrauchsgüterkauf die für das allgemeine Kaufrecht in den §§ 323, 440 BGB geregelten Voraussetzungen des Rücktritts von einem Kaufvertrag an. § 323 Abs. 1 BGB bestimmt, dass der Gläubiger dem Schuldner grundsätzlich eine angemessene Frist setzen muss, bevor er vom Vertrag zurücktreten kann. Art. 13 Abs. 4 a) WKRL sieht hingegen nur den Ablauf einer angemessenen Frist vor, nicht aber, dass der Verbraucher diese dem Unternehmer gesetzt haben muss. Das Erfordernis einer Fristsetzung durch den Verbraucher ist damit künftig nicht mehr erforderlich.
§ 475d Sonderbestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz
(1) Der in § 323 Absatz 1 bestimmten Fristsetzung bedarf es abweichend von § 440 nicht, wenn
1.der Unternehmer die Nacherfüllung trotz Ablaufs einer angemessenen Frist, ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel unterrichtet hat, nicht vorgenommen hat,
2.sich trotz der vom Unternehmer versuchten Nacherfüllung ein Mangel zeigt,
3.der Mangel derart schwerwiegend ist, dass der sofortige Rücktritt gerechtfertigt ist,
4.der Unternehmer die gemäß § 439 Absatz 1 oder 2 oder § 475 Absatz 5 ordnungsgemäße Nacherfüllung verweigert hat oder
5.es nach den Umständen offensichtlich ist, dass der Unternehmer nicht gemäß § 439 Absatz 1 oder 2 oder § 475 Absatz 5 ordnungsgemäß nacherfüllen wird. § 323 Absatz 2 ist nicht anzuwenden.
(2) Für einen Anspruch auf Schadensersatz wegen eines Mangels der Sache bedarf es der in § 281 Absatz 1 bestimmten Fristsetzung in den in Absatz 1 bestimmten Fällen nicht. § 281 Absatz 2 ist nicht anzuwenden.
Durch den neuen § 475e BGB-E werden Sonderbestimmungen zur Verjährung bei Verbrauchsgüterkäufen eingeführt. Abs. 1 enthält Sonderbestimmungen für die Verjährung von Mängelansprüchen beim Kauf von Sachen mit digitalen Elementen.
Eine weitere Besonderheit enthält Abs. 4. Hier ist eine Ergänzung der Frist um zwei Monate für Fälle vorgesehen, in denen wegen des nahenden Endes der Verjährungsfrist eine rechtzeitige Geltendmachung der Gewährleistungsrechte vereitelt werden könnte.
(3) Hat sich ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist gezeigt, so tritt die Verjährung nicht vor dem Ablauf von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat.
In einem solchen Fall geht die Verjährungsfrist über die Länge der Gewährleistungsfrist hinaus. Eine entsprechende Regelung ist auch mit § 327j Abs. 4 BGB-E bei Verträgen über digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen geplant.
Wie bisher enthält § 476 BGB-E Vorschriften hinsichtlich vertraglicher Ausschlüsse und Beschränkungen.
Mit § 476 Abs. 1 S. 2 BGB-E kommt eine neue Regelung hinzu, die es den Parteien ermöglichen soll, Abweichungen von den objektiven Anforderungen an die Kaufsache zu vereinbaren. Hierfür ist eine besondere Form erforderlich:
Von den Anforderungen nach § 434 Absatz 3, § 475b Absatz 4 und 5 oder § 475c Absatz 3 kann vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer durch Vertrag abgewichen werden, wenn
1.der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung eigens davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein bestimmtes Merkmal der Sache von den objektiven Anforderungen abweicht, und
2.diese Abweichung im Sinne der Nummer 1 im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde.
Es ist ausdrücklich erforderlich, dass die Information des Käufers „eigens“ erfolgen muss. Für dieses Mehr an Information soll es nach der Begründung des Referentenentwurfs nicht genügen, die Abweichung nur als eine von mehreren Eigenschaften der Kaufsache in der Produktbeschreibung anzuführen.
§ 476 Abs. 2 BGB-E regelt die Voraussetzungen einer Vereinbarung über die Verkürzung von Verjährungsfristen. Bei neu hergestellten Sachen verbleibt es dabei, dass eine Verkürzung auf eine Verjährungsfrist von weniger als zwei Jahren nicht möglich ist. Bei gebrauchten Sachen ist eine Verkürzung auf nicht weniger als ein Jahr möglich. Hierfür ist nach § 476 Abs. 2 S. 2 BGB-E zukünftig eine besondere Form notwendig:
Die Vereinbarung ist nur wirksam, wenn
1.der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung von der Verkürzung der Verjährungsfrist eigens in Kenntnis gesetzt wurde und
2.die Verkürzung der Verjährungsfrist im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde.
Nach aktuellem Recht wird bei einem Verbrauchsgüterkauf vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn der Mangel innerhalb von sechs Monaten auftritt. § 477 Abs. 1 BGB-E verlängert diese Beweislastumkehr auf ein Jahr. Damit wird die Vorgabe des Art. 11 Abs. 1 WKRL umgesetzt.
(1) Zeigt sich innerhalb eines Jahres seit Gefahrübergang ein von den Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der Sache, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des mangelhaften Zustands unvereinbar.
Für Waren mit digitalen Elementen, die dauerhaft bereitgestellt werden, enthält § 477 Abs. 2 BGB-E eine Sonderregelung. Hier soll es keine feste Dauer der Beweislastumkehr geben. Stattdessen gilt die Beweislastumkehr während des Bereitstellungszeitraums, mindestens aber für einen Zeitraum von zwei Jahren ab der Lieferung der Sache. Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass die Dauer der Beweislastumkehr durch eine Vereinbarung zum Bereitstellungszeitraum verkürzt werden kann.
(2) Ist bei Sachen mit digitalen Elementen die dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente im Kaufvertrag vereinbart und zeigt sich ein von den vertraglichen Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der digitalen Elemente innerhalb des Bereitstellungszeitraums oder innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren ab der Ablieferung der Sache, so wird vermutet, dass die digitalen Elemente während des Bereitstellungszeitraums mangelhaft waren.
Von der in Art. 12 WKRL vorgesehenen Rügeobliegenheit für Verbraucher hat der Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht. Art. 12 sieht die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten vor, eine Rügepflicht beizubehalten oder einzuführen, wonach der Verbraucher zur Inanspruchnahme seine Gewährleistungsrechte den Verkäufer innerhalb von mindestens zwei Monaten ab Bekanntwerden des Mangels darüber unterrichten muss.
In Umsetzung des Art. 17 WKRL sollen auch neue Anforderungen an Garantien gelten. Den Umfang legt § 477 Abs. 1 BGB-E fest:
(1) Eine Garantieerklärung (§ 443) muss einfach und verständlich abgefasst sein. Sie muss Folgendes enthalten:
1.den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers bei Mängeln, darauf, dass die Inanspruchnahme dieser Rechte unentgeltlich ist, sowie darauf, dass diese Rechte durch die Garantie nicht eingeschränkt werden,
2.den Namen und die Anschrift des Garantiegebers,
3.das vom Verbraucher einzuhaltende Verfahren für die Geltendmachung der Garantie,
4.die Nennung der Sache, auf die sich die Garantie bezieht, und
5.die Bestimmungen der Garantie.
Nach § 477 Abs. 2 BGB-E muss dem Verbraucher die Garantieerklärung künftig in jedem Fall auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden und nicht lediglich wie bisher auf dessen Verlangen.
§§ 475b und 475c BGB-E enthalten Sonderbestimmungen für Sachen mit digitalen Elementen die im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs erworben werden. Diese werden nun erstmals durch die WKRL ausdrücklich erfasst. § 475b Abs. 1 BGB-E enthält dabei die Definition von Sachen mit digitalen Elementen:
(1) Für den Kauf einer Sache mit digitalen Elementen, bei dem sich der Unternehmer verpflichtet, dass er oder ein Dritter die digitalen Elemente bereitstellt, gelten ergänzend die Regelungen dieser Vorschrift. Eine Sache mit digitalen Elementen ist eine Sache, die in einer solchen Weise digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen enthält oder mit ihnen verbunden ist, dass sie ihre Funktionen ohne diese digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen nicht erfüllen kann. Beim Kauf einer Sache mit digitalen Elementen ist im Zweifel anzunehmen, dass die Verpflichtung des Unternehmers die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen umfasst.
§ 475b BGB-E gilt dabei für alle Sachen mit digitalen Elementen. § 475c BGB-E ist eine Vorschrift für Sachen mit digitalen Elementen, bei denen die digitalen Elemente nicht einmalig, etwa mit der Lieferung der Sache, sondern dauerhaft über einen Zeitraum bereitgestellt werden. Diese Vorschriften gelten ergänzend zu § 434 BGB hinsichtlich eines Sachmangels.
Ob die Bereitstellung digitaler Elemente, also enthaltener oder verbundener digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen, vom Unternehmer geschuldet ist, hängt vom Inhalt des Kaufvertrags ab und muss durch Auslegung ermittelt werden. Die Gesetzbegründung nennt hierfür einige Beispiele:
Wird beispielsweise in der Werbung angegeben, dass ein Smart-TV eine bestimmte Video-Anwendung enthält, so ist diese Video-Anwendung als Bestandteil des Kaufvertrags anzusehen. Dies gilt unabhängig davon, ob die digitalen Elemente auf der Sache selbst vorinstalliert sind oder anschließend auf einem anderen Gerät heruntergeladen werden müssen und mit der Sache nur verbunden sind. Beispielsweise können auf einem Smartphone gemäß Kaufvertrag vorinstallierte Anwendungen zu finden sein wie beispielsweise eine Alarmfunktion oder eine Kameraanwendung. Ein anderes Beispiel ist die intelligente Armbanduhr. In einem solchen Fall gilt die Uhr als die Sache mit digitalen Elementen, die ihre Funktionen nur mittels einer Anwendung erfüllen kann, die gemäß dem Kaufvertrag bereitgestellt wird, aber vom Verbraucher auf ein Smartphone heruntergeladen werden muss. Die Anwendung auf dem Smartphone ist dann das verbundene digitale Element zu der Uhr (WKRL, Erwägungsgrund 15).
§ 475b Abs. 2 BGB-E fasst die Voraussetzungen für die Mangelfreiheit einer Sache mit digitalen Elementen zusammen. Eine solche Sache ist dann frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang sowohl den subjektiven und objektiven Anforderungen als auch, falls vorhanden, den Montage- und Installationsanforderungen entspricht.
(2) Eine Sache mit digitalen Elementen ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen, den Montageanforderungen und in Bezug auf die digitalen Elemente den Installationsanforderungen entspricht.
Der Inhalt dieser Anforderungen wird in den Abs. 3-5 konkretisiert. Hier findet sich auch eine Aktualisierungspflicht hinsichtlich der digitalen Elemente.
Nach § 475b Abs. 3 BGB-E entspricht eine Sache mit digitalen Elementen nur dann den subjektiven Anforderungen an die Kaufsache, wenn die allgemeinen Anforderungen an die Mangelfreiheit gemäß § 434 Abs. 2 BGB-E eingehalten sind und für die digitalen Elemente die im Vertrag vereinbarten Aktualisierungen für die digitalen Elemente bereitgestellt werden. Hinsichtlich der objektiven Anforderungen an die Mangelfreiheit der Kaufsache bestimmt § 475 Abs. 4 BGB-E, dass neben die allgemeinen Anforderungen des § 434 Abs. 3 BGB-E eine Aktualisierungsverpflichtung tritt.
Nach dem bisher geltenden Kaufvertragsrecht führt das Unterlassen von Aktualisierungen nicht zu einem Mangel, weil der Zeitpunkt, zu dem eine Aktualisierung erforderlich wird, in der Regel erst nach dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs liegt und dieser Zeitpunkt für die Bestimmung der Mangelfreiheit maßgeblich ist.
Die WKRL spricht von Aktualisierungen, einschließlich Sicherheitsaktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Sache erforderlich sind. Damit bezieht sich die Pflicht nach § 475b Abs. 4 BGB-E auf Aktualisierungen, die notwendig sind, damit die Sache weiterhin den objektiven und subjektiven Anforderungen i.S.d. § 434 BGB-E entspricht. Von der Aktualisierungsverpflichtung sollen daher insbesondere auch Sicherheitsupdates umfasst sein. Auch wenn Sicherheitsmängel oder sicherheitsrelevante Softwarefehler auftreten, die keine Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Sache haben, soll damit eine Aktualisierungsverpflichtung zur Behebung des Sicherheitsmangels bestehen.
Für die Dauer, innerhalb der der Verbraucher Aktualisierungen erwarten kann, sind je nach den Umständen des Einzelfalls verschiedene Aspekte maßgeblich. Dazu können etwa Aussagen in der Werbung, die zur Herstellung der Kaufsache verwendeten Materialien und der Preis gehören. Auch Erkenntnisse über die übliche Nutzungs- und Verwendungsdauer der jeweiligen Kaufsache sollen bei der Auslegung berücksichtigt werden. Hinsichtlich Sicherheitsupdates wird sich die Erwartung des Verbrauchers nach der Begründung des Referentenentwurfs regelmäßig auf einen Zeitraum erstrecken, der über den Zeitraum hinausgeht, in dem der Unternehmer für Mängel haftet.
Die RL 2019/771 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten bis zum 1.7.2021 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen müssen, die erforderlich sind, um der Richtlinie nachzukommen. Diese müssen ab dem 1.1.2022 angewendet werden. Es bleibt abzuwarten, welche Änderungen am Gesetzentwurf noch vorgenommen werden.
Neben der WarenkaufRL müssen dieses Jahr noch weitere Richtlinien umgesetzt werden. Die Umsetzung der RL (EU) 2019/770 über die Bereitstellung digitaler Inhalte und digitale Dienstleistungen ist ebenfalls bis zum 1.7.2021 erforderlich. Zudem muss bis zum 28.11.2021 die sog. Omnibusrichtlinie 2019/2161 umgesetzt werden – hierfür sind neben Änderungen des BGB und des EGBGB zudem Anpassungen des UWG erforderlich.
Den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags können Sie hier abrufen.
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