LG Bielefeld zu den Anforderungen an die Werbung mit Streichpreisen

Preisvergleiche gehören zu den beliebtesten Verkaufsförderungsmaßnahmen. Hierbei müssen jedoch einige Punkte beachtet werden. Das LG Bielefeld (Urt. v. 06.10.2020 – 15 O 9/20) entschied, dass die Werbung mit Streichpreisen im Online-Shop unzulässig sei, wenn die gegenüberstellten Preise nur im stationären Handel, nicht aber im Online-Shop verlangt wurden, und stellte zugleich noch einmal die allgemeinen Anforderungen klar.

Die Beklagte vertreibt sowohl stationär als auch online Fahrräder und Fahrradzubehör. Innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten bot sie online unter anderem zwei Fahrräder und einen Fahrradschlauch an. Allen drei Artikeln wurde in diesem Zeitraum ein durchgestrichener, höherer Preis dem aktuellen Preis gegenübergestellt. Die durchgestrichenen Preise sollten die zuvor verlangten, höheren Preis darstellen und blieben für alle drei Produkte innerhalb der sechs Monate unverändert. Der aktuelle Preis änderte sich jedoch bei einem Fahrrad erst von 2.199,99 € auf 2.222,00 €. Anschließend wurde das Rad umbenannt und der aktuelle Preis mit 2.399,99 € angegeben. Die aktuellen Preise der anderen beiden Produkte blieben gleich.

Die Klägerin, die Wettbewerbszentrale, mahnte die Beklagte ab und verlangte Unterlassung. Sie hielt die Preissenkungen für irreführend, da diese schon mehr als drei oder jedenfalls sechs Monate zurücklagen und der Verkehr davon ausgehe, die Preissenkung sei erst kürzlich erfolgt. Die geforderte Unterlassungserklärung gab die Beklagte jedoch nicht ab. Sie verteidigte sich damit, dass die vorherigen, höheren Preise in einigen Ihrer stationären Verkaufsstellen nach wie vor verlangt würden und somit aktuell seien.

Das LG Bielefeld urteilte, dass der Klägerin ein Unterlassungsanspruch zustehe. Die Darstellung von Streichpreisen, die verschiedene Vertriebswege betreffen, sei für Verbraucher irreführend. Eine Gegenüberstellung der Preise über einen Zeitraum von sechs Monaten sei nur vertretbar, wenn es sich um die unmittelbar zuvor verlangten Preise aus dem Online-Shop handle. Werde der Preis jedoch erneut gesenkt, sei es irreführend, den ursprünglich höchsten Preis weiterhin als vorigen Preis anzugeben.

Preisgegenüberstellung nur bei gleichem Vertriebsweg

Zunächst stellte das Gericht fest, dass es sich bei der Darstellung der tatsächlich verlangten Filialpreise als vormalige Preise des Onlineshops um eine zur Täuschung des Verkehrs geeignete Irreführung handle. Kaufinteressenten würden Preisvergleiche auf demselben Vertriebsweg vornehmen, sodass die Bewertung nur anhand des Online-Shops zu erfolgen habe.

Bei der Darstellung von tatsächlich verlangten Filialpreisen als vormalige Preise des Onlineshops handelt es sich um eine zur Täuschung des Verkehrs geeignete Irreführung. Abzustellen ist auf den konkreten Vertriebsweg, weil davon ausgegangen werden muss, dass die Kaufinteressenten ihren Preisvergleich verschiedener Anbieter auf ein- und demselben Vertriebsweg vornehmen, hier also im Internet. Mithin ist vorliegend ausschließlich der Onlineshop der Beklagten und die dort vorgenommene Preisgestaltung maßgebend. Die Gegenüberstellung von angeblich altem und neuem Preis lässt vermuten, dass es sich um einen alten Preis aus dem Onlineshop, mithin dem gleichen Vertriebsweg, handelt.

Stationärer Handel kein Vergleichskriterium

Weiterhin führte das Gericht aus, dass in der Filiale verlangte Preise nicht als Vergleich dienen können. Entscheidend sei der jeweilige Vertriebsweg, anhand dessen eine Preiskalkulation des Verbrauchers vorgenommen werde. Der Kunde habe kaum ein Interesse daran, höhere Preise aus dem stationären Handel mit denen des Online-Handels zu vergleichen.

Dass dieser stattdessen in dieser Höhe vormals oder immer noch in einer (für den Kunden in der Vergleichssituation im Regelfall ohnehin nicht erreichbaren und daher für die Kaufentscheidung nicht maßgeblichen) Filiale berechnet wird oder worden ist, stellt kein taugliches Vergleichskriterium dar. Insoweit greift das Argument der Beklagten, dass dem Kunden gleichwohl ein Anhaltspunkt für die Wertigkeit des Produktes geliefert wird, zu kurz. Ein solcher Maßstab wird ihm (unabhängig von dessen tatsächlicher Aussagekraft) auch innerhalb des von ihm herangezogenen Vertriebsweges durch Vergleich der aktuellen mit früheren Preisen sowohl desselben Anbieters als auch verschiedener Anbieter zur Verfügung stehen. Insofern liegt es auf der Hand, dass abhängig von dem Vertriebsweg die Preiskalkulation von den jeweiligen Kostenfaktoren abhängig ist. Ein Kunde wird kaum ein Interesse daran haben, die mutmaßlich höheren Preise im stationären Handeln mit denen in dem von ihm gewählten Vertriebsweg des Online-Handels zu vergleichen.

Verbrauchersicht entscheidend

Entscheidend sei die Sicht des durchschnittliche informierten und verständigen Verbrauchers. Dieser werde den durchgestrichenen Preis gerade für den ehemaligen im Online-Shop geforderten Preis halten.

Tatsächlich abzustellen ist hier auf den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, der der Verkaufssituation die angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG § 5 Rn. 1.54), vorliegend jemand, der verschiedene Online-Fahrradhändler miteinander vergleicht und eben nicht in eine Filiale geht. Dieser Verbraucher wird den durchgestrichenen Preis für den ehemaligen Preis aus dem Onlineshop halten. Dieser ist im vorliegenden Fall jedoch schon mindestens sechs Monate nicht mehr verlangt worden.

Anforderungen an die Werbung mit Streichpreisen

Zudem stellte das Gericht noch einmal klar, welche Anforderungen an die Werbung mit Streichpreisen zu stellen sind. Ungeachtet der Frage, ob der durchgestrichene Preis überhaupt im Online-Shop verlangt worden sei, könne ebenso eine Irreführung des Verbrauchers angenommen werden, wenn der durchgestrichene Preis einen längeren Zeitraum über nicht mehr verlangt wurde. Für die Beurteilung seien sowohl das Produkt als auch das Verkaufsmedium entscheidend.

Hier verhält es sich im Übrigen so, dass nicht einmal vorgetragen worden ist, ob der Preis überhaupt schon mal im Onlineshop verlangt wurde. Denn auch eine Gegenüberstellung mit Preisen, die nie zuvor verlangt wurden, ist irreführend […]. Dieselbe Wertung ist vorzunehmen, wenn ein schon länger nicht mehr verlangter vormaliger Preis dem aktuellen Preis gegenübergestellt wird. Gerade insoweit kommt es vor allem auf das Verkaufsmedium und das Produkt an (s. Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG § 5 Rn. 3.122 f.).

Aktuelle Informationen im Online-Shop erforderlich

Insbesondere im Online-Handel würden aktuelle Preisinformationen von Verbrauchern erwartet. Zudem sei dieses Interesse bei langlebigen Gütern höher einzustufen als bei niedrigpreisigen Produkten.

Das Internet ist schnelllebig und kann laufend und leicht aktualisiert werden. Gerade hier werden aktuelle Informationen erwartet. Tatsächlich ist es für einen Händler auch zumutbar, seine Preise sowie im Fall von Gegenüberstellungen auch seine vorigen laufend zu aktualisieren. Bei Fahrrädern als eher langlebigen Wirtschaftsgüter von einem oftmals nicht unbeträchtlichen Wert sind ehemalige Preise und Preissenkungen für Kunden gerade interessant. Bei eher niedrigpreisigen Produkten wie hier dem „S. Schlauch“  und nur zu erwartenden geringfügigen Preissenkungen mag dieses Interesse geringer, aber keinesfalls auszuschließen sein.

Gesenkter Preis über sechs Monate noch vertretbar

Die Gegenüberstellung von Preisen innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten im Online-Shop sei vertretbar, so das Gericht. Dies gelte jedoch nur, wenn dies auch die dort unmittelbar zuvor geforderten Preise seien. Zudem müsse der gegenübergestellte höhere Preis bis unmittelbar vor der Preissenkung gegolten haben und über eine angemessene Zeit gefordert worden sein. Bei langlebigen Produkten, wie vorliegend Fahrrädern, konkretisierte das Gericht diesen Zeitraum auf sechs Monate. Wird der Preis in der Zwischenzeit erneut gesenkt, sei es unzulässig, weiterhin den höchsten und nicht den vorherigen Preis anzugeben.

Generell ist eine Gegenüberstellung der Preise über einen Zeitraum von sechs Monaten vertretbar, wenn es sich um die unmittelbar zuvor verlangten Preise aus dem Onlineshop handelt. Bei einer erneuten Preissenkung ist es schlichtweg irreführend, den ursprünglich höchsten Preis weiterhin als vorigen Preis anzugeben. Es ist selbstverständlich, dass der gegenübergestellte höhere Preis bis unmittelbar vor die Preissenkung gegolten haben muss (Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG § 5 Rn. 3.113). Dieser Referenzpreis muss gemäß § 5 Abs. 4 UWG dann auch für eine angemessene Zeit, bei langlebigen Wirtschaftsgütern wie Fahrrädern (s.o.) für mindestens sechs Monate, gegolten haben.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die von der Beklagten eingelegte Berufung ist beim OLG Hamm anhängig.

Fazit

Rabattwerbung ist immer wieder Gegenstand von Abmahnungen. Bereits 2016 hat der BGH entschieden, dass Verbraucher einen durchgestrichenen Preis als den zuvor geforderten Preis erkennen und dieser grundsätzlich nicht weiter erklärt werden muss. Daneben bestehen jedoch noch weitere Anforderungen. Die Grundsätze hat das LG Bielefeld nun noch einmal klargestellt. Mehr zur Werbung mit Streichpreisen erfahren Sie hier.

Alexander Kirch/Shutterstock.com

27.01.21