Seit dem 13.1.2018 sind nach § 270a BGB zusätzliche Gebühren für eine Zahlung per SEPA-Lastschrift, SEPA-Überweisung oder Zahlungskarte unwirksam. Nachdem das LG München entschied, dass diese Regelung auch auf Verträge Anwendung findet, die schon vor diesem Zeitpunkt geschlossen wurden, hat das OLG München (Beschl. v. 1.10.2020 – 29 U 6221/19) das entsprechende Verfahren ausgesetzt und diese Frage dem EuGH vorgelegt.
Die Vodafone Kabel Deutschland GmbH differenzierte in ihren AGB bezüglich Bestands- und Neuverträgen. Für Bestandskunden verwendete sie die Klausel: „Selbstzahlerpauschale: Pauschale je Zahlung ohne Bankeinzug €2,50“. Für Vertragsschlüsse ab dem 13.1.2018 gilt eine andere Preisliste, in der diese Klausel nicht mehr enthalten ist. Hintergrund ist das Inkrafttreten des § 270a BGB. Die Verbraucherzentrale Bundesverband mahnte Vodafone daraufhin ab und verlangte neben der Abgabe einer Unterlassungserklärung auch Ersatz der Abmahnkosten. Diesen Forderungen kam Vodafone nicht nach. Die Verbraucherzentrale klagte daher auf Unterlassung und Zahlung.
Das Problem liegt im vorliegenden Fall in der zeitlichen Anwendbarkeit des § 270a BGB. Hierfür findet sich in Art. 229 § 45 Abs. 5 EGBGB folgende Regelung:
(5) § 270a des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist auf alle Schuldverhältnisse anzuwenden, die ab dem 13. Januar 2018 entstanden sind.
§ 270a BGB wiederum setzt Art. 64 Abs. 4 RL (EU) 2015/2366 (PSD2-RL) um:
(4) Die Mitgliedstaaten stellen in jedem Fall sicher, dass der Zahlungsempfänger keine Entgelte für die Nutzung von Zahlungsinstrumenten verlangt, für die mit Kapitel II der Verordnung (EU) 2015/751 Interbankenentgelte festgelegt geregelt werden, und für die Zahlungsdienstleistungen, auf die die Verordnung (EU) Nr. 260/2012 anwendbar ist.
Unstreitig war, dass diese „Selbstzahlerpauschale“ von der Vodafone Kabel Deutschland GmBH nur auf solche Vertragsverhältnisse angewendet wurde, die vor dem 13.1.2018 entstanden sind. Die Vorinstanz, das LG München, legte die Übergangsvorschrift in Art. 229 § 45 Abs. 5 EGBGB allerdings dahingehend aus, dass die Vorschrift auch auf einen Zahlungsvorgang anzuwenden sei, wenn das Schuldverhältnis bereits vor dem 13.1.2018 entstanden ist, mit dem Zahlungsvorgang jedoch erst nach diesem Zeitpunkt begonnen wird.
Diese Auffassung vertritt auch das OLG München. Das Gericht neige dazu, die Regelung des § 270a BGB auch dann für anwendbar zu halten, wenn das den Zahlungen zugrundeliegende Dauerschuldverhältnis vor dem 13.1.2018 geschlossen wurde, mit der Abwicklung von (weiteren) Zahlungsvorgängen hieraus aber erst nach diesem Stichtag begonnen wird, weil beispielsweise – wie im vorliegenden Fall – Kabelnutzungs- oder Internetprovidergebühren in periodischen, in der Regel monatlichen Abständen fällig werden. Hierfür spreche auch der Wortlaut in der zugrunde liegenden Richtlinie.
Maßgeblich ist hierbei nach Auffassung des vorlegenden Gerichts, dass Art. 62 Absatz 4 der Richtlinie (EU) 2015/2366 allein auf die Nutzung von Zahlungsinstrumenten und Zahlungsdienstleistungen abhebt, für die er im Wege der Vollharmonisierung für die Zeit nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 13.01.2018 ein Verbot von Zusatzentgelten beim Zahlungsempfänger anordnet. Auf die Entstehung des den Zahlungen zugrundeliegenden Schuldverhältnisses stellt die Richtlinie demgegenüber nicht ab.
Für dieses Verständnis spreche auch Erwägungsgrund 6 RL (EU) 2015/2366, wonach die unionsweit einheitliche Anwendung des rechtlichen Rahmens für den Zahlungsverkehr sichergestellt, bestehenden sowie neuen Marktteilnehmern gleichwertige Bedingungen für ihre Tätigkeit garantiert und ein hohes Maß an Verbraucherschutz bei der Nutzung von Zahlungsdienstleistungen in der Union als Ganzes gewährleistet werden sollen. Zudem sieht das Gericht seine Auffassung ebenfalls durch den 66. Erwägungsgrund gestützt.
Nach Erwägungsgrund (66) sollen die unterschiedlichen Vorgehensweisen in den einzelnen Ländern bei der Entgeltberechnung, die zu einer enormen Heterogenität des Zahlungsverkehrsmarktes in der Union geführt und bei den Verbrauchern Verwirrung ausgelöst haben, vereinheitlicht werden, indem Zahlungsempfängern untersagt wird, Entgelte für die Verwendung bestimmter Zahlungsinstrumente zu fordern. Diese unionsweite Vereinheitlichung wäre infrage gestellt, wenn bei Dauerschuldverhältnissen auch in Zukunft für eine unabsehbare Zeit unterschiedliche Entgeltberechnungen in den Mitgliedstaaten zulässig wären, weil es vermeintlich auf den Zeitpunkt des Entstehens des Schuldverhältnisses nach nationalem Recht und nicht auf den Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie am 13.01.2018 ankommen soll.
Die deutsche Umsetzung der Übergangsvorschrift in Art. 229 § 45 Abs. 5 EGBGB stelle hingegen nur auf die Entstehung des Schuldverhältnisses ab. Auch die juristische Literatur sei sich uneins bei der Beantwortung der Frage nach der zeitlichen Anwendbarkeit.
In der Literatur wird deshalb zum Teil eine strikte Anwendung nur auf ab dem 13.01.2018 geschlossene Neuverträge vertreten (Palandt/Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 79. Auflage, EGBGB 229 § 45, Randnummer 3). Soweit andernorts eine Einschränkung bei Dauerschuldverhältnissen befürwortet wird, stellt sich im nationalen Recht die Frage, ob die für eine analoge Anwendung von Art. 229 § 45 Absatz 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch notwendige planwidrige Regelungslücke besteht, zumal der deutsche Gesetzgeber seitens der akademischen Lehre im Gesetzgebungsverfahren auf das bei Dauerschuldverhältnissen entstehende Problem hingewiesen worden ist, Art. 229 § 45 Absatz 5 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch aber dennoch unverändert verabschiedet hat (Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch/Casper, 7. Auflage, EGBGB Art. 229 § 45, Randnummer 6 und Fußnote 6; beckonline Grosskommentar/Zahrte, Stand 1.9.2020, EGBGB Art. 229 § 45, Randnummern 24 und 24.1).
Da das Gericht davon ausgeht, dass § 270a BGB ab dem 13.1.2018 uneingeschränkt angewendet werden müsse, unabhängig vom Entstehungszeitpunkt des Schuldverhältnisses, möchte das Gericht vom EuGH beantwortet wissen, ob die anderslautende nationale Umsetzung in Art. 229 § 45 Abs. 5 EGBGB zulässig ist.
Ist Art. 62 Absatz 4 der Richtlinie (EU) 2015/2366 so auszulegen, dass er einer nationalen Regelung oder Gepflogenheit entgegensteht, die als Übergangsregelung bei Dauerschuldverhältnissen mit Verbrauchern das Verbot von Entgelten für die Nutzung von Zahlungsinstrumenten und Zahlungsdienstleistungen nach der entsprechenden nationalen Umsetzungsvorschrift nur eingreifen lässt, wenn das zugrundeliegende Schuldverhältnis ab dem 13.01.2018 entstanden ist, nicht jedoch wenn das zugrundeliegende Schuldverhältnis vor dem 13.01.2018 entstanden ist, mit der Abwicklung (weiterer) Zahlungsvorgänge aber erst ab dem 13.01.2018 begonnen wird?
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