Tausende von Internethändlern haben bereits Bekanntschaft mit dem IDO, dem Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e. V. (IDO) aus Leverkusen, gemacht. Der Verein mahnt seit Jahren insbesondere Online-Händler ab, die über eBay oder Amazon verkaufen. Nach unserem Eindruck haben viele Betroffene die Tragweite einer Abmahnung des IDO nicht ganz ernst genommen, da eine Abmahnung des IDO „nur“ ca. 230,00 Euro kostet. Dementsprechend oft haben viele der Abgemahnten in der Vergangenheit gegenüber dem IDO eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Eine solche Erklärung kann jedoch schnell zur Kostenfalle werden: Anders als viele andere Abmahner und Abmahnvereine überprüft der IDO abgegebene Unterlassungserklärungen sehr intensiv, um bei Verstößen eine Vertragsstrafe von mehreren tausend Euro geltend zu machen. Besonders haftungsträchtig sind nach unserer Erfahrung Unterlassungserklärungen, die sich auf sehr fehleranfällige Punkte beziehen, z.B. fehlende Grundpreisangaben oder die Werbung mit einer Garantie ohne Information zu den Garantiebedingungen.
Falls auch Sie eine Unterlassungserklärung gegenüber dem IDO – Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e. V. abgegeben haben, nehmen Sie gerne mit uns Kontakt auf. Unsere Partnerkanzlei schaut sich an, ob eine Kündigung in Ihrem Fall in Betracht kommt und spricht diese dann auch gerne für Sie aus.
Regelungen zu Abmahnungen finden sich im UWG. Der Gesetzgeber hat durch das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ das UWG in vielen Punkten geändert. Die Gesetzesänderung ist heute am 2.12.2020 in Kraft getreten.
Wichtig für Online-Händler: Bisher wurden Internethändler häufig mit hohen Kosten aufgrund von fehlenden oder falschen Informationen abgemahnt, z.B. bei Angaben zu Impressum, Widerrufsbelehrung oder Verlinkung auf die OS-Plattform. Zukünftig dürfen Wettbewerber derartige Verstöße nur noch ohne Abmahnkosten abmahnen. Bei einem erstmaligen Verstoß darf zudem nur noch eine Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafe gefordert werden. Die neuen Regelungen im UWG sind jedoch noch sehr viel weitergehender.
So hat der Gesetzgeber auch die Regelungen zum Rechtsmissbrauch erheblich erweitert. In der Neuregelung des § 8c Abs. 2 UWG gibt es nunmehr viele Beispiele, in welchen Fällen von Gesetzes wegen ein Rechtsmissbrauch anzunehmen ist. Genau an dieser Stelle wird es für Internethändler interessant:
Wenn aufgrund einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung eine Unterlassungserklärung abgegeben wurde, kann der Abgemahnte die Unterlassungserklärung kündigen. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 14.02.2019 – I ZR 6 /17 – „Kündigung der Unterlassungsvereinbarung“) kann ein rechtsmissbräuchliches Verhalten im UWG einen wichtigen Grund darstellen, der zur Kündigung der abgegebenen Unterlassungserklärung berechtigt. Eine Kündigung gilt zwar immer nur für die Zukunft. Wenn zum Zeitpunkt der Kündigung wegen Rechtsmissbrauchs bereits eine Vertragsstrafe geltend gemacht wurde, kann der Forderung aber der Einwand des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB entgegengesetzt werden.
Mehrere Gerichte haben bei Abmahnungen des IDO bereits einen Rechtsmissbrauch angenommen. Sowohl das Landgericht Heilbronn (Urt. v. 20.12.2019 – 21 O 38/19 KFH, nicht rechtskräftig) als auch das Oberlandesgericht Rostock (Beschl. v. 31.8.2020 – 2 U5/19) nehmen an, dass der IDO rechtsmissbräuchlich handelt, da die eigenen Mitglieder planmäßig nicht abgemahnt werden. Nach unserer Einschätzung scheint es eine Art „Abmahnschutz“ des IDO gegenüber seinen eigenen Mitgliedern zu geben. Das Oberlandesgericht Celle (Urt. v. 26.3.2020 – 13 U 73 / 19) nimmt beim IDO im Übrigen einen Rechtsmissbrauch aufgrund der Mitgliederstruktur an. All diese Urteile betreffen letztlich Einzelfälle.
Die Neuregelungen des UWG zum Rechtsmissbrauch durch das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ könnten jedoch dazu führen, dass viele Abmahnungen des IDO aus der Vergangenheit nach der neuen Rechtslage nachträglich als rechtsmissbräuchlich zu bewerten sein könnten. Folge könnte ein Kündigungsrecht des abgemahnten Händlers sein. Insbesondere § 8c Abs. 2 Nr. 5 UWG könnte für den IDO zu einem Problem werden:
Es ist jetzt rechtsmissbräuchlich, wenn eine Abmahnung eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung beigefügt ist, die offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht. Der IDO fügt einer Abmahnung regelmäßig eine vorformulierte Unterlassungserklärung bei. Aus unserer langjährigen Beratungspraxis wissen wir, dass bei einigen Abmahnthemen des IDO die beigefügte Unterlassungserklärung oft zu weitreichend war und über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausging. Die zu weitreichenden Unterlassungserklärungen des IDO in einer Abmahnung betreffen insbesondere Abmahnungen wegen fehlender Grundpreise und wegen der Werbung mit einer Herstellergarantie ohne Informationen zu den Garantiebedingungen.
Inwieweit die Neuregelungen des UWG auf Abmahnungen in der Vergangenheit Anwendung finden, ist zum jetzigen Zeitpunkt ungeklärt. Ein Ansatzpunkt für die Anwendbarkeit der geänderten Vorgaben auf Altfälle könnte sich jedoch aus der Überleitungsvorschrift des § 15a UWG ergeben. Ganz bewusst hat der Gesetzgeber geregelt, dass Neuregelungen zur Aktivlegitimation von Verbänden nicht anzuwenden sind, wenn entsprechende Verfahren bereits rechtshängig sind. Die neuen Formvorschriften des UWG, die neuen Regelungen zu den Abmahnkosten und die neuen Regelungen zur Vertragsstrafe finden ferner keine Anwendung, wenn eine entsprechende Abmahnung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes beim Abgemahnten bereits zugegangen war.
Übergangsregelungen zum Rechtsmissbrauch gibt es jedoch nicht. Ein Gericht müsste nach unserer Auffassung somit die Rechtslage zum Zeitpunkt der Kündigung berücksichtigen. Formell gesehen gilt nach unserer Auffassung somit die Neuregelung zum Rechtsmissbrauch des § 8c Abs. 2 UWG auch für Abmahnungen aus der Vergangenheit.
Gerade bei Unterlassungserklärungen gegenüber dem IDO, die das weitreichende Thema Grundpreise betreffen, empfehlen wir die Prüfung, ob die Unterlassungserklärung wegen Rechtsmissbrauchs gekündigt werden kann. Bei kaum einem anderen Abmahnthema macht der IDO so häufig Vertragsstrafen geltend. Auch eine Unterlassungserklärung wegen einer Garantiewerbung kann sehr weitreichend sein.
Betroffene Internethändler sollten mit einer Kündigung nicht zu lange warten. Nachdem die Gesetzesänderung nunmehr in Kraft getreten ist, besteht rechtlich nur ein relativ kurzes Zeitfenster, um kein Problem mit der Kündigungsfrist zu bekommen.
Wir dürfen darauf hinweisen, dass die Rechtslage zum jetzigen Zeitpunkt noch ungeklärt ist. Urteile gibt es zu dieser Thematik noch nicht. Auf der anderen Seite ist die Gesetzesänderung eine historische Chance, die Sie als Internethändler nutzen sollten, wenn Sie gegenüber dem IDO in der Vergangenheit eine Unterlassungserklärung abgegeben haben.
Falls auch Sie eine Unterlassungserklärung gegenüber dem IDO – Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e. V. abgegeben haben, nehmen Sie gerne mit uns Kontakt auf. Unsere Partnerkanzlei schaut sich an, ob eine Kündigung in Ihrem Fall in Betracht kommt und spricht diese dann auch gerne für Sie aus.
Rechtsanwalt Johannes Richard ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Partner der Kanzlei Richard & Kempcke. Er betreibt die Internetseite internetrecht-rostock.de und berät seit vielen Jahren Shopbetreiber und Abgemahnte.
peterschreiber.media/Shutterstock.com