Kundenbewertungen sind sehr beliebt und beeinflussen die Kaufentscheidung vieler Verbraucher. Das gilt gerade auch in den sozialen Medien. Als eine Möglichkeit, Bewertungen zu erhalten, wird häufig die Teilnahme an einem Gewinnspiel genutzt. Das OLG Frankfurt a.M. (Urt. v. 20.8.2020 – 6 U 270/19) entschied, dass die Verwendung solcher Bewertungen irreführend ist, die für die Teilnahme an einem Gewinnspiel abgegeben wurden.
Die beiden Parteien vertreiben Whirlpools über Online-Shops. Die Beklagte bot auf Facebook ein Gewinnspiel unter folgender Werbung an: „Wie Du gewinnen kannst? Ganz einfach: Diesen Post liken, kommentieren, teilen; unsere Seite liken oder bewerten. Jede Aktion erhält ein Los und erhöht so Deine Gewinnchance!“ Mit ihren Facebook-Bewertungen und der dort erzielten guten Durchschnittsnote warb die Beklagte dann bei „Google My Business“ und bei „11880.com“.
Das LG Frankfurt a.M. (Urt. v. 4.12.2018 – 3-6 O 47/18) hatte die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, mit Bewertungen zu werben, wenn auf diese Bewertungen durch die Ermöglichung der Teilnahme an dem Gewinnspiel als Gegenleistung für die Abgabe einer Bewertung Einfluss genommen wurde. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Die Beklagte hatte bereits im vorausgegangenen Eilverfahren keinen Erfolg.
Das OLG Frankfurt a.M. entschied nun, dass die Werbung mit solchen Bewertungen irreführend sei.
Das Gericht hob zunächst die Bedeutung von Bewertungen hervor und stellte zunächst klar, dass ein Kunde, der eine Bewertung abgibt, in seinem Urteil frei und unabhängig sein müsse.
Äußerungen Dritter wirken in der Werbung objektiv und werden daher im Allgemeinen höher bewertet als eigene Äußerungen des Werbenden (Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm, 37. Aufl., § 5 Rn 1.165). Die Werbung mit bezahlten Empfehlungen ist daher unzulässig. Ein Kunde, der eine Empfehlung ausspricht, muss in seinem Urteil frei und unabhängig sein. Ein zu Unrecht erzeugter Anschein der Objektivität ist irreführend. Eine Ausnahme gilt nur für Empfehlungen Prominenter in der Werbung, da der Verkehr weiß, dass der bekannte Name nicht unentgeltlich verwendet werden darf (Bornkamm/Feddersen aaO Rn 1.166).
Die Bewertungen seien zumindest teilweise nicht frei und unabhängig abgegeben worden, sondern nur für die Möglichkeit der Teilnahme am Gewinnspiel. Auch wenn es sich nicht um „bezahlte“ Bewertungen im Wortsinn handle, seien sie nicht als objektiv anzusehen.
Es ist davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Bewertungen nur deshalb abgegeben wurde, weil die Bewerter durch die Gewinnspielteilnahme „belohnt“ wurden. Es liegt auch auf der Hand, dass Bewertungen aus Anlass des Gewinnspiels eher positiv ausfallen. Es ist damit zwar keine „bezahlte“ Empfehlung im Wortsinn gegeben. Gleichwohl sind die Bewertungen nicht als objektiv anzusehen. Besucher der Seiten der Antragsgegnerin auf den Plattformen Facebook, Google My Business und 11880.com, die die Werbung mit der hohen Anzahl an Bewertungen und der hohen Durchschnittspunktzahl sehen, gewinnen demgegenüber den Eindruck grundsätzlich objektiver Bewertungen. Sie werden irregeführt.
Die Beklagte versuchte sich damit zu verteidigen, dass diese Grundsätze nur auf Produktbewertungen Anwendung finden, es sich vorliegend jedoch um Bewertungen der Facebook-Seite handle. Dies mache jedoch keinen wesentlichen Unterschied.
Vorliegend bewerten Nutzer von Social-Media-Plattformen die Facebook-Seite der Antragsgegnerin. Dies macht keinen wesentlichen Unterschied. Der Durchschnittsverbraucher geht davon aus, dass nur zufriedene Kunden oder solche Verbraucher, die das gesehene Angebot für überzeugend halten, den Social-Media-Auftritt positiv bewerten. Die Anzahl der Bewertungen lässt außerdem auch Rückschlüsse auf die Bekanntheit des Unternehmens und seiner Produkte zu. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kann nicht angenommen werden, dass alle Besucher der Seite die Bewertungen inhaltlich durchgehen und daher selbst erkennen, dass sie teilweise nur anlässlich des Gewinnspiels abgegeben wurden.
Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass Besuchern sozialer Medien solche Praktiken bei der Generierung von Bewertungen so geläufig seien, dass sie solchen Bewertungen keine Aussagekraft zumessen. Würde dies zutreffen, hätte die Beklagte für die Abgabe von Bewertungen sicher keine werthaltige Belohnung ausgesetzt, so das Gericht.
Erfolglos versuchte die Beklagte sich damit zu verteidigen, dass die Abgabe einer Bewertung keine Voraussetzung für die Teilnahme am Gewinnspiel war, sondern ein Liken allein schon genügt hätte.
Vielmehr sei es für die Teilnahme ausreichend gewesen, die Facebook-Seite der Antragsgegnerin bzw. den Gewinnspielpost zu „liken“, zu kommentieren oder zu teilen. Tatsächlich war es so, dass „jede Aktion“ ein Los erhält und die Gewinnchancen erhöht (Anlage CF1, S. 6). Ein Teilnehmer, der möglichst gute Gewinnchancen haben möchte, wird also nach Möglichkeit von mehreren oder allen Aktionen Gebrauch machen, die ein Los einbringen.
Die Irreführung sei auch dazu geeignet gewesen, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Der Begriff „geschäftliche Entscheidung“ erfasst außer der Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten eines Geschäfts (vgl. BGH GRUR 2016, 1076 - LGA tested) oder - wie hier - den Zugang zu einem im Internet angebotenen Produkt über eine Werbeseite, um sich mit dem Produkt im Detail zu beschäftigen (vgl. BGH, Urteil vom 7.3.2019 - I ZR 184/17 - Energieeffizienzklasse III, Rn 29, juris). Die Werbung mit einer hohen Zahl ganz überwiegend positiver Bewertungen ist geeignet, Verbraucher dazu zu veranlassen, sich mit dem Angebot der Antragsgegnerin näher zu befassen (…).
Es sei unerheblich, dass die Klägerin lediglich bei zwei der insgesamt 4.000 Bewertungen nachgewiesen hat, dass sie tatsächlich durch das Gewinnspiel veranlasst wurden.
Es liegt nämlich ohne weiteres nahe, dass durch die Gewinnspielauslobung eine erhebliche Zahl an Bewertungen generiert wurde. Die Beeinflussung muss sich dabei nicht explizit aus dem Text der Bewertung ergeben. Bei der Mehrzahl der beeinflussten Bewertungen dürfte sich die Einflussnahme auch nicht direkt aus dem Bewertungstext erschließen. Der Klägerin waren danach weitere substantiierte Darlegungen zur tatsächlichen Anzahl der von dem Gewinnspiel beeinflussten Bewertungen gar nicht möglich. Bei dieser Sachlage spricht viel dafür, dass die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast dafür triff, dass außer den beiden mit der Klage vorgelegten Bewertungen keine weiteren auf das Gewinnspiel zurückzuführen sind. Schließlich hat sie den Zusammenhang zwischen den Bewertungen und dem Gewinnspiel selbst geschaffen.
Zugunsten der Klägerin spreche ein Anscheinsbeweis, dass ein erheblicher Teil der Bewertungen wegen des Gewinnspiel abgegeben wurde. Diesen habe die Beklagte durch ihren Vortrag nicht erschüttert.
Die Beklagte konnte sich zudem nicht darauf berufen, dass die beanstandeten Bewertungen bei Google My Business nur vorhanden seien, weil diese automatisch gecrawlt wurden.
Zum einen hat die Beklagte die Möglichkeit, dass die durch das Gewinnspiel genierieten Bewertungen auch auf dem Google My Business Profil erscheinen, durch die Verknüpfung des Gewinnspiels mit den Bewertungen selbst gesetzt. Und nur sie kann es auch stoppen, indem sie die Teilnahmebedingungen ändert. Zum anderen entlastet die Beklagte aber auch der Automatismus durch das Crawlen nicht. Die Beklagte hat nämlich durch das Gewinnspiel einen fortdauernden Störungszustand geschaffen. Der Unterlassungstitel verpflichtet sie deshalb auch zur Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störerzustands. Zu den danach geschuldeten Maßnahmen kann auch die Einwirkung auf Dritte gehören, wenn ihr deren Handeln wirtschaftlich zugutekommt und sie mit (weiteren) Verstößen ernstlich rechnen muss, soweit sie rechtliche oder tatsächliche Einflussmöglichkeiten hat (BGH, Urteil vom 12.7.2018 - I ZB 86/17 = GRUR 2018, 1183 - Wirbel um Bauschutt). Das ist hier der Fall. Dass ihr ein Einwirken auf Google bzw. die sonst relevanten Crawler-Dienste nicht möglich ist, macht die Beklagte nicht geltend.
Das Urteil ist nicht noch nicht rechtskräftig. Gegen die Nichtzulassung der Revision kann die Beklagte beim Bundesgerichtshof Beschwerde einlegen.
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