Die Abmahnung war ursprünglich dazu gedacht, für fairen Wettbewerb zu sorgen. Leider wird sie jedoch immer wieder von Händlern und ihren Anwälten dafür missbraucht, Gebühren geltend machen zu können. Das LG Bochum (Urt. v. 26.3.2019 – I-12 O 4/19) entschied, dass Ersatzansprüche des Abgemahnten wegen einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung innerhalb von sechs Monaten verjähren.
Der Beklagte mahnte die Klägerin am 20.4.2018 wegen der Verletzung von Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr ab und forderte gleichzeitig die Erstattung der Abmahnkosten i.H.v. 500 € bis zum 4.5.2018. Die Klägerin hielt die Abmahnung für rechtsmissbräuchlich, beauftragte einen Rechtsanwalt und verlangte Ersatz der ihr entstandenen Anwaltskosten. Am 30.10.2018 beantragte sie einen Mahnbescheid, mit dem die Kosten für die Abwehr der für rechtsmissbräuchlich gehaltenen Abmahnung geltend gemacht werden sollten. Hiergegen legte der Beklagte Widerspruch ein.
Das LG Bochum entschied, dass der Anspruch der Klägerin verjährt sei, und wies die Klage ab.
Nach § 8 Abs. 4 UWG besteht für denjenigen, der rechtsmissbräuchlich abgemahnt wurde, ein Aufwendungsersatzanspruch:
(4) Die Geltendmachung der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche ist unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. In diesen Fällen kann der Anspruchsgegner Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen. Weiter gehende Ersatzansprüche bleiben unberührt.
Für die Verjährung bestimmt § 11 Abs. 1, 2 UWG:
(1) Die Ansprüche aus §§ 8, 9 und 12 Absatz 1 Satz 2 verjähren in sechs Monaten.
(2) Die Verjährungsfrist beginnt, wenn
1.der Anspruch entstanden ist und
2.der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. […]
Das Gericht stellte klar, dass für den Anspruch bei rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen dieselbe Verjährungsfrist gelte wie für den herkömmlichen Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten – grundsätzlich sechs Monate. Der Wortlaut des § 11 UWG sei eindeutig.
Gemäß § 11 UWG verjähren Ansprüche unter anderem aus § 8 UWG in 6 Monaten. Ein Anspruch aus § 8 UWG ist auch der Aufwendungsersatzanspruch des rechtsmissbräuchlich Abgemahnten aus § 8 Abs. 4 S. 2 UWG. Der Wortlaut des § 11 ist eindeutig und damit - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht auslegungsfähig.
Für den Beginn der Verjährungsfrist sei der Zugang der Abmahnung entscheidend. Ein anderer Zeitpunkt sei mit dem Gedanken des § 11 UWG, möglichst schnell für Rechtsklarheit zu sorgen, nicht zu vereinbaren.
Zweifelhaft ist insoweit hier nur, wann der streitgegenständliche Aufwendungsersatzanspruch entsteht. Zu dieser Frage liegen – soweit ersichtlich – bislang keine Stellungnahmen aus Rechtsprechung und Literatur vor. Trotz der beachtlichen entgegenstehenden Argumente geht die Kammer im Ergebnis davon aus, dass der Anspruch entstanden ist, sobald das Abmahnschreiben zugegangen ist. Dafür spricht zunächst die Erwägung, dass es ansonsten der Abgemahnte in der Hand hätte, wann er Aufwendungen, z.B. in Form der Beauftragung eines Rechtsanwalts, entstehen lassen will. Er könnte möglicherweise erst nach Monaten das Abmahnschreiben einem Rechtsanwalt vorlegen. Erst dann die Verjährungsfrist beginnen zu lassen, dürfte sich kaum mit dem Gedanken des § 11 UWG, möglichst schnell Klarheit zu schaffen, vereinbaren. Dementsprechend wird auch bei dem nahezu spiegelbildlich formulierten Aufwendungsersatzanspruch des berechtigt Abmahnenden (§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG) angenommen, dass für den Beginn der Verjährung nicht erforderlich ist, dass bereits Aufwendungen entstanden sind (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 11 Rn. 1.19).
Im vorliegenden Fall war der Anspruch der Klägerin damit verjährt.
Da die Klägerin bereits am 29.04.2018 per E-Mail ihren Bevollmächtigten informiert hat, lag ihr spätestens zu diesem Zeitpunkt das Abmahnschreiben vor. Da es sich bei diesem Tag um einen Sonntag handelt und die Abmahnung offenbar per Post übersandt worden ist, dürfte sie sogar noch mindestens einen Tag früher zugegangen sein. Der Lauf der Verjährung begann daher spätestens am 29.04.2018. Bei Beantragung des Mahnbescheides am 30.10.2018 war daher bereits Verjährung eingetreten.
Die Frage, ob überhaupt eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung vorlag, musste das Gericht damit gar nicht mehr entscheiden, auch wenn es zu dieser Annahme tendierte.
Bei dieser Sachlage kam es nicht mehr darauf an, ob – wozu die Kammer im Hinblick auf die Höhe des geforderten Aufwendungsersatzes und die Nichtweiterverfolgung des Anspruchs allerdings neigt – überhaupt einen Anspruch aus § 8 Abs. 4 S. 2 UWG entstanden ist. Die Klage war vielmehr wegen der eingetretenen Verjährung mit der gesetzlichen Kostenfolge abzuweisen.
Nicht jede Abmahnung ist berechtigt. Widerstand zahlt sich häufig aus. Dieser Fall zeigt noch einmal, dass anwaltliche Beratung nach einer Abmahnung dringend zu empfehlen ist – und zwar durch einen Anwalt, der auf Abmahnungen im E-Commerce spezialisiert ist.
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