§ 1 Abs. 4 PAngV bestimmt, dass ein Pfand nicht in den Gesamtpreis einzubeziehen ist, sondern dessen Höhe neben dem Preis anzugeben ist. Die Vorschrift findet allerdings keine Grundlage im Unionsrecht und ist deshalb nach Ansicht einiger Gerichte nicht mehr anwendbar. Das OLG Köln (Urt. v. 6.3.2020 – 6 U 89/19) entschied nun jedoch, dass ein Pfand nach wie vor nicht in den Gesamtpreis einzurechnen sei. Es gibt jedoch auch gegenteilige Entscheidungen.
Die Beklagte warb in einem Prospekt für Getränke, die in Pfandflaschen verkauft werden. Auf der Titelseite bewarb sie einen Kasten Bier zu einem Preis von 10,49 €. In diesem Preis war das Pfand nicht eingerechnet, sondern zusätzlich mit „zzgl. 3,10 € Pfand“ ausgewiesen. Im Innenteil des Prospekts wurde entsprechend für andere pfandpflichtige Getränke geworben. Der Kläger, ein Wettbewerbsverein, mahnte die Beklagte daraufhin ab. Er ist der Ansicht, dass ein Gesamtpreis einschließlich des Pfandes anzugeben sei und § 1 Abs. 4 PAngV mangels Grundlage im Unionsrecht nicht mehr angewendet werden dürfe. Die Beklagte gab jedoch weder die geforderte Unterlassungserklärung ab noch zahlte sie die Abmahnkosten, woraufhin der abmahnende Wettbewerbsverband klagte.
Das LG Köln (Urt. v. 3.4.2019 – 84 O 256/18) hatte die Klage in erster Instanz abgewiesen. Hiergegen legte der Kläger Berufung ein. Das OLG Köln entschied nun, dass dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche nicht zustehen und die Vorschrift des § 1 Abs. 4 PAngV nach wie vor Anwendung finde.
Entsprechend hatten bereits das OLG Dresden (Urt. v. 17.9.2019 – 14 U 807/19), LG Leipzig (Urt. v. 29.3.2019 – 1 HK O 325/19) und LG Bonn (Urt. v. 3.7.2019 – 12 O 85/18 entschieden, dass ein Pfand kein Bestandteil des Gesamtpreises sei.
Zunächst stellte das Gericht klar, dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch des Klägers schon im Ansatz daran scheitere, dass das beanstandete Verhalten der Beklagten dem geltenden Recht, nämlich § 1 Abs. 4 PAngV, entspricht.
Danach ist dann, wenn der Anbieter zusätzlich eine rückerstattbare Sicherheit wie z.B. ein Flaschenpfand fordert, deren Höhe neben dem Preis für die Ware gesondert anzugeben und gerade kein Gesamtbetrag zu bilden; die Einbeziehung der Sicherheit in den Gesamtpreis ist nicht nur nicht geboten sondern sogar unzulässig.
Auch das OLG Köln stellte klar, dass § 1 Abs. 4 PAngV keine Grundlage im europäischen Recht habe. Nach Art. 10 PreisangabenRL (RL 98/6/EG) sind zwar nationale Ausnahmen möglich, allerdings dürfen die Mitgliedstaaten der EU seit dem 12.6.2013 keine Regelungen vorsehen, die strenger sind als das EU-Recht. Das bestimmt Art. 3 Abs. 5 S. 1 UGP-RL (RL über unlautere Geschäftspraktiken; RL 2005/29/EG).
§ 1 Abs. 4 PAngV hat zwar keine Grundlage im Unionsrecht. Weder die Preisangaben-RL noch die UGP-RL kennen eine entsprechende Vorschrift. § 1 Abs. 4 PAngV könnte daher als gegenüber Art. 7 Abs. 4 lit c) der UGP-RL strengere Klausel anzusehen sein und damit der Verfallklausel des Art. 3 Abs. 5 UGP-RL unterliegen, nach der die Mitgliedsstaaten in dem durch die UGP-RL angeglichenen Bereich nur bis zum 12.06.2013 nationale Vorschriften beibehalten konnten, die milder oder strenger als die UGP-RL sind (und außerdem zur Umsetzung von Richtlinien erlassen wurden und Klauseln über eine Mindestangleichung enthalten).
Es könne jedoch dahinstehen, ob die Vorschrift nach dem 12.6.2013 noch angewendet werden dürfe. Vorliegend sei die Frage entscheidend, ob die Einhaltung und Beachtung des geltenden § 1 Abs. 4 PAngV einen Unterlassungsanspruch auslösen könne. Diese Frage sei zu verneinen. Die entsprechende Vorschrift sei geltendes deutsches Recht, an das auch das Gericht gebunden ist.
Die EU-Richtlinien haben keine unmittelbare Geltung in den EU-Mitgliedsstaaten. § 1 Abs. 4 der UGP-RL ist dagegen geltendes deutsches Recht, das als solches gemäß Art. 20 Abs. 3 GG Anwendung beansprucht. Der Gesetzgeber hat bis heute keine Veranlassung gesehen, die Norm zu streichen, trotz der bereits vor Jahren geltend gemachten Bedenken (im Übrigen zu Recht, s.u. 2.a.). Der Senat ist an das geltende Recht gebunden und nicht befugt, eine bestehende Vorschrift zu ignorieren. Er kann sich insbesondere nicht aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz bewegen […].
Eine richtlinienkonforme Auslegung, nach der das Pfand in den Gesamtpreis einzurechnen ist, sei wegen der eindeutigen Regelung in § 1 Abs. 4 PAngV nicht möglich.
Der Grundsatz gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des nationalen Rechts kann nicht zu einer Auslegung des nationalen Rechts contra legem führen (s. z.B. EuGH, Urteil vom 16.07.2009, bei juris, Rn. 61; Omsels WRP 2013, 1286, 1287 ff.) und findet seine Grenze hier in der eindeutigen Norm. Dass der Verkäufer das Flaschenpfand neben dem Preis für die Ware anzugeben und keinen Gesamtpreis zu bilden hat, folgt nicht nur aus dem klaren Wortlaut des § 1 Abs. 4 PAngV, sondern auch aus dem Sinn und Zweck der Norm gemäß den Gesetzesmaterialen (BT-Dr. 238/97 Seite 7 f.) […].
Die Auslegung der Norm sei den innerstaatlichen Gerichten vorbehalten, sodass für ein Vorabentscheidungsersuchen vor dem EuGH kein Raum ist, selbst wenn § 1 Abs. 4 PAngV nicht mehr im Einklang mit europäischem Recht stehen sollte.
Zudem ist das OLG Köln der Auffassung, dass § 1 Abs. 4 PAngV von dem vollharmonisierten Regelungsbereich der UGP-RL nicht erfasst werde und daher auch vom Gesetzgeber nicht hätte gestrichen werden müssen.
Die UGP-RL stammt aus dem Jahr 2005, § 1 Abs. 4 PAngV aus dem Jahr 1997. § 1 Abs. 4 PAngV ist nicht zur Umsetzung von Richtlinien erlassen worden, sondern allenfalls bei der Umsetzung von Richtlinien beibehalten worden. Die Norm beinhaltet auch keine Ausnahmeregelung zu § 1 Abs. 1 PAngV, sondern eine Klarstellung des Gesetzgebers als Reaktion auf eine zuvor abweichende Auslegung des BGH (s.o. 1.b.). Sinn und Zweck der Norm ist die Beseitigung der optischen Benachteiligung von Mehrweggebinden gegenüber Einweggebinden. Mit der Pfandregelung sind insbesondere auch umweltpolitische Zielsetzungen verfolgt worden. Diese liegen außerhalb des Angleichungsbereichs der UGP-RL.
Zudem sei das Flaschenpfand kein Teil des Verkaufspreises i.S.d. Art. 1 PreisangabenRL und damit auch nicht Teil des Gesamtpreises i.S.d. § 1 Abs. 1 PAngV und des § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG. Welche Preisbestandteile dem Gesamtpreis zuzuordnen sind, bestimme sich grundsätzlich aus der Sicht des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers. Dieser sei seit Jahren daran gewöhnt, dass das Flaschenpfand gesondert neben dem Gesamtpreis für die Ware angegeben wird.
Bei den Pfandgeldern handelt es sich auch nicht um Preisbestandteile, die der Verbraucher als Gegenleistung für die Ware zu zahlen hat. Verkaufspreis/ Endpreis ist nach der Rechtsprechung des EuGH die Summe der unvermeidbaren und notwendigen Bestandteile des Preises, die obligatorisch vom Verbraucher zu tragen sind und die Gegenleistung in Geld für den Erwerb des betreffenden Erzeugnisses bilden (EuGH WRP 2016, 1096 - Citroen Commerce/ZLW, Rn. 37). Das Pfand ist eine reine Sicherheit im Interesse der Wiederverwertung/Verwertung des Gebindes, kein Bestandteil des Warenwertes. Es stellt als „rückerstattbare Sicherheit“ gerade keine Gegenleistung in Geld für den Erwerb des betreffenden Erzeugnisses dar […].
Schließlich stehe einem Unterlassungsanspruch entgegen, dass eine Preisauszeichnung nach § 1 Abs. 4 PangV die Interessen der Verbraucher wahre und gerade nicht spürbar beeinträchtige.
Die separate Auszeichnung von Warenpreis und zu zahlendem Pfand ist nicht nur marktüblich, sondern auch in hohem Maße transparent und besonders geeignet, dem Verbraucher eine informierte geschäftliche Entscheidung zu ermöglichen. Eine solche Preisauszeichnung trägt erheblich dazu bei, Rechenfehler bei der Ermittlung des relevanten Warenpreises zu vermeiden.
Das OLG Köln hat die Revision nicht zugelassen.
Andere Gerichte haben die Frage zur Darstellung des Pfandbetrags jedoch auch anders entschieden. Das LG Essen entschied, dass ein Pfand Bestandteil des Gesamtpreises sei und daher einbezogen werden müsse. Ebenso entschied das LG Berlin (Urt. v. 10.9.2019 – 91 O 127/18):
Danach ist das Pfand ein unvermeidbare unvorhersehbarer Bestandteil des Preises, der obligatorisch vom Verbraucher zu tragen ist und zugleich ungeachtet der rechtsgeschäftlichen Beurteilung des Übergabevorgangs gewissermaßen eine Gegenleistung für die Zurverfügungstellung des Getränkeverhältnisses durch den Händler an den Verbraucher darstellt (Landgericht Essen vom 22.August 2019 zu 43 O 145/18). Daraus ergibt sich zugleich, dass der Pfandbetrag der Regelung des §§ 1 Abs. 1 Satz 1 PAngVO unterfällt und daher in die Nennung des Gesamtpreises einzubeziehen ist (Kammergericht WRP 2018,226 ff). […] Denn diese Vorschrift [§ 1 Abs. 4 PAngV] hat keine Grundlage in dem der Preisangabenverordnung zugrunde liegenden, höherrangigen sekundären Gemeinschaftsrecht und ist daher nicht (mehr) anwendbar.
Diese Ansicht vertritt ebenfalls das LG Frankfurt a.M. (Urt. v. 22.11.2019 – 3-10 O 50/19):
Danach ist das Flaschenpfand ein unvermeidbarer und vorhersehbarer Bestandteil des Preises, der obligatorisch vom Verbraucher zu tragen ist und zugleich - ungeachtet der rechtgeschäftlichen Beurteilung des Übergabevorgangs (dazu Palandt/Wicke, BGB, 78. Aufl. 2019, Überbl. v. § 1204, Rn. 7) - gewissermaßen eine,,Gegenleistung“ für die Zurverfügungstellung des Getränkebehältnisses durch den Händler an den Verbraucher darstellt. Daraus ergibt sich zugleich, dass der Flaschenpfandbetrag der Regelung des § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV unterfällt und daher in die Nennung eines Gesamtpreises einzubeziehen ist […]. Etwas Anderes ergibt sich vorliegend nicht daraus, dass in Ausnahme dazu nach § 1 Abs. 4 PAngV das Getränkepfand ausdrücklich nicht in den Gesamtpreis aufzunehmen, sondern gesondert auszuweisen ist. Denn § 1 Abs. 4 PAngV hat keine Grundlage in dem der Preisangabenverordnung zugrunde liegenden, höherrangigen sekundären Gemeinschaftsrecht und ist daher unanwendbar.
Die Frage, ob ein Pfand entgegen § 1 Abs. 4 PAngV in den Gesamtpreis einzubeziehen ist oder gerade kein Bestandteil des Gesamtpreises darstellt, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Unstreitig ist jedenfalls, dass die Vorschrift keine Grundlage im Unionsrecht findet. Bis zu einer endgültigen Klärung wird leider weiterhin Rechtsunsicherheit herrschen.
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