Die Preisangabenverordnung (PAngV) verlangt die Angabe des Grundpreises in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises. Mit diesen Anforderungen geht sie jedoch über die europäischen Vorgaben hinaus und muss entsprechend europarechtskonform ausgelegt werden. Dieser Ansicht schloss sich nun das OLG Hamburg (Hinweisbeschl. v. 22.4.2020 – 3 U 154/19) an.

Update: Das OLG Hamburg hat die Berufung des IDO mit Beschluss vom 11.5.2020 zurückgewiesen und gemäß dem Hinweisbeschluss entschieden. Die Angabe des Grundpreises müsse nicht in unmittelbarer Nähe des Grundpreises erfolgen.

Im betreffenden Fall hatte der IDO gegen die Antragsgegnerin eine einstweilige Verfügung erwirkt, die ihr untersagte, grundpreispflichtige Lebensmittel und/oder Nahrungsergänzungsmittel zu bewerben oder anzubieten, ohne gleichzeitig den Preis je Mengeneinheit und den Gesamtpreis jeweils unmissverständlich, klar erkennbar in unmittelbarer Nähe und gut lesbar anzugeben. Hiergegen legte die Antragsgegnerin Widerspruch ein. Das LG Hamburg hob die einstweilige Verfügung auf. § 2 Abs. 1 PAngV verlange unter einer europarechtskonformen Auslegung keine Angabe des Grundpreises in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis. Gegen dieses Urteil legte der IDO Berufung ein.

Unsere Partnerkanzlei Internet-Rostock.de hat die Antragsgegnerin vertreten. Nun hat sich erfreulicherweise auch OLG Hamburg im Rahmen eines Hinweisbeschlusses der Ansicht angeschlossen, dass die Angabe des Grundpreises nicht in unmittelbarer Nähe des Grundpreises erfolgen müsse. Das Gericht hat dem IDO geraten, seine Berufung zurückzunehmen.

Unterschiede zwischen deutschem und europäischen Recht

Die Vorgabe, wie ein Grundpreis darzustellen ist, wird in der PAngV anders geregelt als in der europäischen PreisangabenRL 98/6/EG.

§ 2 Abs. 1 S. 1 PangV bestimmt:

Wer Verbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder wer ihnen regelmäßig in sonstiger Weise Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet, hat neben dem Gesamtpreis auch den Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile (Grundpreis) in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises gemäß Absatz 3 Satz 1, 2, 4 oder 5 anzugeben.

Die Vorgabe in Art. 4 Abs. 1 RL 98/6/EG lautet hingegen:

Der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit müssen unmißverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, daß die Zahl der anzugebenden Preise begrenzt wird.

Während die Preisangabenverordnung die Angabe des Grundpreises in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises fordert, muss sie nach Preisangabenrichtlinie „nur“ unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein. Die Verpflichtung zur Anzeige in der räumlichen Nähe fehlt.

Preisangabenverordnung ist richtlinienkonform auszulegen

Seit dem 12.6.2013 dürfen die Mitgliedstaaten der EU jedoch keine Regelungen vorsehen, die strenger sind als das EU-Recht. Das bestimmt Art. 3 Abs. 5 S. 1 der RL über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG):

Die Mitgliedstaaten können für einen Zeitraum von sechs Jahren ab dem 12. Juni 2007 in dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich nationale Vorschriften beibehalten, die restriktiver oder strenger sind als diese Richtlinie und zur Umsetzung von Richtlinien erlassen wurden und die Klauseln über eine Mindestangleichung enthalten.

So sieht es auch das OLG Hamburg. Das in § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV genannte Kriterium der „unmittelbaren Nähe“ gehe über die Mindestanforderungen der Preisangabenrichtlinie hinaus und müsse richtlinienkonform ausgelegt werden.

Der Senat geht mit der von der Antragsgegnerin angeführten Rechtsprechung des OLG Naumburg in seinem Urteil vom 09.04.2015 davon aus, dass das in § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV genannte Kriterium der „unmittelbaren Nähe” über die Mindestanforderungen der Preisangabenrichtlinie98/6/EG hinausgeht und deshalb die genannte Vorschrift vor dem Hintergrund der Vorrangregelung des Art. 3 Abs. 4 UGP-Richtlinie 2005/29/EG richtlinienkonform dahin auszulegen ist, dass dieses Kriteriums nicht zu berücksichtigen ist (ebenso Köhler /Bornkamm/Feddersen, UWG,38. Aufl., § 2 PAngV, Rn. 3 m.w.Nw.).

Keine Grundpreisangabe in unmittelbarer Nähe

In der einstweiligen Verfügung war das Kriterium „in unmittelbarer Nähe“ in einem Klammerzusatz vorgesehen. Diese Beschränkung gehe jedoch über die Anforderungen der Preisangabenrichtlinie hinaus.

Das Erfordernis der Angabe des Grundpreises in „unmittelbaren Nähe” des Gesamtpreises geht aber über die Anforderungen der Richtlinie hinaus und ist damit restriktiver als diese, weil nicht für alle Fallgestaltungen zwingend erscheint, dass sich die von der Richtlinie geforderte klare Erkennbarkeit nur durch die Angabe des Grundpreises in „unmittelbaren Nähe“ des Gesamtpreises herstellen lässt.

Dieser Klammerzusatz müsse daher gestrichen werden.

Die Beschränkung des Verbots durch Streichung des streitigen Klammerzusatzes ist auch erforderlich, um für den Fall behaupteter Zuwiderhandlungen gegen das ausgesprochene Verbot deutlich zu machen, dass sich die Beurteilung der Frage, ob ein solcher Verstoß vorliegt, allein an den im übrigen im Verbot angeführten – gesetzeswortlautwiederholenden – Kriterien zu orientieren hat. Ob die gute Erkennbarkeit der Grundpreisangabe danach möglicherweise nur durch deren Angabe in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises hergestellt werden kann, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles. […]

Fazit

Die Verpflichtung, bei grundpreispflichtigen Produkten den Grundpreis anzugeben, besteht nach wie vor. Eine unmittelbare Nähe zwischen Grundpreis und Gesamtpreis kann in eurorechtskonformer Auslegung dagegen nicht gefordert werden. Das bedeutet allerdings auch nicht, dass der Grundpreis an beliebiger Stelle platziert werden kann. Eine unmissverständliche, klar erkennbare und gut lesbare Angabe des Grund- und Gesamtpreises reicht jedoch aus.

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