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BGH: Bewertungsauswahl durch Yelp zulässig

Bewertungen im Internet spielen eine große Rolle. Neben Bewertungssystemen, die von Händlern selbst zu Marketingzwecken genutzt werden, existieren auch zahlreiche Bewertungsplattformen. Der BGH (Urt. v. 14.1.2020 – VI ZR 495/18) entschied nun, dass das Bewertungsportal Yelp in der Gesamtnote nicht alle abgegebenen Bewertungen berücksichtigen müsse.

Im
entschiedenen Fall ging es um das Bewertungsportal Yelp. Die Klägerin betreibt
mehrere Fitnessstudios und ging gegen deren Bewertung auf yelp.de vor. Grund
hierfür war, dass nicht alle abgegebenen Bewertungen bei der Gesamtbewertung
berücksichtigt wurden, sondern nur solche, die mit dem Prädikat „empfohlen“
ausgezeichnet wurden. Dies führte dazu, dass in diesem Fall mehr als 95 % der
abgegebenen Bewertungen ausgesondert wurden, ohne dass dies für die Nutzer
erkennbar war oder die maßgeblichen Gewichtungskriterien offengelegt wurden. Es
wurden nur zwei von 76 und drei von 78 Bewertungen berücksichtigt. Dadurch
erhielten die Fitnessstudios nur eine Bewertung von 2,5 bis 3 Sternen. In den
nicht berücksichtigten Bewertungen wurden jedoch überwiegend 4 bis 5 Sterne
vergeben, was zu einer besseren Gesamtbewertung geführt hätte.

Das LG München
Urt. v. 12.2.2016 – 25 O 24644/14) hatte die Klage in erster Instanz abgewiesen.
Hiergegen hatte die Klägerin Berufung eingelegt. Das OLG
München
(Urt. v. 13.11.2018 – 18 U 1280/16 Pre) entschied, dass die
Aussonderung eines Großteils der Bewertungen im Widerspruch zum Wesen eines
Bewertungsportals stehe und hatte die Beklagte dazu verurteilt, es zu
unterlassen, für die Fitnessstudios eine Bewertung auszuweisen, in die nicht auch
„momentan nicht empfohlene“ Bewertungen einfließen. Hiergegen legte die
Beklagte Revision ein.

Der BGH
entschied, dass der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung
und Schadensersatz nicht zustehen.

Keine
Kreditgefährdung

Ein Anspruch
ergebe sich nicht aus Kreditgefährdung nach § 824 BGB, da die Beklagte durch
die Darstellung der Bewertungen nicht der Wahrheit zuwider eine Tatsache
behauptet oder verbreitet habe. Nach § 824 Abs. 1 BGB hat derjenige, der der
Wahrheit zuwider eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den
Kredit eines anderen zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb
oder Fortkommen herbeizuführen, dem anderen den daraus entstehenden Schaden
auch dann zu ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen
muss. Hierfür müsse der Sinn der entsprechenden Äußerung gedeutet werden, um
den objektiven Aussagegehalt zu ermitteln.

Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut – der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann – und dem allgemeinen Sprachgebrauch sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für das Publikum erkennbar sind. Zur Erfassung des vollständigen Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden […].

„Empfehlung“ ist eigenes Werturteil

Nach diesen Grundsätzen habe die Beklagte keine unwahren Tatsachen behauptet oder verbreitet. Die Bewertungsdarstellungen seien nicht dahingehend zu verstehen, dass es sich bei den angezeigten Bewertungsdurchschnitten um die Ergebnisse der Auswertungen aller abgegebenen Beiträge handelt und dass die danebenstehenden Texte deren Anzahl wiedergeben. Bei der Einstufung und Bezeichnung der Beiträge als „empfohlen“ oder „nicht empfohlen“ äußere die Beklagte ein Werturteil über die entsprechenden Bewertungen, das der Nutzer verstehe.

Denn der unvoreingenommene und verständige Nutzer des Bewertungsportals entnimmt den neben den Bewertungsdurchschnitten von 3 bzw. 2,5 Sternen stehenden Texten „2 Beiträge“ bzw. „3 Beiträge“ zunächst, wie viele Beiträge die Grundlage für die Durchschnittsberechnungen bildeten. Aus den in unmittelbarer Nähe dazu unter den Daten der Fitness-Studios (Adresse, Telefonnummer, Öffnungszeiten) stehenden sowie aufgrund des Schriftbilds deutlich erkennbaren Texten „Empfohlene Beiträge für Fitnessstudio […]“ und „2 Beiträge auf Deutsch“ bzw. „3 Beiträge auf Deutsch“ sowie den zahlenmäßigen Übereinstimmungen schließt der Nutzer, dass Grundlage für die Durchschnitts-berechnungen ausschließlich die „empfohlenen“ Beiträge sind und dass sich die Angabe der Anzahl nur darauf bezieht. Auch im Übrigen enthalten die Bewertungsdarstellungen keine Anhaltspunkte, die eine Basis für die Annahme bilden könnten, dass darüber hinaus („alle abgegebenen“) Beurteilungen berücksichtigt worden seien […].

Bewertung der Bewertung durch Yelp

Das OLG München
nahm an, dass die Auswahl der Bewertungen die Klägerin in ihrem sozialen
Anspruch als Wirtschaftsunternehmen und damit in ihrem
Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletzten und zugleich einen rechtswidrigen
Eingriff in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellten. Dieser
Auffassung folgte der BGH nicht. Die entsprechenden Bereiche seien zwar
berührt, aber nicht verletzt.

Allerdings ergibt sich dies entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht daraus, dass die Beklagte eine eigenständige Aussage über die Qualität der Fitness-Studios machte. Denn mit der Einordnung der Beiträge als „empfohlen“ oder „nicht empfohlen“, die die Grundlage für die Berechnung der Bewertungsdurchschnitte bildete, brachte die Beklagte nur eine Beurteilung dieser Beiträge zum Ausdruck […]. Diese beinhaltete nicht (auch) eine (eigene) Bewertung der Fitness-Studios durch die Beklagte selbst, da diese sich die Einzelbewertungen der Beiträge nicht zu Eigen machte. […] Die Beklagte erweckte durch Inhalt und Gestaltung ihrer Bewertungsdarstellungen nicht den Eindruck, sie identifiziere sich mit den Einzelbewertungen der „empfohlenen“ Beiträge. Denn nach der Erläuterung im Internetportal der Beklagten („Was sind empfohlene Beiträge?“) hing ihre Einordnung eines Beitrags als „empfohlen“ oder „nicht empfohlen“ allein davon ab, wie „hilfreich“ sie ihn einschätzte. Dies erfolgte unabhängig davon, ob dessen Einzelbewertung (vergleichsweise) gut oder schlecht war. Entsprechendes gilt für die „nicht empfohlenen“ Beiträge. Denn insoweit brachte die Beklagte nur zum Ausdruck, dass diese nach ihrer Einschätzung nicht „hilfreich“ sind. Auch dies war unabhängig von der jeweiligen Einzelbewertung.

Kontrolle und Bewertung durch den Betreiber

Die Bewertungsdarstellungen
der Beklagten seien jedoch nicht rechtswidrig gewesen. Der Betrieb eines Bewertungsportals
erfülle eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte
Funktion, auch im Hinblick auf eine Kontrolle und Bewertung durch den Portalbetreiber.

Dies gilt auch für eine Kontrolle und Bewertung von Nutzerbeiträgen durch den Betreiber eines Bewertungsportals zu dem Zweck, dessen Funktionsfähigkeit zu schützen und zu unterstützen. Denn zunächst bestehen generell die Gefahren unwahrer, beleidigender oder sonst unzulässiger Aussagen und des Missbrauchs des Bewertungsportals durch das Einstellen von Mehrfachbewertungen durch ein und dieselbe Person sowie von Bewertungen ohne realen Erfahrungshintergrund […]. Darüber hinaus können bei einem Bewertungsportal individuelle Benutzungsregeln mit weitergehenden Bewertungsanforderungen existieren, deren Einhaltung von den Nutzern erwartet wird. Schließlich kann ein Bewertungsportal zur Meinungsbildung der sich informierenden Nutzer dadurch beitragen, dass es Nutzerbeiträge – (auch) unter Berücksichtigung der genannten Gesichtspunkte oder unabhängig davon – selbst beurteilt.

Keine
Begründungspflicht für Yelp

Bei der
entsprechenden Einordnung eines Beitrags als „empfohlen“ oder „nicht empfohlen“
handle es sich um ein Werturteil der Beklagten, das durch die Meinungsfreiheit
geschützt ist. Diesem Schutz stehe es auch nicht entgegen, dass die Beklagte
ihre Bewertungskriterien nicht über die Hinweise auf der Internetseite hinaus
erläutert und die Einstufung im Einzelfall nicht begründet.

Begründungs- oder Informationspflichten der Beklagten ergeben sich nicht daraus, dass sie Neutralität, objektiv nachvollziehbare Sachkunde und Repräsentativität hinsichtlich der Beurteilungen der Nutzerbeiträge und des daran anknüpfenden Bewertungsdurchschnitts für sich in Anspruch genommen hätte. Solche Pflichten werden teilweise daraus abgeleitet, dass an Bewertungsportale insoweit dieselben Anforderungen zu stellen seien wie an Warentests […]. Zwar trifft es zu, dass die Rechtsprechung eine Pflicht zur Neutralität, Objektivität und Nachvollziehbarkeit etwa bei Warentests […] oder der Darstellung in einem Restaurantführer […] angenommen hat. Allerdings ergibt sich im Unterschied zu solchen Fallgestaltungen aus der Darstellung der Beklagten, dass sie keine Neutralität, objektiv nachvollziehbare Sachkunde und Repräsentativität für sich in Anspruch nahm, sondern die subjektiven Einschätzungen der Nutzerbeiträge wiederum selbst subjektiv („empfohlen“/„nicht empfohlen“, „hilfreichsten“) beurteilte […].

Ein Gewerbetreibender müsse Kritik an seinen Leistungen grundsätzlich hinnehmen. Aus der Bewertungsdarstellung der Beklagten ergebe sich keine Diffamierung oder Herabsetzung der Klägerin.

Der BGH hob damit das Urteil des OLG München auf.

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