BGH: Testsiegel dürfen nur mit Lizenz verwendet werden

Viele Online-Händlerinnen und -Händler werben damit, wenn ihre Produkte von unabhängigen Instituten getestet wurden. Bei dieser Werbung mit Testsiegeln muss jedoch nicht nur das Wettbewerbsrecht, sondern auch das Markenrecht beachtet werden. Der BGH entschied nun gleich in drei ähnlich gelagerten Fällen (Urt. v. 12.12.19 – I ZR 173/16, I ZR 174/16 und I ZR 117/17), dass die Benutzung ohne Lizenz als Markenrechtsverletzung anzusehen sei.

In allen drei Entscheidungen ging es um die Nutzung des ÖKO-TEST-Siegels. Die Klägerin ist die Herausgeberin des Magazins ÖKO-TEST, das Waren- und Dienstleistungstests durchführt und veröffentlicht. Die Hersteller und Vertreiber der getesteten Produkte dürfen mit dem Testsiegel werben, wenn sie mit der Klägerin einen entgeltlichen Lizenzvertrag abschließen. In diesem sind die Vergütung, Nutzungsbedingungen und Vertragsstrafen bei Verletzung des Vertragsinhalts geregelt. Das Siegel ist eine seit 2012 eingetragene Unionsmarke und besitzt markenrechtlichen Schutz für die Dienstleistungen „Verbraucherberatung und Verbraucherinformationen bei der Auswahl von Waren und Dienstleistungen“.

Auf dieser
Grundlage verlangte ÖKO-TEST Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten von
den Beklagten. Die Beklagten sind Versandhändler und haben in ihren
Online-Shops mit leicht abgewandelten ÖKO-TEST-Siegeln geworben, ohne zuvor mit
der Klägerin einen Lizenzvertrag geschlossen zu haben. Zudem ging es um die
Frage, ob auch für fast identische andere Produkte (z.B. andere Farbe oder anderes
Maß) mit dem Testergebnis geworben werden darf.

EuGH: Testsiegel genießt markenrechtlichen Schutz

Der BGH
setzte die zunächst Verfahren bis zu einer Entscheidung des EuGH aus, der in
einem anderen Fall über den markenrechtlichen Schutz des ÖKO-TEST-Siegels zu
entscheiden hatte. Denn nur wenn es sich bei Testsiegeln um Marken im Sinne des
EU-Markenrechts handelt, kann der Inhaber einer Marke das unlizenzierte Werben
mit seinen Siegeln verbieten.

Der EuGH (Urt.
v. 11.4.2019 – C-690/17) entschied, dass das europäische Markenrecht so
auszulegen sei, dass Inhaber einer eingetragenen Marke für Testsiegel sich
gegen die unbefugte Benutzung des Siegels widersetzen können.

Art. 9 Abs. 1 lit. c der Verordnung Nr. 207/2009 und Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/95 sind dahin auszulegen, dass sie dem Inhaber einer aus einem Testsiegel bestehenden bekannten Individualmarke gestatten, sich der Anbringung eines mit dieser Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen Dritten auf Waren, die mit denen, für die diese Marke eingetragen ist, weder identisch noch ihnen ähnlich sind, zu widersetzen, vorausgesetzt, es ist erwiesen, dass dieser Dritte aufgrund dieser Anbringung die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung dieser Marke in unlauterer Weise ausnutzt oder diese Unterscheidungskraft oder Wertschätzung beeinträchtigt und er in diesem Fall für diese Anbringung keinen „rechtfertigenden Grund“ im Sinne dieser Bestimmungen dargetan hat.

Testsiegel dürfen nur mit Lizenz benutzt werden

Im Anschluss
an das Urteil des EuGH setzte der BGH die Verfahren fort und folgte im Ergebnis
dieser Entscheidung. Die Klägerin bekam Recht: Das ÖKO-TEST-Siegel dürfe nur
mit einer Lizenz verwendet werden.

Sowohl nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c GMV als auch nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. c UMV umfasst das Markenrecht das Recht des Inhabers, Dritten zu verbieten, das Zeichen ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn das Zeichen mit der Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist, die Unionsmarke in der Union bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Unionsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

Wertschätzung
der Marke ausgenutzt

Der BGH
stellte fest, dass die Klagemarke in der Europäischen Union bekannt sei. Dies
sei dann der Fall, wenn sie über einen gewissen Grad an Bekanntheit beim
maßgeblichen Publikum verfügt. Ein Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass 61,7 %
der Gesamtbevölkerung die Marke bekannt sei. Zudem habe die Klägerin in enormem
Umfang in die Bekanntheit der Klagemarke investiert, wie sich schon an den seit
über 25 Jahren von ihr finanzierten Tests und deren Publikation in der ebenso
lang vertriebenen Zeitschrift zeige.

Die
entsprechende Wertschätzung der Marke sei vorliegend in unlauterer Weise
ausgenutzt worden. Die Beklagte habe versucht, zur Steigerung ihrer Umsätze vom
positiven Markenimage zu profitieren. Der Verkehr vertraue dem Testsiegel der
Klägerin insbesondere unter dem Aspekt Umweltverträglichkeit und Gesundheit.
Diese Wertschätzung beute die Beklagte unlauter aus.

Versucht ein Dritter, sich durch die Verwendung eines mit einer bekannten Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren und, ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen, die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke auszunutzen, so ist der sich aus dieser Verwendung ergebende Vorteil als eine unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Marke anzusehen.

Die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs seien damit erfüllt. Zudem stehe der Klägerin der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Abmahnkosten zu.

Siegel nur für konkret getestete Produkte

In den Verfahren bewarben die Beklagten zudem nicht nur die konkret getesteten Produkte mit dem Siegel. So wurde es u.a. für ein Kopfkissen- und ein Lattenrost-Modell verwendet, die jedoch jeweils nur in einer der angebotenen Größen getestet worden. Die Lizenzbedingungen von ÖKO-TEST sehen vor, dass das Gütesiegel nur für das konkret getestete Produkt benutzt werden darf. Fast identische Produkte, die sich z.B. nur durch Farbe oder Größe unterscheiden, dürfen nicht mit dem Test in Verbindung gebracht werden. Es dürfen außerdem nur aktuelle Testergebnisse genutzt werden, um nicht mit veralteten  Ergebnissen ein falsches Bild beim Verbraucher hervorzurufen.

Der BGH sieht diese Einschränkungen als gerechtfertigt an. Die angegriffene Zeichenverwendung habe die Wertschätzung der Klagemarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt.

Die Klägerin sei darauf angewiesen, zur Aufrechterhaltung des guten Rufs der Marke die Benutzung ihrer Marke durch Vertreiber von Produkten zu kontrollieren, um Missbräuchen oder missverständlichen Werbemaßnahmen vorzubeugen. Die Zeichenverwendung im Streitfall signalisiere dem Verbraucher, es sei nicht nur ein Test erfolgt, sondern die Klägerin kontrolliere die Werbung für das konkret angebotene Produkt. Der Klägerin müsse die Entscheidung darüber vorbehalten bleiben, ob die beworbenen Produkte als von der Klägerin getestet dargestellt werden dürften.

Fazit

Gerade bei der Werbung mit Testsiegeln muss genau auf die Ausgestaltung und die Darstellung geachtet werden, sonst ist nicht nur schnell die Grenze zur irreführenden Werbung, sondern auch die zur Markenrechtsverletzung überschritten. Online-Händlerinnen und -Händler müssen darauf achten, dass sie solche Siegel nur dann verwenden, wenn sie zuvor einen Lizenzvertrag mit dem Markeninhaber geschlossen haben. Zudem dürfen Siegel nur für die tatsächlich getesteten Produkte verwendet werden.

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25.02.20