Die Berechnung des Wertersatzes nach einem Widerruf stellt den Unternehmer immer wieder vor Herausforderungen. Gerade bei Dienstleistungen stellt sich die Frage, ob die Berechnung nur zeitbezogen erfolgen darf. Das AG Hamburg entschied im vorliegenden Fall, dass sich die Höhe des Wertersatzes für die bis zum Widerruf erbrachten Dienste nach der Nutzungsdauer bemesse. Es seien jedoch Vereinbarungen möglich, nach denen auch einmalige Leistungen berechnet werden können. Ebenso seien einmalige Vertragskosten zu berücksichtigen.
Die Beklagte
betreibt eine Online-Partnervermittlungsplattform. Die Klägerin schloss eine
12-monatige Premium-Mitgliedschaft zum Preis von 215,28 € ab, mit der es
möglich war, Kontakt zu anderen Premium-Mitgliedern aufzunehmen. Zudem wurden
auf der Grundlage eines Algorithmus Partnervorschläge unterbreitet, die auf
einem computererstellten Partnerschaftsgutachten („Parship-Portrait“) beruhen.
Nach 14 Tagen widerrief die Klägerin den Vertrag. Für diesen Zeitraum verlangte
die Beklagte für die Nutzung des Portals 161,41 €. Gegen diese Art der Berechnung
wandte sich die Klägerin.
Das AG Hamburg (Urt. v. 26.7.2019 – 41 C 155/18) entschied, dass der Beklagten nur ein Wertersatzanspruch i. H. v. 8,26 € zustehe.
§ 357 Abs. 8 BGB regelt die Wertersatzpflicht des Verbrauchers bei Dienstleistungsverträgen. Danach schuldet der Verbraucher dem Unternehmer Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung, wenn der Verbraucher von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt und der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 3 EGBGB ordnungsgemäß informiert hat.
Beide Voraussetzungen
waren nach Ansicht des Gerichts im vorliegenden Fall erfüllt. Die Klägerin
wurde entsprechend belehrt und verlangte durch Anklicken eines entsprechenden
Feldes auf der Homepage der Beklagten vor der erstmaligen Nutzung der
Mitgliedschaft ausdrücklich, dass die Beklagte ihre Leistung bereits vor Ablauf
der Widerrufsfrist erbringt.
Das Gericht
stellt zunächst fest, dass Grundlage der Berechnung das vertraglich vereinbarte
Entgelt sei und nicht der objektive Wert der Leistung. Nach § 357 Abs. 8 S. 4
BGB sei grundsätzlich der vereinbarte Gesamtpreis zugrunde zu legen. Nur wenn
dieser unverhältnismäßig hoch ist, sei nach § 357 Abs. 8 S. 5 BGB die Höhe des
Wertersatzes auf der Grundlage des Marktwertes zu berechnen.
Nach diesem Maßstab steht der Beklagten gegenwärtig ein rein zeitanteilig berechneter Wertersatz für die Tage zu, an denen ihre Online-Partnerschaftsvermittlungsplattform vor dem Widerruf von der klagenden Partei genutzt wurde.
Der Beklagten stehe darüber hinaus kein zusätzlicher Betrag für einzelne Leistungen zu. Dies ergebe sich aus einem Vergleich mit den anderen angebotenen Mitgliedschaften. Diese werden so verstanden, dass sich der Preis zeitbezogen bemisst.
Denn die von der Beklagten angebotenen Mitgliedschaften über 6, 12 oder 24 Monate sind nach dem objektiven Empfängerhorizont dahin zu verstehen, dass sie das von dem Kunden zu zahlende Entgelt als ein zeitanteilig berechnetes Entgelt ausweisen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kunde nach der von der Beklagten vorgenommenen Vertragsgestaltung für Leistungsteile, die am Anfang des Vertrages erbracht werden, einen bestimmten, gesondert ausgewiesenen Betrag schulden würde.
Bei der Berechnung
des Wertersatzes nach § 357 Abs. 8 S. 4 BGB sei jedoch auch zu berücksichtigen,
ob die Erbringung der Leistung vor dem Widerruf bereits einmalige Kosten für
den Unternehmer hervorgerufen habe. Solche Kosten seien vorliegend jedoch nicht
ersichtlich und wurden nicht vorgetragen.
Denn die gesetzliche Regelung des § 357 Abs. 8 BGB setzt Art. 14 Abs. 3 der Verbraucherrechte-Richtlinie um. Diese wiederum ist im vorgenannten Sinne (Berücksichtigung einmaliger Vertragskosten des Unternehmers) zu verstehen. So führt die Europäische Kommission in ihrem 2014 veröffentlichten Leitfaden zur Erläuterung der Verbraucherrechte-Richtlinie, der zur Auslegung derselben herangezogen werden kann, auf Seite 61 aus, dass beispielsweise im Falle des Widerrufs eines Vertrages über elektronische Festnetzdienste der Unternehmer im Rahmen des Wertersatzanspruchs die Kosten zur Herstellung eines Telefonanschlusses verlangen könne, die zum Zeitpunkt des Widerrufs bereits angefallen waren. Solche bei der Beklagten bereits angefallenen Kosten sind indes nicht ersichtlich und wurden auch auf die Hinweise mit Verfügung vom 03.05.2019 nicht vorgetragen. […] Es ist nicht ersichtlich, dass für das durch ein Computerprogramm erstellte digitale Persönlichkeitsgutachten („Parship-Portrait‘) und die ebenfalls durch einen programmierten Algorithmus erstellten Partnervorschläge gesonderte Kosten im Einzelfall bei der Beklagten anfallen würden. Darüber hinaus stellt das Parship-Portrait keine zusätzliche Leistung dar, da es primär der Optimierung der Partnersuche auf der Plattform dient und außerhalb dieser keinen Nutzen aufweist […].
Das Gericht
betonte jedoch, dass eine andere Regelung, nach welcher der Verbraucher für
einzeln erbrachte Leistungen einen entsprechenden Betrag schuldet, möglich sei.
Von dieser Möglichkeit habe die Beklagte vorliegend jedoch keinen Gebrauch
gemacht.
Eine dahingehende vertragliche Regelung, dass der Kunde bereits für die Erstellung des „Parship-Portraits“ oder das erstmalige Zurverfügungstellen geeigneter Partnervorschläge einen bestimmten Betrag schuldet, könnte grundsätzlich in einem angemessenen Rahmen vertraglich vereinbart werden. Davon sieht die Beklagte jedoch ab.
Das AG Hamburg
nahm hierzu auf ein Urteil des OLG Hamburg
Bezug, nach dem nicht generell untersagt werden könne, den Wertersatz anders
als zeitbezogen zu berechnen und betonte die Möglichkeit einer solchen Regelung.
Im Rahmen einer wettbewerbsrechtlichen Klage kam das Hanseatische OLG Hamburg zu dem Ergebnis, dass einer Online-Partnerschaftsvermittlungsplattform nicht generell untersagt werden könne, den Wertersatz nach Verbraucherwiderruf anders als pro rata temporis zu berechnen. Entsprechend den obigen Ausführungen ist eine andere Berechnung des Wertersatzes als pro rata temporis auch unter bestimmten Umständen möglich, es setzt lediglich voraus, dass die Partnerschaftsvermittlungsplattform entweder vertraglich mit ihren Kunden vereinbart, dass bestimmte Einzelleistungen mit einem zu beziffernden Entgelt zu vergüten sein sollen oder dass tatsächliche Kosten durch die Erbringung bestimmter Leistungen vor dem Widerruf entstanden sind.
Beides sei
vorliegend jedoch nicht Fall, weshalb der Beklagten nur ein anteiliger Wertersatzanspruch
i. H. v. 8,26 € für eine Nutzungsdauer von 14 Tagen zustand. Auf die ausdrücklich
zugelassene Berufung wurde von den Parteien verzichtet, das Urteil ist
rechtskräftig.
Anbieter von Dienstleistungen müssen den Wertersatz nicht zwingend nur zeitanteilig berechnen. Auch einmalige Vertragskosten sind zu berücksichtigen. Zusätzlich zu einer solchen Berechnung können auch einmalige Leistungen dem Wertersatz zugrunde gelegt werden. Hierfür sind jedoch entsprechende Vereinbarungen notwendig.
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