Plattformen wie Amazon oder Google spielen für viele Unternehmer eine immer wichtigere Rolle. Das hat auch die EU erkannt und für dieses Verhältnis neue Vorschriften erlassen, die im kommenden Jahr in Kraft treten. Sie sollen die Rechte von Unternehmern gegenüber Plattformen und Suchmaschinen (platform to business – P2B) stärken und für mehr Transparenz sorgen.
Die neue P2B-VO (VO [EU] 2019/1150) gilt ab dem 12.7.2020.
Durch die neuen Vorschriften soll das Machtgefälle, das zwischen Plattformen und Unternehmern besteht, ausgeglichen werden.
Angesichts dieser wachsenden Abhängigkeit haben die Anbieter dieser Dienste häufig eine größere Verhandlungsmacht, die es ihnen gestattet, sich einseitig in einer möglicherweise unlauteren Weise zu verhalten, die den legitimen Interessen ihrer gewerblichen Nutzer und indirekt auch der Verbraucher in der Union schaden kann. Sie könnten beispielsweise gewerblichen Nutzern einseitig Praktiken aufzwingen, die gröblich von der guten Geschäftspraktik abweichen oder gegen das Gebot von Treu und Glauben und des redlichen Geschäftsverkehrs verstoßen. Die vorliegende Verordnung befasst sich mit solchen potenziellen Reibungen in der Online-Plattformwirtschaft.
Die Verordnung gilt im Verhältnis zwischen den Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten und Online-Suchmaschinen und dem gewerblichen Nutzer (Art. 1 Abs. 2).
Ein Online-Vermittlungsdienst erfüllt nach Art. 2 Nr. 2 folgende Merkmale:
a) Es handelt sich um Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates.
b) Sie ermöglichen es gewerblichen Nutzern, Verbrauchern Waren oder Dienstleistungen anzubieten, indem sie die Einleitung direkter Transaktionen zwischen diesen gewerblichen Nutzern und Verbrauchern vermitteln, unabhängig davon, wo diese Transaktionen letztlich abgeschlossen werden.
c) Sie werden gewerblichen Nutzern auf der Grundlage eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Anbieter dieser Dienste und den gewerblichen Nutzern, die den Verbrauchern Waren oder Dienstleistungen anbieten, bereitgestellt
Von dieser
Definition werden sowohl die klassischen Handelsplattformen wie z.B. eBay und
Amazon erfasst als auch Reiseportale, App Stores oder soziale Netzwerke, in
denen Waren präsentiert werden.
Keine Anwendung findet sie auf Peer-to-Peer-Online-Vermittlungsdienste ohne Beteiligung gewerblicher Nutzer, reine B2B-Online-Vermittlungsdienste, die nicht Verbrauchern angeboten werden, Online-Werbeplatzierungsinstrumente und Online-Werbebörsen (Erwägungsgrund 11).
Die Verordnung gilt unabhängig vom Sitz des Betreibers der Plattform oder der Suchmaschine. Die gewerblichen Nutzer und die Nutzer mit Unternehmenswebsite müssen ihre Niederlassung oder ihren Wohnsitz in der EU haben und über diese Online-Vermittlungsdienste oder Online-Suchmaschinen Waren oder Dienstleistungen in der Europäischen Union befindlichen Verbrauchern anbieten (Art. 1 Abs. 2).
Art. 3 P2B-VO stellt künftig an die AGB von Online-Vermittlungsplattformen bestimmte Anforderungen. Diese müssen klar und verständlich formuliert und zu jedem Zeitpunkt für gewerbliche Nutzer auch vor Vertragsschluss leicht verfügbar sein. Sie müssen Informationen über Suspendierungs- und Kündigungsgründe, zusätzliche Vertriebskanäle und Partnerprogramme für die Vermarktung und zur Inhaberschaft und die Kontrolle von geistigem Eigentum enthalten.
Hierfür bestimmt Art. 3 Abs. 1 Folgendes:
(1) Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten stellen sicher, dass ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen
a) klar und verständlich formuliert sind;
b) für gewerbliche Nutzer zu jedem Zeitpunkt ihrer Geschäftsbeziehung mit dem Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten, auch während der Phase vor Vertragsabschluss, leicht verfügbar sind;
c) die Gründe benennen, bei deren Vorliegen entschieden werden kann, die Bereitstellung ihrer Online-Vermittlungsdienste für gewerbliche Nutzer vollständig oder teilweise auszusetzen oder zu beenden oder sie in irgendeiner anderen Art einzuschränken;
d) Informationen über zusätzliche Vertriebskanäle oder etwaige Partnerprogramme enthalten, über die der Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten die vom gewerblichen Nutzer angebotenen Waren und Dienstleistungen vermarkten könnte;
e) allgemeine Informationen zu den Auswirkungen der allgemeinen Geschäftsbedingungen auf die Inhaberschaft und die Kontrolle von Rechten des geistigen Eigentums gewerblicher Nutzer enthalten.
Zudem besteht für Plattformbetreiber die Pflicht, die Nutzer bei geplanten Änderungen der AGB auf einem dauerhaften Datenträger über diese zu informieren. Die geplanten Änderungen dürfen erst nach einer angemessen Frist umgesetzt werden. Diese beträgt grundsätzlich 15 Tage (Art. 3 Abs. 2 ). Wenn durch die Änderungen technische oder geschäftliche Anpassungen notwendig werden, müssen längere Fristen eingeräumt werden. Im Falle von Änderungen der AGB steht den Nutzern ein Kündigungsrecht zu.
AGB, die den o.g. Bedingungen nicht entsprechen, sind nichtig (Art. 3 Abs. 3). Zudem müssen die Betreiber von Plattformen sicherstellen, dass die Identität der gewerblichen Nutzer klar erkennbar ist (Art. 3 Abs. 5).
Zusätzliche Anforderungen an die AGB enthält Art. 8:
Wenn die Plattformbetreiber ihre Dienste für einzelne Waren oder Dienstleistungen eines gewerblichen Nutzer einschränken oder sperren, muss diese Entscheidung begründet und auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt werden (Art. 4 Abs. 1). Bei einer Kündigung des Vertrags muss die Begründung mindestens 30 Tage vor Wirksamwerden auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt werden. Die Begründung muss dabei die konkreten Umstände, einschließlich des Inhalts der Mitteilungen Dritter, und die Angabe des Kündigungs- oder Suspendierungsgrundes beinhalten.
Eine fristlose Kündigung ist möglich, wenn Gesetze oder Behörden die Beschränkung oder Beendigung anordnen, bei einer Möglichkeit zur fristlosen Kündigung nach nationalem Recht oder bei wiederholten Verstößen gegen die AGB (Art. 4 Abs. 4).
Künftig müssen in den AGB der Plattformen auch die Hauptparameter angegeben werden, die das Ranking bestimmen. Zudem müssen die Gründe für ihre Gewichtung gegenüber anderen Parametern dargestellt werden. Ein entsprechendes Transparenzgebot für diese relative Gewichtung gilt für Suchmaschinen (Art. 5 Abs. 2). Diese Darstellung muss klar, verständlich, öffentlich, leicht verfügbar und aktuell erfolgen.
Wenn bei dem Ranking der entsprechenden Plattform Provisionen oder andere Entgelte berücksichtigt werden, muss dargestellt werden, wie diese sich auf das Ranking auswirken (Art. 5 Abs. 3).
Die Angaben müssen dabei
nach Art. 5 Abs. 5 Informationen dazu enthalten, ob und in welchem Umfang
Folgendes beim Ranking berücksichtigt wird:
a) die Merkmale der Waren und Dienstleistungen, die Verbrauchern über Online-Vermittlungsdienste oder Online-Suchmaschinen angeboten werden;
b) die Relevanz dieser Merkmale für diese Verbraucher;
c) im Falle von Online-Suchmaschinen die Gestaltungsmerkmale der Website, die von Nutzern mit Unternehmenswebsite verwendet werden.
Anbieter von Plattformen
müssen zudem ein internes System für die Bearbeitung von Beschwerden
gewerblicher Nutzer einrichten, das für diese leicht zugänglich und kostenfrei
ist und eine Bearbeitung innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens sicherstellt.
In den AGB müssen hierzu alle notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt
werden, die sich auf den Zugang zu diesem und dessen Funktionsweise beziehen.
Wenn der Fall nicht durch das interne Beschwerdemanagement gelöst werden konnte, muss der Online-Vermittlungsdienst zwei oder mehr Mediatoren angeben, mit denen er bereit ist, zusammenzuarbeiten.
Die Verordnung enthält noch weitere Anforderungen, die Plattformen künftig erfüllen müssen.
Hier ist insbesondere Art. 7 zu nennen. Diese Vorschrift enthält ein Transparenzgebot, wenn der Plattformbetreiber nicht nur die Plattform betreibt, sondern dort auch selbst Waren anbietet. In diesen Fällen muss eine etwaige unterschiedliche Behandlung zwischen dem eigenen Angebot und dem anderer Unternehmer genau erläutert werden.
Art. 10 enthält eine Bestimmung zu Bestpreisklauseln. Schränken Plattformbetreiber andere Vertriebskanäle ein, müssen sie in ihren AGB die Gründe hierfür angeben und leicht verfügbar machen. Hierbei sind die wichtigsten wirtschaftlichen, geschäftlichen oder rechtlichen Gründe für die Einschränkung anzugeben.
Die P2B-Verordnung ist ein erster Schritt hin zu mehr Transparenz und Fairness. Insbesondere die Pflichten zur Information bei Einschränkungen und Sperrung und bei Änderungen der AGB sind zu begrüßen. In anderen Bereichen, wie dem Vertrieb durch den Plattformbetreiber selbst, beschränkt sie sich leider nur auf eine Offenlegung einer möglichen unterschiedlichen Behandlung, anstatt sie zu verbieten. Wie sich die neue Verordnung in der Praxis auswirken wird, bleibt abzuwarten.
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