OLG Frankfurt a.M.: Fehlende Kennzeichnung nach Elektrogesetz ist wettbewerbswidrig

Elektrogeräte müssen nach § 9 Abs. 2 ElektroG mit dem Symbol der durchgestrichenen Mülltonne gekennzeichnet werden. Das OLG Frankfurt a.M. (Urt. v. 25.7.2019 – 6 U 51/19) entschied nun, dass es sich beim Fehlen dieser Kennzeichnung um einen Wettbewerbsverstoß handelt, der abgemahnt werden kann.

Die beiden Parteien vertreiben online Lampen und Leuchtmittel.
Die Klägerin führte einen Testkauf durch und bestellte eine von der Beklagten
hergestellte Tischleuchte. Diese Leuchte war jedoch nicht mit dem Symbol einer
durchgestrichenen Mülltonne gekennzeichnet. Die Klägerin mahnte die Beklagte
daraufhin ab. Die geforderte Unterlassungserklärung gab sie jedoch nicht ab.

Das LG Darmstadt wies den Antrag der Klägerin u.a. zurück,
weil es sich bei § 9 Abs. ElektroG nicht um eine Marktverhaltensregelung
handle. Hiergegen legte sie Berufung ein. Das OLG Frankfurt a.M. gab dem Unterlassungsantrag
statt.

Rechtlicher Hintergrund

§ 9 Abs. 2 ElektroG bestimmt, dass Elektro- und
Elektronikgeräte grundsätzlich mit dem Symbol der durchgestrichenen Mülltonne
zu kennzeichnen sind. Dieses findet sich in Anlage 3 ElektroG.

Auch Lampen erfasst

Das Gericht stellte zunächst klar, dass die Regelung auch
auf Lampen Anwendung findet. Ausgenommen seien lediglich Leuchtmittel.

Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin darauf, § 9 II ElektroG sei auf Lampen ausdrücklich nicht anwendbar (§ 2 II Nr. 3 ElektroG). Das Gesetz ist nach § 2 II Nr. 3 ElektroG auf „Glühlampen“ nicht anwendbar. Damit sind Leuchtmittel gemeint. Auf „Lampen“ ist das Gesetz nach § 2 I S. 2 Nr. 3 sogar ausdrücklich anwendbar.

Keine Kennzeichnung auf dem Produkt

Die Beklagte versuchte sich vergeblich auf die Ausnahme in § 9 Abs. 2 S. 2 ElektroG zu berufen. Danach kann das Symbol statt auf dem Gerät auf der Verpackung, der Gebrauchsanweisung oder dem Garantieschein angebracht werden, wenn dies aufgrund der Größe oder der Funktion des Elektrogerätes erforderlich ist.

Es fehlt jedoch an der Erforderlichkeit. Das Symbol hätte problemlos - ohne Funktionsbeeinträchtigung - am Boden der Lampe angebracht werden können. Dort findet sich ohnehin bereits ein Aufkleber mit Gerätespezifikationen. Diese Art der Anbringung würde auch die Anforderung der „Sichtbarkeit“ und „Erkennbarkeit“ ausreichend erfüllen, da Hinweise an dieser Stelle des Geräts erwartet werden.

Pflicht zur Kennzeichnung auch Marktverhaltensregel?

Die entscheidende Frage, mit der sich das Gericht auseinandersetzen
musste, war allerdings, ob es sich bei der Vorschrift um eine Marktverhaltensregelung
i.S.v. § 3a UWG handelt. Das ist dann der Fall, wenn die Vorschrift zumindest
auch den Schutz der Interessen der Marktteilnehmer bezweckt. Hierzu gehören
u.a. Mitbewerber und Verbraucher. Diese Frage sei von Gerichten bereits
unterschiedlich entschieden worden. Auch die juristische Literatur sei sich
nicht einig.

Dagegen spreche zunächst der mit dem Gesetz bezweckte Umweltschutz. Verbraucherinteressen seien nicht ausdrücklich erwähnt, jedoch vom Sinn des Gesetzes mitumfasst.

Gegen einen Marktbezug spricht zunächst der gesetzgeberische Zweck des Elektrogesetzes. Vorschriften, die dem Schutz der Umwelt dienen, stellen grundsätzlich keine Marktverhaltensregelungen dar (BGH GRUR 2015, 1021 Rn. 15 - Kopfhörer-Kennzeichnung). Das Elektrogesetz dient nach § 1 Abs. 1 Satz 2 vorrangig abfallwirtschaftlichen Zielen. Abfälle von Elektro- und Elektronikgeräten sollen vermieden und die Wiederverwendung verbessert werden. Außerdem soll der Eintrag von Schadstoffen aus Elektro- und Elektronikgeräten in Abfällen verringert werden. Diesen Zielen dient auch für die nach § 9 II ElektroG i.V.m. Anlage 3 vorgeschriebene Verwendung des Symbols einer durchstrichenen Abfalltonne. Konkrete Verbraucherschutzinteressen, wie etwa das Interesse vor gefährlichen Stoffen geschützt zu werden, finden in § 1 Abs. 1 ElektroG keine ausdrückliche Erwähnung. Sie sind allerdings von der Ratio einiger Bestimmungen des ElektroG durchaus mitumfasst.

Kennzeichnung dient dem Verbraucherschutz

Es müsse danach differenziert werden, ob die jeweilige Vorschrift nur abfallwirtschaftlichen Zielen oder auch dem Gesundheits- und Verbraucherschutz diene. Für § 9 Abs. 2 ElektroG nahm das Gericht an, dass die Vorschrift mittelbar auch dem Verbraucherschutz diene.

Der Verbraucher kann anhand des Symbols bereits beim Kauf erkennen, dass er das Produkt nicht im Hausmüll entsorgen kann. An dieser Information hat er durchaus Interesse, weil ihm vor Augen geführt wird, dass er einen anderen, meist aufwändigeren Versorgungsweg wählen muss. Die Bestimmung des § 9 Abs. 2 regelt damit ein produktbezogenes Gebot. Bei Verstößen wird jedenfalls die schutzwürdige Erwartung des Verbrauchers enttäuscht, ein Produkt angeboten zu bekommen, das den im Interesse des Kunden bestehenden gesetzlichen Bestimmungen entspricht.

Gesetzesänderung war entscheidend

Zum 20.10.2015 hin wurde § 1 ElektroG zudem um einen dritten
Satz ergänzt: „Um diese abfallwirtschaftlichen Ziele zu erreichen, soll das
Gesetz das Marktverhalten der Verpflichteten regeln.“ Hieraus ergebe sich der
notwendige Marktbezug.

Mit diesem Zusatz hat der Gesetzgeber den für die Anwendbarkeit des Rechtsbruchtatbestands nötigen Schutzzweck begründet. […] Der Marktbezug kann jedoch nicht allein unter Hinweis auf die primär abfallwirtschaftliche Zielsetzung verneint werden. Ausreichend ist, wenn die Bestimmung einen zumindest sekundären Wettbewerbsbezug aufweist. Bei § 9 II ElektroG ergibt sich der sekundäre Wettbewerbsbezug - wie oben dargelegt - daraus, dass der Verbraucher ein Interesse hat, beim Kauf zu erkennen, ob er das Produkt im Hausmüll entsorgen kann.

Damit handle es sich bei § 9 Abs. 2 ElektroG um eine Marktverhaltensregelung.

Fehlende Kennzeichnung war spürbar

Das Gericht kam auch zu dem Ergebnis, dass das Fehlen des Symbols die Verbraucherinteressen spürbar beeinträchtigt habe. Dem stehe auch der Umstand nicht entgegen, dass die Lampe online angeboten wurde und die Verbraucher die Bodenkennzeichnung nicht sehen konnten.

Im Streitfall ist nicht auszuschließen, dass das fehlende Symbol geeignet ist, die Kaufentscheidung von Verbrauchern zu beeinflussen. Dem steht nicht entgegen, dass die Lampe online angeboten wurde und dabei die Bodenkennzeichnung möglicherweise ohnehin nicht zu sehen war. Jedenfalls nach Auslieferung kann die fälschliche Annahme, er könne das Gerät nach Gebrauch im Hausmüll entsorgen, den Verbraucher von der Ausübung des Widerrufsrechts abhalten. An der Spürbarkeit fehlt es auch nicht deshalb, weil das Symbol stattdessen in der Gebrauchsanweisung angebracht ist. Es kann nicht angenommen werden, dass alle Verbraucher die Gebrauchsanweisung zur Kenntnis nehmen bzw. aufbewahren. Aus diesem Grund schreibt der Gesetzgeber vor, dass das Symbol unmittelbar auf dem Gerät anzubringen ist, nicht nur in Unterlagen.

Das Gericht verurteilte die Beklagte daher zur Unterlassung.

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23.09.19