Bei Produkten, die nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche
zu einem festen Preis angeboten werden, besteht gem. § 2 Preisangabenverordnung
die Verpflichtung, einen Grundpreis anzugeben. Das OLG Celle (Urt. v. 9.7.2019 –
13 U 31/19) entschied, dass diese Pflicht nicht beim Verkauf von
Nahrungsergänzungsmitteln in Kapselform bestehe.
Der Beklagte vertreibt in seinem Online-Shop Nahrungsergänzungsmittel in Kapselform. Hierbei gab er jedoch keinen Grundpreis, sondern nur den Gesamtpreis an. Der Kläger sah hierin einen Verstoß gegen die Preisangabenverordnung. Dem folgte das LG Lüneburg (Urt. v. 15.3.2019 – 11 O 6/19) und verurteilte den Beklagten zur Unterlassung. Hiergegen legte er Berufung ein.
Das OLG Celle stellte fest, dass der Beklagte nicht gegen § 2 Abs. 1 PAngV verstoßen habe, indem er vorliegend keinen Grundpreis angegeben hat.
Zwar handle es sich vorliegend um Fertigpackungen i.S.d. Preisangabenverordnung. Diese habe der Beklagte jedoch nicht nach Gewicht angeboten. Dass auf der Verpackung selbst eine Gewichtsangabe erfolgt, sei unerheblich.
Der Verfügungsbeklagte hat die beworbene Ware aber (entgegen den insoweit etwas missverständlichen Erwägungen des Landgerichts) nicht tatsächlich insbesondere nach Gewicht angeboten. Die beanstandete Werbung enthält (mit Ausnahme der Angabe des Wirkstoffgehalts) keine Gewichtsangabe. Dass die Verpackung selbst eine Gewichtsangabe enthält ist insoweit unerheblich.
Zwar habe der BGH in der Zwischenzeit entschieden, dass diese Pflicht beim Angebot von Kaffeekapseln bestehe. Diese Erwägungen seien auf Nahrungsergänzungsmittel jedoch nicht übertragbar.
Das Landgericht habe zwar zutreffend festgestellt, dass Waren
nach Gewicht angeboten werden, wenn eine spezialgesetzliche Pflicht zur Angabe
der Füllmenge bestehe. Das sei vorliegend jedoch nicht der Fall.
Die grundsätzliche Pflicht zur Angabe der Nettofüllmenge bestimmt jedenfalls Art. 23 LMIV. Danach ist die Nettofüllmenge bei anderen als flüssigen Lebensmitteln in Masseeinheiten auszudrücken. Eine Ausnahme von dieser Pflicht enthält jedoch Anhang IX Nr. 1 c) LMIV:
Die Angabe der Nettofüllmenge ist nicht verpflichtend bei Lebensmitteln, die normalerweise nach Stückzahlen in den Verkehr gebracht werden, sofern die Stückzahl von außen leicht zu sehen und einfach zu zählen ist oder anderenfalls in der Kennzeichnung angegeben ist.
Das Gericht stellte fest, dass die Kapseln normalerweise
nach Stückzahl in den Verkehr gebracht werden.
Die infrage stehenden Kapseln des Aminosäure-Präparats werden normalerweise nach Stückzahlen in Verkehr gebracht. Diese Frage beurteilt sich nach der Verkehrsauffassung aus Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers. Sie kann vom Senat selbst beurteilt werden, weil seine Mitglieder zu den maßgeblichen Verkehrskreisen gehören.
Üblicherweise wird diese Ausnahmevorschrift zwar etwa auf bestimmte Backwaren, Süßwaren und Obst- und Gemüsearten angewandt. Aber auch ein Nahrungsergänzungsmittel, das sich - wie vorliegend - aus verschiedenen Komponenten - insbesondere verschiedenen Wirk- und Füllstoffen - zusammensetzt und das in dieser konkreten Zusammensetzung in einer Art und Weise vorportioniert vertrieben wird, dass diese Einteilung in Portionen üblicherweise nicht aufgehoben wird, wird stückweise abgegeben.
Die Klägerin argumentierte, dass Aminosäurepräparate nicht nur in Kapselform, sondern üblicherweise in Pulverform oder gelöst als Flüssigkeit in den Verkehr gebracht. Maßgeblich sei jedoch das konkrete Produkt.
Hierbei handelt es sich jedoch nicht um identische Lebensmittel, so dass der Umstand, dass Aminosäure-Präparate auch flüssig oder in Pulverform angeboten werden, nicht der Annahme nach der Verkehrsanschauung entgegensteht, dass das konkrete hier beworbene kapselförmige Aminosäure-Präparat nach Stückzahl angeboten wird. Maßgeblich dürfte bei solchen Nahrungsergänzungsmitteln schon aufgrund möglicherweise unterschiedlicher Wirkweisen nur das konkrete Präparat in seiner individuellen Zusammensetzung sein. Dieses hier konkret infrage stehende Präparat mit seiner individuellen Wirkstoffzusammensetzung wird aber nach dem unbestrittenen Vortrag des Verfügungsbeklagten ausschließlich in der vorliegenden Form vertrieben.
Zudem biete die Angabe einer Gesamtmenge keinen Vorteil für
die Verbraucher.
Diese maßgebliche Verkehrsanschauung besteht jedenfalls deshalb, weil die Angabe einer Füllmenge - oder gar des Gesamtgewichts einschließlich Kapsel - auch unabhängig von dem individuellen Aminosäureprofil im konkreten Fall keinen Vorteil für den Verbraucher hätte. Ein Vergleich zwischen unterschiedlichen Präparaten würde dem Verbraucher allenfalls durch die Angabe der Wirkstoffmenge ermöglicht. Die Angabe etwa einer Füll- oder Gesamtmenge ließe hierauf aber schon aufgrund der üblicherweise zugesetzten Füll- und Trennmittel keinen hinreichenden Rückschluss zu. Auch dem vorliegend streitgegenständlichen Präparat sind schon ausweislich des von dem Verfügungskläger als Anlage Ast 6 vorgelegten Packungsaufdrucks verschiedene Hilfsstoffe beigesetzt, so als Füllstoff Dicalciumphosphat, Gelantine, als Trennmittel Magnesiumsalze der Speisefettsäuren und Siliciumdioxid.
Grundsätzlich bestehe zwar die Möglichkeit, dass die Kapsel
geöffnet und das enthaltene Pulver in anderen Dosierungen eingenommen werde.
Diese theoretische Möglichkeit führe jedoch nicht dazu, dass das Präparat nach
Auffassung der maßgeblichen Verbraucherkreise nicht nach Stückzahl, sondern
insbesondere nach Gewicht in Verkehr gebracht würde.
Damit bestand nach Ansicht des Gerichts keine Pflicht, den
Grundpreis anzugeben.
Die Frage, ob bei Nahrungsergänzungsmitteln in Kapselform ein Grundpreis anzugeben ist, ist bereits länger umstritten. Ob solche Nahrungsergänzungsmittel normalerweise nach Stückzahl in den Verkehr gebracht werden, mögen andere Gerichte als das OLG Celle vielleicht anders beurteilen. Wünschenswert wäre eine ausdrückliche Regelung in der LMIV für eine solche Sonderkonstellation gewesen.
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