Das Gesetz kennt in § 312g BGB einige Ausnahmen vom Widerrufsrecht. Einen generellen Ausschluss für Verträge über die Lieferung von Arzneimitteln sieht das Gesetz jedoch nicht vor. Das KG (Urt. v. 9.11.2018 – 5 U 185/17) entschied, dass Arzneimittel zwar im Einzelfall unter bestimmte Ausnahmen fallen könnten, jedoch nicht generell vom Widerrufsrecht ausgeschlossen sind.

Die Beklagte, die in den Niederlanden ansässige Online-Apotheke DocMorris, hatte in ihren AGB Medikamente vollständig vom Widerrufsrecht ausgenommen. Zudem wurde auf der Internetseite nicht die Telefonnummer der Kunden eingeholt, wozu Apotheken im Versandhandel jedoch verpflichtet sind, damit eine kostenlose Beratung durch pharmazeutisches Personal der Apotheke erfolgen kann. Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) klagte hiergegen auf Unterlassung, nachdem weder die geforderte Unterlassungserklärung abgegeben wurde noch die Abmahnkosten erstattet wurden. Das LG Berlin hatte die Beklagte bereits zur Unterlassung und Zahlung verurteilt.

Hiergegen legte sie jedoch Berufung ein, die das KG zurückwies.

Pflicht zur Einholung der Telefonnummer

Das Gericht stellte zunächst fest, dass es sich bei der Beklagten um „eine Apotheke mit Erlaubnis zum Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel“ nach § 11a des Apothekengesetzes handle und die Einfuhr nach § 73 Abs. 1 Nr. 1a AMG deutschen Vorschriften genügen müsse. Die Beklagte hielt die entsprechende Regelung für einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Europäische Warenverkehrsfreiheit. Das sah das KG jedoch anders.

Zu Unrecht hält die Berufung die auf die Beklagte anwendbare Regelung des § 17 Abs. 2a Satz 1 Nr. 7 ApBetrO für einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Europäische Warenverkehrsfreiheit. […]. Die Telefonnummernpflicht gilt für die Beklagte gleichermaßen wie für inländische Versandhandelsapotheken. Dass sie für inländische Präsenzapotheken nicht gilt, findet seine sachliche Berechtigung in dem Umstand, dass dort eine insoweit ggf. notwendige (unerfragte) Beratung beim Warenerwerb unmittelbar vor Ort möglich ist.

Das Erfragen der Telefonnummer sei Voraussetzung für eine Belieferung, nur die Bereitstellung einer Telefonhotline und das Anbieten eines Videochats genügten nicht.

Genereller Ausschluss des Widerrufsrechts unzulässig

Zudem war der generelle Ausschluss der Arzneimittel vom Widerrufsrecht unzulässig. Nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB besteht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind, kein Widerrufsrecht. Dass verschriebene Fertigarzneimittel hiervon erfasst würden, bezweifelte das Gericht sehr, andere Fertigarzneimittel fielen jedoch nicht unter diese Ausnahme.

Das KG schloss zudem die Anwendbarkeit einer anderen Ausnahme aus. Nach § 312 g Abs. 2 Nr. 2 BGB ist das Widerrufsrecht bei Waren ausgeschlossen, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde. Die Beklagte war der Auffassung, die Vorschrift fände Anwendung. Nach § 7b Abs. 2 S. 1 AMHandelsV gelten im Großhandel zurückgegebene Medikamente nicht mehr als verkehrssicher. Die Beklagte verteidigte sich damit, dass dies erst Recht auch bei Rückgaben durch Verbraucher gelten müsse. Da der Apotheker die Verkehrsfähigkeit der zurückgegebenen Artikel wegen mangelnder Kenntnis des Transports und der Lagerung nicht sicher beurteilen könne, dürfe er sie nicht erneut abgeben. Zurückgegebene Arzneimittel seien daher „rechtlich verdorben“. Dieser Ansicht folgte das Gericht nicht.

Arzneimittel sind keine Waren, die generell und stets i.S. von Nr. 2 “schnell verderben” können. Die Annahme eines “rechtlichen Verderbens” erscheint als eine – interessengeleitete – semantische Kunstkonstruktion, die aber dem Gesetzeswortlaut und dem erkennbaren Gesetzgeberwillen, ein generelles Widerrufsausschlussrecht hier gerade nicht herzugeben, ersichtlich zuwiderläuft.

Auch der Ausschluss des Widerrufsrechts bei erfolgter Entfernung des Siegels bei Gesundheits- oder Hygieneartikeln nach § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB könne zwar im Einzelfall eingreifen, jedoch nicht immer.

Der generelle Ausschluss des Widerrufsrechts war damit unzulässig und die Berufung unbegründet.

MIND AND I/Shutterstock.com

image_pdfPDFimage_printDrucken