LG Rostock: Klagebefugnis von Verbänden

Für die Klagebefugnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG muss ein Interessenverband u.a. nachweisen, dass ihm eine erhebliche Zahl an Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen auf demselben Markt wie der Beklagte vertreiben. Das LG Rostock (Urt. v. 14.8.2018 - 6 HK O 149/17) musste sich nun mit der Auslegung dieser "erheblichen Zahl" beschäftigen.

Geklagt hatte in diesem Fall ein Interessenverband von Online-Unternehmern, dem bei Klageerhebung etwa 2.100 Mitglieder angehört haben. Laut eigener Satzung verfolgt dieser Verein den Zweck der umfassenden Förderung insbesondere der rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen deutscher Online-Unternehmer.

Der Beklagte war ein gewerblicher Händler für Sammler-Briefmarken auf eBay.

Voraussetzungen der Klagebefugnis

Das Gericht hob zunächst die Voraussetzungen der Klagebefugnis hervor:

Gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG stehen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche wegen unzulässiger geschäftlicher Handlungen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen zu, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt.

Die Prozessführungsbefugnis eines Verbandes muss bereits im Zeitpunkt der Verletzungshandlung bestanden haben und auch noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen.

Was ist eine erhebliche Zahl?

Zentraler Streitpunkt in dieser Angelegenheit war aber nicht der vermeintliche Unterlassungsanspruch des Klägers, sondern dessen Aktivlegitimation und der Begriff der "erheblichen Anzahl" an Unternehmen.

Erheblich ist die Zahl der Mitglieder des Verbandes auf dem einschlägigen Markt dann, wenn diese Mitglieder als Unternehmen - bezogen auf den maßgeblichen Markt - in der Weise repräsentativ sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann.

Nach Klägervortrag befanden sich unter den ca. 2.100 Mitgliedern des Vereins zum Zeitpunkt der Abmahnung nämlich nur neun Unternehmen, die Sammler-Briefmarken vertreiben. Der Beklagte bestritt dies und gab stattdessen an, dass man nur von drei Unternehmen ausgesehen könne, die tatsächlich mit Briefmarken gehandelt hätten.

Wahrnehmung der Interessen im Vordergrund

Bei der Bestimmung der Frage, ob ein Verband über eine "erhebliche Zahl" an Unternehmen unter seinen Mitgliedern verfügt, komme es jedoch nicht darauf an, dass diese Anzahl repräsentativ im Verhältnis zu allen anderen auf dem Markt tätigen Unternehmen ist.

Dies kann auch schon bei einer geringen Zahl auf den betreffenden Markt tätiger Mitglieder anzunehmen sein. Ob diese Verbandsmitglieder nach ihrer Zahl und ihrem wirtschaftlichen Gewicht im Verhältnis zu allen anderen auf dem Markt tätigen Unternehmen repräsentativ sind, kommt es nicht entscheidend an. Das bedeutet, dass die Gesamtzahl der in der Branche tätigen Unternehmen und deren Marktbedeutung nicht entscheidend ist.

Stattdessen reiche es aus, wenn die Zahl sicherstelle, dass der Verband nach der Struktur seiner Mitglieder die ernsthafte kollektive Wahrnehmung der Interessen seiner Mitglieder verfolge.

Den Zweck des Gesetzes, die Klagebefugnis der Verbände auf Fälle zu beschränken, die die Interessen einer erheblichen Zahl von verbandsangehörigen Wettbewerbern berühren, wird schon dann hinreichend Rechnung getragen, wenn im Wege des Freibeweises festgestellt werden kann, dass es dem Verband bei der betreffenden Rechtsverfolgung nach der Struktur seiner Mitglieder um die ernsthafte kollektive Wahrnehmung der Mitgliederinteressen geht.

Damit soll eine mögliche Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung ausgeschlossen werden.

Im Verhältnis zu wenig

Bei der Beurteilung der Mitgliederstruktur nahm das Gericht auch den Umstand in seine Überlegungen auf, dass aufgrund der schieren Menge an Akteuren im Online-Handel zwangsläufig auch hohe absolute Zahlen an Mitgliedern beim Kläger auftauchen. Im Verhältnis zu anderen Wettbewerbsverbänden sei die Zahl der ihm zugehörigen Vereine und Verbände allerdings eher gering.

In diesem Fall nahm das Gericht an, dass nicht die Wahrnehmung von Kollektivinteressen im Vordergrund stand und der Verband nicht klagebefugt war.

Allerdings rechtfertigt die genannte Anzahl an Mitgliedsunternehmen des Klägers angesichts der Struktur seiner Mitglieder nicht den Schluss, dass die Geltendmachung der Ansprüche über die Geltendmachung von Individualinteressen hinausgeht.

Das ist bei lediglich neun Mitgliedern letztlich nicht anzunehmen. [...]

Berücksichtigt man die Gesamtzahl der Mitglieder des Klägers von 2.100 zum Klagezeitpunkt und die vorbeschriebene Mitgliederstruktur, kann bei einer Gesamtzahl von lediglich neun Wettbewerbern, bei denen es sich mit einer Ausnahme auch nur um Einzelpersonen handelt, nicht von einer erheblichen Anzahl i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ausgegangen werden.

MIND AND I/Shutterstock.com

26.06.19