Widerruft der Verbraucher einen Vertrag, bestimmt das Gesetz für die Rücksendung eine Höchstfrist von 14 Tagen. Das AG Münster (Urt. v. 21.9.2018, 48 C 432/18) musste darüber entscheiden, ob der Verbraucher durch eine verspätete Rücksendung sein Widerrufsrecht verwirkt hat.
Der Kläger erwarb am 24.5.2017 verschiedene Gegenstände zu einem Gesamtpreis von 1.627,00 Euro im Online-Shop der Beklagten. Am selben Tag schickte die Beklagte eine Bestellbestätigung sowie eine Widerrufsbelehrung. Am 6.6.2017 erklärte der Kläger dann den Widerruf in Bezug auf den Großteil der gelieferten Waren mit einem Wert von 1.592,00 Euro. Daraufhin schickte er einen Teil der Ware an die Beklagte zurück. Dieser Rücksendung legte er einen Rücksendeschein bei, auf dem "Lieferung 1 von 2" geschrieben stand. Nach Erhalt dieser Rücksendung erstattete die Beklagte den Betrag von 692,00 Euro.
Die übrige Ware schickte der Kläger erst fünf Monate später mit einem zweiten Paket an die Beklagte zurück. Zwischen der ersten und der zweiten Rücksendung hatten weder der Kläger noch die Beklagte Kontaktversuche zur jeweils anderen Partei unternommen.
Am 22.11.2017 bestätigte die Beklagte dann den Erhalt der zweiten Rücksendung, aber verweigerte wegen der Verspätung die Rückzahlung der noch offenen 900 Euro.
Nachdem der Verbraucher vergeblich eine Frist zur Rückzahlung gesetzt hatte, klagte er auf Zahlung.
Das Gericht stellt zunächst fest, dass der Verbraucher wirksam widerrufen hatte. Dadurch sei der Anspruch auf Rückzahlung zunächst entstanden. Seit dem Eingang des zweiten Teils der Rücksendung durfte die Beklagte die Rückzahlung nicht mehr verweigern.
Dabei kann die Beklagte die Rückzahlung seit dem 10.11.2017 nicht mehr gemäß § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB verweigern, weil die Beklagte an diesem Tag die streitgegenständliche Ware vom Kläger zurückerhalten hat. Dass die Beklagte die Annahme in der Form verweigert, dass sie den Kläger zur Rücknahme aufgefordert hat und die Ware getrennt in ihrem Lager aufbewahrt, vermag daran nichts zu ändern, da sie tatsächlich in Besitz der Ware ist und der Abschluss der Rücknahme ausschließlich von ihrem Willen abhängt.
Auch wenn der Kläger seiner Pflicht zur Rückgabe gem. § 355 Abs. 3 S. 1 BGB weder unverzüglich noch innerhalb der Frist nach § 357 Abs. 1 BGB nachgekommen sei, sei der Anspruch nicht erloschen.
Ausdrücklich normiert das Gesetz eine solche Folge, dass bei einer verspäteten Rücksendung durch den Verbraucher die Rückgewährpflicht des Unternehmers entfiele, nicht.
Eine solche Rechtsfolge ergibt sich auch nicht aus einer zwingenden unionsrechtskonformen Auslegung des § 357 Abs. 1 BGB. [...] Die Verbraucherrechterichtlinie schreibt nicht vor, dass das nationale Recht einen Verstoß gegen die Pflicht zur fristgerechten Rücksendung gerade mit dem Untergang des Rechts auf Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages sanktionieren müsste.
Vielmehr trete mit Ablauf der vierzehntägigen Rücksendefrist als Sanktion im deutschen Recht Schuldnerverzug ein. Hierzu hatte die Beklagte jedoch nichts vorgetragen.
Dem Rückzahlungsanspruch stand auch nicht der Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB entgegen.
Eine Verwirkung als Unterfall der wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unzulässigen Rechtsausübung kommt in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat, und der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung dem gesamten Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte und auch entnommen hat, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde.
Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde.
Hierzu habe der Kläger durch sein Verhalten jedoch keinen Anlass gegeben. Dass zwischen der Widerrufserklärung und der Rücksendung der Ware ein Zeitraum von über fünf Monaten lag, sei unbeachtlich.
Bei objektiver Beurteilung hat der Kläger durch sein Verhalten keinen besonders intensiven Vertrauenstatbestand bei der Beklagten geschaffen, nach dem sie mit der Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs durch den Kläger nicht mehr hätte rechnen müssen. [...] Die Beklagte musste jedenfalls nach dem konkreten Verhalten des Klägers eine zweite Rücksendung erwarten und konnte den streitgegenständlichen Kaufvorgang bei objektiver Beurteilung der Umstände nicht für endgültig abgeschlossen halten.
Der Kläger habe nämlich ausdrücklich "Lieferung 1 von 2" auf dem Rücksendeschein des ersten Pakets vermerkt. Zudem fand in der Zwischenzeit kein Kontakt zwischen den Parteien statt, obwohl die Beklagte gegen den Kläger einen Anspruch auf Rückgewähr der entsprechenden Ware gem. § 355 Abs. 1 BGB hatte. Eine solche Kontaktaufnahme hätte jedoch erwartet werden können, schließlich trug sie die Gefahr der Rücksendung gem. § 357 Abs. 4 BGB und war durch den Rücksendeschein auf die Möglichkeit eines zweiten Pakets hingewiesen worden.
Die Beklagte hatte zu ihrer Verteidigung eine Entscheidung des AG Bielefeld angeführt. In diesem Fall hatte ein Verbraucher nach erklärtem Widerruf fast ein halbes Jahr nicht reagiert und das Gericht nahm eine Verwirkung an.
Aus dieser Entscheidung folge jedoch nichts anderes für den vorliegenden Fall. Vielmehr sei immer eine Prüfung des Einzelfalls erforderlich.
Denn ob Verwirkung vorliegt, richtet sich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des jeweiligen Einzelfalls. [...] Dabei verbietet sich ein pauschaler Vergleich allein der Länge der verstrichenen Zeiträume, weil zwischen dem Zeitmoment und dem Umstandsmoment insofern eine Wechselwirkung besteht, als der Zeitablauf umso kürzer sein kann, je gravierender die sonstigen Umstände sind, und umgekehrt an diese Umstände desto geringere Anforderungen gestellt werden, je länger der abgelaufene Zeitraum ist.
Vorliegend hatte der Kläger sein Recht nicht verwirkt und der Anspruch auf Rückzahlung bestand.
Bei der Frage, ob der Verbraucher im Einzelfall sein Widerrufsrecht verwirkt hat, kommt es immer auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an. Der Verbraucher ist zwar verpflichtet, die Ware innerhalb von 14 Tagen zurückzusenden. Überschreitet er diesen Zeitraum, ist sein Rückzahlungsanspruch damit grundsätzlich jedoch nicht erloschen. Eine solche Rechtsfolge sieht das Gesetz nicht vor, sondern es gelten vielmehr die allgemeinen Regeln zum Verzug.
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