Der EuGH ist momentan u.a. mit der Frage beschäftigt, ob ein Unternehmer, der Fernabsatzverträge abschließt, gesonderte Kommunikationsmittel einrichten muss, oder ob er nur über bereits bestehende zu informieren hat. Die Beklagte des Verfahrens ist Amazon EU Sàrl. Am 28.2.2019 gab der EuGH in einer Pressemitteilung die Schlussanträge des Generalanwalts Pitruzzella bekannt.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. hatte Amazon auf Unterlassung in Anspruch genommen, weil vermeintlich unzureichend über Telefon- bzw. Telefaxnummer informiert werde. Damit habe Amazon gegen die Informationspflichten nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c) VRRL verstoßen.
Nachdem die beiden vorinstanzlichen Gerichte die Klage abgewiesen hatten, setzte der BGH das Verfahren aus und rief den EuGH an. Nun hat Generalanwalt Giovanni Pitruzzella dem EuGH seine Entscheidungsempfehlung vorgelegt.
Konkret geht es um die Frage der Auslegung der Wendung "gegebenenfalls" in Bezug auf das Vorhandensein einer Telefonnummer sowie die Zulässigkeit nationaler Bestimmungen wie Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGBGB, die Unternehmer dazu verpflichtet, dem Verbraucher im Rahmen des Abschlusses von Fernabsatzverträgen stets seine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen.
Zunächst betont der Generalanwalt die Zielsetzung der Verbraucherrechterichtlinie, gegen die Amazon vermeintlich verstoßen haben soll. Diese sei nämlich, ein immer höheres Schutzniveau für den Verbraucher zu erreichen, dabei jedoch gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu gewährleisten.
Entsprechend seien die Vorschriften des Unionsrechts dahingehend auszulegen, dass das höchstmögliche Schutzniveau für Verbraucher gewährleistet sei, ohne dabei jedoch in die Gestaltungsfreiheit des Unternehmens stärker einzugreifen, als es zur Erreichung dieses Zweckes unbedingt notwendig ist.
Zur Erreichung dieses höchstmöglichen Verbraucherschutzes sei es jedoch nicht erforderlich, dass eine bestimmte Art der Kontaktaufnahme, wie zum Beispiel per Telefon festgelegt werde, sondern dass eine wirksame Kommunikation zwischen Verbraucher und Unternehmer gewährleistet sei. Die Wirksamkeit der zur Verfügung zu stellenden Kommunikationswege sei dann stets in Bezug auf dasjenige Mittel zu beurteilen, über das der Vertrag geschlossen wurde.
Würden dagegen bestimmte Kommunikationsmittel vorgeschrieben, könnte dies kleinere Unternehmen, die nicht die Größe von Amazon besitzen, über Gebühr belasten. Dies stünde dann im Widerspruch zur Zielsetzung der VRRL.
Daher sei nur entscheidend, dass die folgenden zwei Ziele der Richtlinie gewährleistet sind:
Die Aufzählung der Kommunikationsmittel (Telefon, Fax, E-Mail) in der Richtlinie sei daher lediglich beispielhaft. Im Ergebnis solle der Unternehmer selbst die Wahl haben, welches Kommunikationsmittel er verwende und dabei auch aus "moderneren" wie Internet-Chat oder einem automatischen Rückrufsystem wählen dürfen.
Das allerdings auch nur solange wie auch die oben genannten Ziele weiterhin gewährleistet seien. Zudem sei es zur Erhaltung eines hohen Schutzniveaus erforderlich, dass der Verbraucher aus mehreren Kommunikationsmitteln wählen könne und damit Wahlfreiheit habe.
In Bezug auf das zweite der oben genannten Ziele stellt der Generalanwalt fest, dass das Transparenzgebot einen einfachen Zugang zur Information voraussetzt.
Es darf nicht erst eine komplizierte Suche im Internet notwendig sein, um an die Informationen über Kommunikationsmittel zu gelangen.
Der Gerichtshof möge daher feststellen, dass die Information über die Kommunikationsmittel einfach, effizient und verhältnismäßig schnell zugänglich sein müsse.
Schließlich bedeute der Ausdruck "gegebenenfalls" in Art. 6 Abs. 1 lit. c) VRRL in Bezug auf die drei Kommunikationswege zwischen Unternehmer und Kunden (Telefon, Telefax, E-Mail), dass der Unternehmer nicht dazu verpflichtet sei, einen der genannten Kommunikationswege zu eröffnen, sobald er sich entschließe Fernabsatzverträge abzuschließen.
Außerdem beziehe sich der Begriff auf "für den Verbraucher bereitgestellte Mittel" und nicht auf "im Unternehmen vorhandene". Nicht alles, was in einem bestimmten Zusammenhang existiere oder vorhanden sei, sei nämlich verfügbar oder stehe jedem zur Verfügung, der es benutzen wolle.
Der Generalanwalt gelangt somit zu dem Ergebnis, dass auch dann, wenn das Unternehmen einen Telefonanschluss besitze, dieser nicht zwangsläufig für die Kommunikation mit dem Verbraucher zur Verfügung zu stellen sei, sofern - wie erwähnt - die von der Richtlinie verfolgten Ziele gewährleistet seien.
Zuallerletzt weist Generalanwalt Pitruzzella darauf hin, dass die VRRL ein ausdrückliches Verbot für von der Richtlinie abweichende nationale Vorschriften enthält.
Deshalb schlägt er den Richtern des EuGH vor, festzustellen, dass die VRRL einer nationalen Rechtsvorschrift - wie Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGBGB - entgegensteht, die dem Unternehmer eine in der Richtlinie nicht vorgesehene Verpflichtung wie die auferlege, dem Verbraucher stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen.