Seit Einführung der sog. “Button-Lösung” im Jahr 2012 ist nicht nur der Bestell-Button mit “kaufen” o.ä. zu beschriften, sondern es sind auch noch einmal bestimmte Informationen auf der Checkout-Seite zu wiederholen, u.a. der Preis und die Produktmerkmale. Ein Link auf die Produktdetailseite, wie er bei Amazon vorhanden ist, genüge den gesetzlichen Anforderungen nicht, entschied nun das OLG München (Urteil v. 31.1.2019, 29 U 1582/18).
Schon in der Vergangenheit entschieden zahlreiche Gerichte, so z.B. das OLG Hamburg, B. v. 13.8.2014; OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.10.2014, I-15 U 103/14; OLG Köln, Urteil v. 10.6.2016, 6 U 143/15; LG Hamburg, Urteil v. 26.1.2016, 312 O 482/15 dass sämtliche wesentlichen Eigenschaften der verkauften Ware noch einmal vollständig über dem Bestell-Button aufzulisten seien. Eine Verlinkung genüge nicht.
Auflistung wesentlicher Merkmale auf Checkout-Seite
Hintergrund ist die Vorschrift des § 312j Abs. 2 BGB, die besagt:
Bei einem Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr, der eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand hat, muss der Unternehmer dem Verbraucher die Informationen gemäß Artikel 246a § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 4, 5, 11 und 12 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche, unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung stellen.
Die Informationen nach Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB, auf die Bezug genommen wird, sind:
1. die wesentlichen Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen in dem für das Kommunikationsmittel und für die Waren und Dienstleistungen angemessenen Umfang,
4. den Gesamtpreis der Waren oder Dienstleistungen einschließlich aller Steuern und Abgaben, oder in den Fällen, in denen der Preis auf Grund der Beschaffenheit der Waren oder Dienstleistungen vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- oder Versandkosten und alle sonstigen Kosten, oder in den Fällen, in denen diese Kosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzlichen Kosten anfallen können,
5. im Falle eines unbefristeten Vertrags oder eines Abonnement-Vertrags den Gesamtpreis; dieser umfasst die pro Abrechnungszeitraum anfallenden Gesamtkosten und, wenn für einen solchen Vertrag Festbeträge in Rechnung gestellt werden, ebenfalls die monatlichen Gesamtkosten; wenn die Gesamtkosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, ist die Art der Preisberechnung anzugeben,
11. gegebenenfalls die Laufzeit des Vertrags oder die Bedingungen der Kündigung unbefristeter Verträge oder sich automatisch verlängernder Verträge,
Großteil des Onlinehandels illegal
Während die Auflistung von Preis, Laufzeit und Kündigungsbedingungen auf der letzten Bestellseite regelmäßig keine Probleme bereiten, werden die “wesentlichen Merkmale” der Ware oder Dienstleistung regelmäßig mittels eines Links auf die Produktdetailseite erteilt, so auch bei Amazon. Anderenfalls würde die Checkout-Seite bei vielen Produkten mit umfangreichen Pflichtinformationen (Energiekennzeichnung, Lebensmittelkennzeichnung etc.) sehr umfangreich und damit unübersichtlich werden. Übersichtlichkeit ist jedoch genau das, was das Gesetz bezweckt hatte.
Mit anderen Worten: Die gängige Gestaltung bei Plattformen wie Amazon, aber auch bei eBay oder anderen Plattformen und Händlern ist aktuell illegal. Während Online-Shops durch eigene Programmierung das Thema noch in den Griff bekommen können, sind Händler auf Plattformen der dortigen technischen Gestaltung ausgeliefert, d.h. können mit diesem Thema durch eine Abmahnung regelmäßig “von der Plattform genommen werden”.
Musterprozess, um Rechtsprechung zu ändern
Dies war auch genau der wirtschaftliche Hintergrund des Verfahrens vor dem OLG München. Da sich immer wieder Händler beklagten, dass sie nach einer Abmahnung keinen Handel mehr auf dem Amazon-Marketplace betreiben können und ihnen dadurch hohe Umsätze verloren gehen, strengte die Wettbewerbszentrale ein Verfahren gegen Amazon an. Entweder sollte sich die Rechtsprechung ändern oder Amazon die Gestaltung der Plattform.
Leider folgte das OLG München der herrschenden Rechtsprechung und erklärte die Gestaltung des Amazon-Checkouts für nicht rechtskonform. Die Berufung Amazons gegen das Urteil des LG München I v. 4.4.2018 (33 O 9318/17) wurde zurückgewiesen, Amazon wurden die Kosten auferlegt und das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt.
Sonnenschirm ohne Gewicht auf der Bestellseite
Amazon bot selbst einen Sonnenschirm zum Verkauf an. Der Kunde erhielt auf der Produktdetailseite zu diesem Produkt eine Vielzahl an Informationen. Legte der Kunde das Produkt in den Warenkorb, erschien nur noch ein Foto des Produkts, der Produktname und der Preis. Die digitalen Warenkorb befindlichen Produkte waren jeweils mit der entsprechenden Produktdetailseite verlinkt. Auf der Bestellabschlussseite fanden sich neben dem Produktfoto nur noch Angaben zum Modell, der Farbe und zur Größe. Ein Link auf die Produktdetailseite war nicht vorhanden.
Während die Wettbewerbszentrale in dem Gerichtsprozess die Position vertrat, Amazon sei gemäß § 312j Abs. 2 BGB verpflichtet, dem Verbraucher, unmittelbar bevor dieser seine Bestellung abgibt, klar und verständlich die Informationen gemäß Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 EGBGB und somit die wesentlichen Eigenschaften der Ware zur Verfügung zu stellen, wozu auch bei Sonnenschirmen das Material des Stoffes und des Gestells sowie das Gewicht gehörten, vertrat Amazon die Auffassung, es genüge, wenn Angaben zu den wesentlichen Eigenschaften über einen Link erreichbar seien. Es genüge, wenn die Produktinformationen über einen Link vom „digitalen Warenkorb“ aus erreichbar seien.
Verlinkung nicht zulässig
Das OLG München wies die Berufung als unbegründet zurück:
Ein Zurverfügungstellen der Informationen, unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, liegt nur dann vor, wenn sich die Informationen auf der Internetseite befinden, auf der der Kunde den Bestellvorgang abschließt, nicht aber, wenn die Informationen nur über einen Link abrufbar sind oder aber sogar nur – wie vorliegend – über einen Link auf einer vorgeschalteten Internetseite erreichbar sind.
Dies ergebe sich unzweideutig aus der Gesetzesbegründung, in der insoweit ausgeführt ist (BT Drucksache 17/7745 S. 10):
Die Informationen müssen im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Abgabe der Bestellung stehen. Wenn – wie meist – die Bestellung über eine Schaltfläche erfolgt, müssen die Informationen in räumlicher Nähe zu der Schaltfläche für die Bestellung angezeigt werden, damit das Merkmal der Unmittelbarkeit erfüllt ist. … Keinesfalls genügt es, wenn die Informationen erst über einen gesonderten Link erreichbar oder nur einem gesondert herunterzuladenden Dokument entnehmbar sind.
Europäisches Recht
Auch aus der zu Grunde liegenden Verbraucherrechte-Richtlinie ergebe sich keine andere Betrachtungsweise, so das OLG München:
Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich auch aus der Richtlinie 2011/83/EU, deren Art. 8 Abs. 2 durch § 312j Abs. 2 BGB umgesetzt wird …, dass die Anzeige der wesentlichen Eigenschaften auf derselben Internetseite zu erfolgen hat, auf der die Bestellung abgeschlossen wird, so dass eine Aussetzung des Rechtsstreits und eine Vorlage an den EuGH nicht veranlasst ist. Art. 8 Absatz 2 RL 2011/83/EU lautet wie folgt:
Wenn ein auf elektronischem Wege geschlossener Fernabsatzvertrag den Verbraucher zur Zahlung verpflichtet, weist der Unternehmer den Verbraucher klar und in hervorgehobener Weise, und unmittelbar bevor dieser seine Bestellung tätigt, auf die in Art. 6 Abs. 1 Buchstaben a, e, o und p genannten Informationen hin. …
Auch aus Erwägungsgrund 39 der Verbraucherrechte-Richtlinie ergebe sich, dass die relevanten Informationen in unmittelbarer Nähe der Schaltfläche für die Bestellung angezeigt werden müssen, was bei einer bloßen Verlegung gerade nicht der Fall sei.
Argument: Preis-Verlinkung nicht möglich
Das entscheidende Argument des OLG München ist nicht ganz unerheblich:
Dass die bloße Verlängerung auf die auf einer anderen Internetseite angegebenen wesentlichen Eigenschaften der Ware den Anforderungen des § 312j Abs. 2 BGB nicht genügt, ergibt sich auch daraus, dass die Informationspflichten hinsichtlich der Angaben nach Art. 246 a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 EGBGB mit den Informationspflichten hinsichtlich der Angaben nach Art. 246 a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 5 (Gesamtpreis) und Nr. 11 und 12 (Laufzeit des Vertrages, Mindestdauer der Verpflichtungen) identisch geregelt sind. Das hinsichtlich der Gesamtpreisangaben, der Vertragslaufzeit und der Mindestdauer der Vertragspflichten eine bloße Verlängerung auf diese in der Nähe des Bestellbuttons ausreichend sein sollte, ist aus Gründen des Verbraucherschutzes, dem die Regelungen dienen, fernliegend. Es mag aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit bei größeren Bestellungen – de lege ferenda – in Betracht kommen, hinsichtlich der wesentlichen Eigenschaften der Waren und Dienstleistungen auch eine Verlinkung auf andere Seiten in der Nähe der Bestellschaltfläche für ausreichend zu erachten. De lege lata genügt dies den Anforderungen nicht.
Wie geht es weiter?
Das OLG München hat die Revision zum BGH nicht zugelassen. Daher ist davon auszugehen, dass Amazon zunächst eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde einlegt.
Gleichwohl ist das Urteil in zweiter Instanz jetzt in der Welt und reiht sich ein in eine Vielzahl gleichlautender Entscheidungen zu Online-Shops. Das Risiko, dass Marketplace-Händler nun deswegen abgemahnt werden, ohne dass sie Einfluss auf die Gestaltung des Marktplatzes hätten, ist daher enorm gestiegen. Konkurrenten, die nicht auf dem Marktplatz tätig sind, können so beliebige Mitbewerber von diesen Vertriebskanal ausschließen.
Da dieser Zustand unerträglich ist, gibt es nur zwei Lösungen: Entweder muss Amazon (und wohl auch 98% aller anderen Marktplätze und größeren Händler) den Checkout-Prozess ändern oder das Gesetz muss an dieser Stelle geändert werden. Letzteres ist die von uns favorisierte Lösung.
Da es sich um europäisches Recht handelt, wird dies jedoch nicht von heute auf morgen geschehen. Gleichwohl ist aktuell ein günstiger Zeitpunkt für eine Gesetzesänderung, da die europäische Kommission gerade die Verbraucherrechte-Richtlinie überprüft und Änderungsvorschläge unterbreitet hat (sog. “New Deal”). Eine Änderung an diesem Punkt wurde jedoch bislang noch nicht vorgeschlagen.
Für die Betreiber eines Shopware Shops haben wir hier sofort ein passendes Plugin erstellt damit man die Artikeldetails bzw. wesentlichen Merkmale im Checkoutprozess genau wie auf der Artikel-Detailseite anzeigen lassen kann, z.B. die BuyBox mit Preisen und Preisdetails, Artikelbeschreibung, Artikelnummern (EAN,SKU,…) sowie die tabellarisch dargestellten Eigenschaften.
Im Plugin kann man einstellen ob die Daten dauerhaft eingeblendet sind im Artikel, aufgeklappt werden können, oder über ein Modal dargestellt sein sollen. Zusätzlich kann man seit heute selber explizit steuern welche Daten angezeigt werden sollen und welche ggf. nicht.
Das Plugin findet man im offiziellen Shopware Store unter https://store.shopware.com/netfa16111410032/wesentliche-merkmale/artikel-informationen-im-checkout.html
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Diese Button-Lösung ist seltsam und baut viel mehr Probleme auf, wie die, die sie eigentlich beheben sollte.
Eingeführt wurde sie ja, um undurchsichtige Abofallen zu bereinigen, damit man nicht versehentlich irgendetwas kauft.
Aber da die Button-Lösung nur vier seltsame Begriffe zulässt, werden sämtliche Händler der Gefahr ausgesetzt, deswegen abgemahnt zu werden.
Gerade auf ausländischen Plattformen (in zB englischer Sprache) ohne eigene deutsche Website kann die Button-Lösung nicht durchgesetzt werden.
Sehr ärgerlich ist auch, dass dafür die Händler abgemahnt werden können, die ja auf die Gestaltung der Gesamtwebsite keinen Einfluss haben. Das muss verändert werden!
Was für ein Nonsens des Gesetzgebers. Und die Gerichte geben nicht dem übergeordneten Gedankengang “Übersichtlichkeit und Transparenz des Einkaufs” den Vorzug, sondern dem geschriebenen Detail des Gesetzes. Man fragt sich, wozu wir dermaßen viele hochbezahlte Beamte in den juristischen Organen von Bund und EU haben. Am Ende sind übrigens beide die Dummen: Verbraucher und Händler. Beide sind dann übrigens auch – das wird gerne vergessen – Steuerzahler und im Regelfall Wähler.
Deutschland schafft sich ab, und das mit logarithmisch steigender Geschwindigkeit. Mehr fällt mir dazu leider nicht ein.
Mit freudlichem Gruß
Thomas Wetzel
Die Diskussion ist ja nicht gerade neu. Im Übrigen sieht Trusted Shops die Lösung mit der Verlinkung auf die Beschreibungsseite als rechtens an, der … sieht das ganze wie im oben im Artikel. Sicherlich die rechtssichere Version, aber eben auch die kundenunfreundlichere, da der Warenkorb sehr aufgebläht wirken könnte. Ein endgültiges BGH Urteil wäre hier mal von Vorteil. Amazon würde aber so oder so alles lassen wie es ist und wieder mit einer für das Unternehmen seiner Größe irrelevanten Strafzahlung davon kommen.
Übrigens: Die Anzeige der wesentlichen Produktmerkmale im Checkout wird von der XONIC solutions Shopsoftware seit 2012 und ohne Plugin unterstützt.
Sehr gut. Wir sind bei euch dann gut aufgehoben))
Hautaktiv
Ich finde das wieder typisch für Deutschland. Welcher Endverbraucher hat sich jemals über diesen Aspekt beschwert oder ist nachweislich geschädigt wurden? Eine Steilvorlage für Abmahnanwälte und die Online Stores und Marktplatz Händler werden wieder zur Kasse gebeten. Wann wird diese Abmahnkultur endlich abgeschafft? Wie werden Online Stores mit Ihren Rechten vertreten? Ich würde es sehr begüßen wenn Trusted Shops hier stärker Lobbyarbeit übernehmen würde und dafür wäre ich gerne bereit einen Beitrag zu bezahlen. Bitte startet doch mal hierzu einen Initiative! Ein Jahr nach DSGVO kann ich nur festhalten das wir als Onlinestore viel Aufwand und mehere Tausend € Kosten für den Anwalt hatten und sich in der Praxis nichts geändert hat. Kein Kunde der mehr Daten fordert, weiterhin ein Kunde pro Woche der ein Konto gelöscht haben will, was wir selbstverständlich abwickeln und sonst – wie zu erwarten – nichts.
Zum Thema Lobbyarbeit: ich habe diesen Gesetzentwurf (https://shopbetreiber-blog.de/2018/09/04/endlich-gesetzentwurf-gegen-abmahnmissbrauch-liegt-vor/) mit geschrieben und zwei Jahre lang in Verbänden und Politik diskutiert. Unsere letzte Abmahnstudie (https://shopbetreiber-blog.de/2018/09/05/trusted-shops-abmahnstudie-2018-missbrauch-nimmt-zu/) wurde in zahlreichen Verbandsstellungnahmen zum Anti-Abmahngesetz zitiert, wir wurden sogar von der Anwaltslobby dafür angegriffen. Und: im Amazon-Verfahren waren wir Beschwerdeführer bei der WBZ, um diesen Musterprozess zu führen und die Rechtsprechung zu ändern, dazu habe ich in den letzten Jahren zahlreiche wissenschaftliche Aufsätze geschrieben und einige BGB-Kommentatoren umgestimmt. Wir arbeiten weiter an BGH- und EuGH-Rechtsprechung. Ich denke, das ist nicht so schlecht 🙂
Vielen Dank Hr. Dr. Fröhlich für Ihren Einsatz, das ist definitiv nicht so schlecht 🙂 Weiter so!
Der Verbraucher soll geschützt werden, damit er nicht einen Regenschirm kauft, bei dem er von einer Seite zur nächsten vergessen hat wie schwer er ist? Wie wäre es einmal den Verbraucher vor wirklich wichtigen Dingen wie z.B. Spritzmitteln, Mikroplastik, Medikamentenrückständen im Trink-/Grundwasser zu schützen. Die EU ist nicht für die Menschen da, sondern dient nur dem Kapital, wird Zeit, dass wieder deutsches Recht gesprochen wird und dieses bitte endlich im Sinne des Verbrauchers.