Der Streit um die Abmahnbarkeit von DSGVO-Verstößen bleibt weiter spannend. Die drei bisher ergangenen Entscheidungen kamen alle zu unterschiedlichen Ergebnissen: "ja", "nein" und "es kommt drauf an". Nun liegt durch das LG Wiesbaden ein viertes Urteil vor, das die Frage wiederum verneint.
Mit Urteil vom 5.11.2018 (5 O 214/18) hat das LG Wiesbaden entschieden, dass die Regelungen der DSGVO zur Durchsetzung von Ansprüchen im Falle eines Verstoßes abschließend sind und keine Anwendung des Wettbewerbsrechts stattfindet.
Hierbei setzte sich das Gericht eingehend mit dem Streitstand auseinander.
Im Mittelpunkt der Diskussion stehe die durch den Verstoß betroffene Person. Es geht schließlich um ihre Rechte, die durch eine Abmahnung geschützt werden sollen. Das LG Wiesbaden weist allerdings darauf hin, dass die DSGVO eben dieser eine Reihe von Durchsetzungsmöglichkeiten für ihre eigenen Rechte an die Hand gibt.
"Sie kann sich mit einer Beschwerde an die zuständige Aufsichtsbehörde wenden (Art. 74, 78 DSGVO), die dann ihrerseits tätig wird.
Die betroffene Person hat aber auch nach Art. 79 DSGVO selbst das 'Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf', wenn sie der Ansicht ist, dass ihre Rechte aus der Datenschutzgrundverordnung verletzt worden sind."
Außerdem könne sie den Ersatz ihr entstandener materieller sowie immaterieller Schäden verlangen (Art. 82 DSGVO) und auch Dritte mit der Wahrnehmung ihrer Rechte beauftragen (Art. 80 Abs. 1 DSGVO).
Befürworter der Anwendung des Wettbewerbsrechts auf Datenschutzverstöße seien der Auffassung, dass es sich bei der DSGVO um Marktverhaltensregelungen iSd. § 3 Buchst. a UWG handelt. Diese Ansicht verkenne aber, dass § 3 Buchst. a UWG nicht anwendbar ist, wenn die betreffende Regelung der DSGVO die Rechtsfolgen eines Verstoßes abschließend regelt. Dies sei durch Auslegung festzustellen.
Eine solche abschließende Regelung sei in den Art. 70 ff. DSGVO zu finden. Die Ausnahme des Art. 80 Abs. 2 DSGVO, wonach Mitgliedsstaaten die Rechtswahrnehmung durch bestimmte Dritte auch ohne Auftrag der betroffenen Person erlauben können, sei, wie alle Ausnahmen, eng auszulegen und dürfe nicht über ihren Wortlaut hinaus verstanden werden.
Der Umstand, dass Art. 80 Abs. 2 DSGVO konkrete Anforderungen an die aufgeführten Dritten, auf die die Ausnahme abzielt, stellt, sei Indiz dafür, dass der Unionsgesetzgeber gerade keine Rechtsdurchsetzung durch Mitbewerber zulassen wollte. Andernfalls hätte er eine ähnliche Formulierung wählen können, wie sie auch in Art. 11 Abs. 1 RL 2005/29/EG (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) Anwendung findet ("einschließlich Mitbewerbern").
Diese Argumentation werde dadurch gestärkt, dass die DSGVO und das UWG unterschiedliche Schutzzwecke verfolgten.
Während das UWG "dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen" diene, ziele die DSGVO auf den Schutz der "Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen, insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten" ab.
Insofern habe die DSGVO mehr den Schutz des Individuums selbst im Visier. Zudem sei die Rechtsdurchsetzung im 8. Kapitel der DSGVO mehr bei den Aufsichtsbehörden angelegt, wohingegen die §§ 8-10 UWG von privater Initiative geleitet würden.
Mitbewerber seien daher nicht klagebefugt.
In seiner Begründung verweist das LG Wiesbaden ausdrücklich auf die zuvor ergangene Entscheidung des LG Bochum, das auf dieselben Literaturstimmen verwies wie nun das Landgericht aus Hessen.
"Das Landgericht Bochum hat sich der Ansicht von Köhler mit dem Argument angeschlossen, dass die Datenschutzgrundverordnung eine detaillierte Regelung des anspruchsberechtigten Personenkreises enthält.
Danach steht nicht jedem Verband ein Recht zur Wahrnehmung der Rechte einer betroffenen Person zu, sondern nur bestimmten Einrichtungen, Organisationen und Vereinigungen ohne Gewinnerzielungsabsicht unter weiteren Voraussetzungen.
Hieraus sei zu schließen, dass der Unionsgesetzgeber eine Erstreckung auf Mitbewerber des Verletzers nicht zulassen wollte.
Diese Ansicht überzeugt, da keine Rechtsschutzlücke besteht.
Vor dem Hintergrund, dass keine Rechtsschutzlücke im Bereich der Datenschutzgrundverordnung besteht, muss sie auch nicht durch eine Anwendung des §§ 3 Buchst. a UWG geschlossen werden."
Das Urteil des LG Wiesbaden ist noch nicht rechtskräftig. Insofern bleibt abzuwarten, ob sich nun eine höhere Instanz mit dieser Angelegenheit befassen muss.
Als erstes Oberlandesgericht hatte kürzlich das OLG Hamburg in dieser Frage entschieden und bestimmte DSGVO-Verstöße für abmahnbar erklärt.