Der BGH fragt den EuGH, was unter Hygieneartikeln zu verstehen ist und ob Matratzen dazu gehören. Heute wurde der Beschluss veröffentlicht. Aber es geht auch um eine weitere, wichtigere Frage: Wie konkret muss der Unternehmer über die Ausnahmen vom Widerrufsrecht informieren?
Der BGH (Beschluss v. 15.11.2017, VIII ZR 194/16) hat den EuGH gefragt, ob beim Kauf von Matratzen ein Widerrufsrecht besteht (wir berichteten).
Der EuGH wird also klären müssen, was Hygieneartikel sind. Außerdem muss er klären, was eine Versiegelung im Sinne des Gesetzes ist.
Der BGH stellt in seinem Beschluss aber noch eine dritte Frage, die in der mündlichen Verhandlung so gar nicht thematisiert wurde: Wie genau ist der Verbraucher über die bestehende Ausnahme vom Widerrufsrecht zu informieren?
Bislang ist es üblich, dass unterhalb der Widerrufsbelehrung die möglicherweise einschlägigen gesetzlichen Ausnahmen aufgeführt werden.
Dass Unternehmer aktuell so über die Ausnahmen belehren, liegt an alter BGH-Rechtsprechung. 2009 hatte der BGH (Urt. v. 9.12.2009, VIII ZR 219/08) entschieden, dass es ausreichend sei, wenn man die einschlägigen Ausnahmen unterhalb der Widerrufsbelehrung aufzähle.
Der BGH begründete dies damals wie folgt:
"Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Beklagte nicht verpflichtet, für jeden angebotenen Artikel gesondert anzugeben, ob dem Verbraucher insoweit ein Rückgaberecht zusteht, und folglich für Fernabsatzverträge im elektronischen Geschäftsverkehr verschiedene Versionen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden. Eine solche Pflicht lässt sich aus dem sich aus § 355 Abs. 2 BGB ergebenden Erfordernis einer möglichst umfassenden, unmissverständlichen und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutigen Belehrung nicht ableiten.
Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass die Belehrung grundsätzlich keine anderen Erklärungen enthalten darf, um die vom Gesetz bezweckte Verdeutlichung (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB) des Rechts zum Widerruf beziehungsweise der Rückgabe nicht zu beeinträchtigen. So liegt es hier aber schon deshalb nicht, weil die Belehrung Angaben über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rückgaberechts enthalten muss (§ 312c Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV), so dass die Angaben über die Ausschlusstatbestände einen Teil der Belehrung bilden.
Eine Belehrung, die dem Verbraucher die Beurteilung überlässt, ob die von ihm erworbene Ware unter einen Ausschlusstatbestand fällt, ist auch nicht missverständlich. Es trifft zwar zu, dass über die Auslegung der Ausschlusstatbestände Zweifel bestehen. Diese Auslegungszweifel werden aber nicht dadurch beseitigt, dass die Beklagte bei - ihrer Meinung nach - den Ausschlusstatbeständen unterfallenden Fernabsatzverträgen lediglich darüber belehrt, dass ein Rückgaberecht nicht bestehe. Der Verbraucher erhielte in diesem Fall deutlich weniger Informationen, als wenn er über den gesetzlichen Wortlaut der Ausschlusstatbestände informiert wird. Dies ermöglicht dem Verbraucher vielmehr, sich eine abweichende Meinung zu bilden und auf eine Klärung hinzuwirken."
Durch die Verbraucherrechterichtlinie haben sich aber die Pflichten des Unternehmers geändert. Nach altem Recht musste der Unternehmer über das Bestehen oder Nichtbestehen des Widerrufsrechtes informieren. Der Gesetzeswortlaut war sehr allgemein gefasst.
Heute heißt es aber, dass der Verbraucher informiert werden muss:
"in Fällen, in denen gemäß Artikel 16 kein Widerrufsrecht besteht, den Hinweis, dass der Verbraucher nicht über ein Widerrufsrecht verfügt, oder gegebenenfalls die Umstände, unter denen der Verbraucher sein Widerrufsrecht verliert."
Der Verbraucher ist also NUR in den Fällen zu informieren, wenn eine Ausnahme überhaupt einschlägig ist und nicht pauschal über alle Ausnahmen.
Außerdem ist der Unternehmer verpflichtet, die Umstände zu erläutern, unter denen das Widerrufsrecht verloren geht. Also z.B. durch die Entfernung eines Siegels um eine Matratze.
Ist also die alte Rechtsprechung des BGH auf das neue Recht übertragbar oder muss der Unternehmer konkreter informieren? Genau diese Frage muss jetzt der EuGH entscheiden:
"Hat der vom Unternehmer vor Eintritt der Vertragsbindung zu erteilende Hinweis nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. k der Verbraucherrechterichtlinie in der Weise zu erfolgen, dass der Verbraucher unter konkreter Bezugnahme auf den Kaufgegenstand (hier: Matratze) und die angebrachte Versiegelung darauf hingewiesen wird, dass er das Widerrufsrecht bei Entfernung des Siegels verliert?"
Entscheidet der EuGH, dass die Belehrung konkret erfolgen muss, hat dies enorme Folgen auf alle Online-Händler. Denn dann müsste bei jedem Produkt klar gesagt werden, wenn dies unter eine Ausnahme zu subsumieren ist. Das ist insbesondere dann schwierig, wenn der Fall nicht ganz klar ist, z.B. bei individualisierten Produkten.
Das Risiko einer falschen Belehrung ist sehr hoch - und damit auch die Gefahr von Abmahnungen.
Mit einer Entscheidung des EuGH ist im Laufe des nächsten Jahres zu rechnen. Wir werden Sie selbstverständlich auf dem Laufenden darüber halten. (mr)