Haftet ein Internetportal für die Inhalte seiner User? Diese Frage müssen die Gerichte schon seit Jahren in immer neuen Konstellationen beantworten. In einer neuen Entscheidung nahm sich nun das KG Berlin dieser Frage an.
In dem entschiedenen Fall des KG Berlin (Urt. v. 21.6.2017, 5 U 185/16) war ein Online-Lieferdienst vom Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs in der Nahrungsmittel- und Gastronomiebranche e.V. abgemahnt worden, weil auf dem Portal Lebensmittel angeboten wurden, die nicht mit den notwendigen Angaben versehen waren. Konkret bezog sich die Abmahnung auf sechs Verstöße:
Zu klären war die Frage, ob das Portal selbst für diese Fehler haftet. Schließlich kamen die Angaben von den entsprechenden Partnerrestaurants des Dienstes. Das Portal selbst erstellte gar keine Angebote, sondern zeigte lediglich die Angaben der Partner an.
Damit ein Portal für die Angaben seiner Nutzer haftet, müsste es sich diese zu eigen machen. Zu diesem Thema hat sich vor einigen Jahren schon der BGH geäußert (Urt. v. 12.11.2009, Az. I ZR 166/07 – marions-kochbuch.de).
Damals war das Rezepte-Portal www.chefkoch.de von den Betreibern einer anderen Rezepte-Internetseite verklagt worden, weil mehrere Rezepte auf den Seiten des Portals Bilder von Gerichten beinhalteten, die der Betreiber des konkurrierenden Internetauftritts geschaffen hatte. Zwar waren die Rezepte mit den beanstandeten Bildern von Dritten hochgeladen worden. Die Rezepte waren auf der Seite allerdings so dargestellt, dass das Firmenemblem des Portals im Vergleich zu dem Namen des hochladenden Nutzers sehr prominent angezeigt wurde.
Das Berufungsgericht traf hierzu u.a. folgende Beurteilung, die der BGH so bestätigte:
„Inhalt und Aufbau der Internetseite "www.chefkoch. de" vermittelten dem verständigen Internetnutzer den Eindruck, dass sich die Beklagte die von ihren Nutzern hochgeladenen Kochrezepte und Abbildungen zu Eigen gemacht habe.
Zwar bleibe dem Nutzer nicht verborgen, dass die Rezepte sämtlich oder überwiegend von anderen Kochbegeisterten eingestellt würden. Die Kochrezepte stellten aber den "redaktionellen Kerngehalt" des gesamten Internetauftritts dar, für den die Beklagten als Anbieter stünden und im Außenverhältnis verantwortlich seien.
Die Beklagten ließen sich die materiellen Inhalte ihrer Internetseite lediglich durch Dritte gestalten, während sie hieraus den kommerziellen Nutzen zögen. Die Beklagte überprüfe die Rezepte vor einer Freischaltung sorgfältig auf Richtigkeit sowie Vollständigkeit und mache sie sich damit zu Eigen.“
Auf Grund der besonderen Darstellungsweise und des Fakts, dass die Rezepte vor Freischaltung durch Angestellte des Portals überprüft werden, bejahte der BGH also ein Zu-Eigen-machen der Inhalte und verurteilte „chefkoch.de“ zur Schadensersatzzahlung.
In dem nun entschiedenen Fall des KG Berlin verhielt es sich aber insofern anders, als dass die Partnerrestaurants die Angaben zu ihren Angeboten nicht selbst einstellen, ergänzen oder korrigieren können.
Vielmehr tragen Mitarbeiter der Plattform die mitgeteilten Angaben eigenhändig und unverändert in einer dem Corporate Design des Portals entsprechenden Formatierung auf der Internetseite ein.
Deshalb schloss das Kammergericht ein mögliches Zu-Eigen-machen in diesem Fall aus.
Dadurch, dass der Onlinedienst die Gestaltung des Onlineauftritts gänzlich selbst bestimmt und dies nicht etwa in einem automatisierten Prozess durch Dritte ohne Kenntnisnahme des Betreibers geschieht, handele es sich von Anfang an nicht um fremde Inhalte, sondern um eigene Inhalte des Portals.
Die Verantwortlichkeit für eventuelle Verstöße bei den Angaben ist hier also zweifelsfrei gegeben.
Zu der Zumutbarkeit der Pflicht, die von den Partnern erhaltenen Angaben zu überprüfen, führte das Kammergericht aus:
„In allen Fällen war es offenbar jedenfalls für den Kläger ein Leichtes, sich und der Beklagten und dem Gericht Kenntnis über die diesbezüglichen Herstellerangaben zu verschaffen.
Insoweit wird also auch von der Beklagten nichts Unzumutbares verlangt, wenn die konkreten Verletzungsformen zu besagten Fällen verboten bzw. - umgekehrt gewendet - ihr diesbezügliche, einfache, Recherchen angesonnen werden.
Denkbar wäre hier auch, dass die Beklagte - was aber selbstredend ihr überlassen bleibt - eine Datenbank aufbaut, die sie sukzessive mit den von ihr ermittelten Herstellerangaben zu vertriebenen Markenfertigprodukten anreichert und auf die sie dann immer häufiger wird zurückgreifen können, weil und soweit bestimmte Markenfertigprodukte (insbesondere Getränke und Speiseeis) immer wieder - gewissermaßen als Standard - vertrieben werden.“
Der von dem beklagten Lieferdienst vorgebrachte Einwand, dass es ihm nicht zuzumuten sei, alle Angaben zu überprüfen, zumal er kein Lebensmittellabor führe und keine Lebensmittelchemiker beschäftige, wurde somit abgewiesen. Auch der Hinweis, er könne die Richtigkeit dieser Angaben angesichts deren Vielzahl (10.000 Lieferservices mit in der Regel über 80 verschiedenen Speisen und über 10 verschiedenen Getränken) nicht überprüfen, war für das Kammergericht ohne Belang.
Die Lieferplattform war also für alle wettbewerbswidrigen Fehler selbst verantwortlich.
In Anspruch genommen wurde in dem Verfahren lediglich die Plattform selbst. Daneben hätte aber auch jeder einzelne Lieferdienst in Anspruch genommen werden können, weil dieser wettbewerbswidrig auf der Plattform geworben hatte. Darum ging es aber in dem laufenden Verfahren nicht.
Übrigens: Eine wirkliche Überraschung ist diese Entscheidung nicht. Bereits das OLG Düsseldorf und das OLG Frankfurt erkannten wettbewerbsrechtliche Verstöße von Plattformbetreibern, wenn diese ihren Usern nicht ausreichend Felder zur Verfügung stellten, damit die Händler dort ein Impressum vorhalten können. (mr)
Hinweis: Wir bedanken uns bei Rechtsanwalt Jörg Thomas für die Übersendung der Entscheidung.
Bildnachweis: Michal Kalasek/shutterstock.com