Streik: Können Online-Händler Schadenersatz fordern?

Streik beim Logistikunternehmen, Streik bei amazon. Viele Sendungen blieben liegen, es hagelte negative Bewertungen und Umsätze gehen zurück. Aber haben Online-Händler in diesem Fall einen Anspruch auf Schadenersatz? Das Bundesarbeitsgericht hat sich erneut mit dieser Thematik beschäftigt.

Das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 25.8.2015, 1 AZR 754/13) hatte bereichts entschieden, dass von einem Streik betroffene Dritt-Unternehmen von der zum Streik aufrufenden Gewerkschaft keinen Schadenersatz verlangen können, da der Streik nicht in die Rechte dieser Dritt-Unternehmen eingreift. Das BAG hat diese Auffassung nun bestätigt.

Geklagt hatten mehrere Fluggesellschaften gegen die Gewerkschaft der Flugsicherung. Durch deren Streik gingen den Fluggesellschaften rund 3,2 Millionen Euro verloren, diese wollen sie von der Gewerkschaft ersetzt haben.

Was war geschehen?

Im Jahr 2008 forderte die Gewerkschaft die Flughafen Stuttgart GmbH zu Tarifverhandlungen auf. In der Folge kam es zu Arbeitskampfmaßnahmen, also Streiks. Zusätzlich rief die Gewerkschaft die Beschäftigten der Vorfeldkontrolle/Verkehrszentrale zu einem "Unterstützerstreik" auf.

Nur 25% des regulären Flugbetriebes wurden abgewickelt, wodurch zahlreiche Flüge ausfielen oder Verspätungen hatten bzw. umgeleitet werden mussten.

Das Arbeitsgericht Frankfurt a.M. erließ gegen die Gewerkschaft eine Verbotsverfügung, sie musste daraufhin den Unterstützerstreik vorzeitig abbrechen.

Kein Anspruch auf Schadenersatz

Die Fluggesellschaften hatten mit ihrer Klage auf Schadenersatz in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Auch die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg. Aus der Pressemitteilung (43/15) des Gerichts:

"Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen einer widerrechtlichen Eigentumsverletzung in Form einer erheblichen Nutzungsbeeinträchtigung an den Flugzeugen besteht nicht.

Das Recht der Klägerinnen am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht iSd. § 823 Abs. 1 BGB ist ebenfalls nicht verletzt.

Der Streik der Fluglotsen war gegen den Betrieb der DFS gerichtet.

Ein Eingriff in die Gewerbebetriebe der Klägerinnen war damit nicht verbunden und ist insbesondere nicht wegen der öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen für Luftverkehrsunternehmen anzunehmen.

Auch die Voraussetzungen einer sittenwidrigen Schädigung der Klägerinnen iSd. § 826 BGB durch den Arbeitskampf bei der DFS liegen nicht vor."

Das Gericht hat den Anspruch schon an der ersten Voraussetzung eines Schadenersatzanspruches scheitern lassen: Dem Eingriff in ein Rechtsgut des Klägers.

Das Gericht hat sich also - zumindest nach der Pressemitteilung - gar nicht damit beschäftigt, ob der Streik rechtswidrig war oder nicht, sondern den Anspruch bereits auf der ersten Stufe verneint.

Update 27.07.: Neues Urteil des Bundesarbeitsgerichtes

Auch in den neuen Verfahren, die das BAG am 25.7.2016 entschieden hat, betrafen erneut Klagen von Fluggesellschaften gegen die Gewerkschaft der Flugsicherung.

Diese hatte zu einem Streik am Frankfurter Flughafen aufgerufen. Das BAG stellte fest, dass dieser Streik rechtswidrig war.

Im Parallelverfahren der Betreibergesellschaft des Flughafens (Fraport AG) gegen die Gewerkschaft (Urt. v. 25.7.2016, 1 AZR 160/14) hat das Bundesarbeitsgericht nun entschieden, dass die Fraport AG einen Schadenersatzanspruch gegen die Gewerkschaft hat, weil der Streik rechtswidrig war.

Die klagenden Fluggesellschaften dagegen haben keinen Anspruch auf Schadenersatz, weil sie Drittbetroffene sind.

Bedeutung für Online-Händler

Die Entscheidung des BAG ist ein Grundsatzurteil und lässt sich auch auf von Streiks betroffene Online-Händler übertragen:

Online-Händler, denen durch einen Streik Schäden entstehen, können keinen Schadenersatz gegen die zum Streik aufrufende Gewerkschaft geltend machen - und zwar selbst dann nicht, wenn so ein Streik einmal rechtswidrig sein sollte, da der Streik nicht in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Händler eingreift.

Wird der Händler dagegen selbst bestreikt, kann er unter Umständen einen Anspruch auf Schadenersatz gegen die Gewerkschaft haben, wenn sich der Streik als rechtswidrig herausstellt. Das schwächt die Position von Arbeitnehmern und Gewerkschaften enorm, wie zeitonline schreibt. Es bleibt abzuwarten, ob die Gewerkschaft Verfassungsbeschwerde einlegen und wie dann ggf. das Bundesverfassungsgericht entscheiden wird. (mr)

 

27.07.16