Für Online-Händler ist es oft schwer einzuschätzen, ob der Kunde ein Verbraucher oder ein Unternehmer ist. Diese Frage spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn es um das Widerrufsrecht geht. Eine klassische Konstellation lag jetzt dem AG Bonn zur Entscheidung vor.
Der Kunde und der Unternehmer schlossen einen Vertrag über eine Alarmanlage. Der Vertragsschluss fand in der Privatwohnung des Kunden statt, es handelte sich also um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag - bei diesen Verträgen gelten die gleichen Regelungen über das Widerrufsrecht wie im Online-Handel, weswegen der Fall durchaus auch für Online-Händler relevant ist.
Der Mitarbeiter des Unternehmers "installierte" die Alarmanlage. Das bedeutete in diesem Fall: Er stellte sie auf und steckte den Stecker in die Steckdose.
Auf dem Lieferschein war vermerkt, dass das Widerrufsrecht bei "installierten Anlagen" ausgeschlossen sei. Außerdem war auf dem Lieferschein vermerkt, dass die Rechnung nicht an die Privatanschrift des Kunden, sondern an seine Geschäftsanschrift gehen sollte.
Bei der Vertragsabwicklung übergab der Kunde dem Mitarbeiter außerdem einen ausgefüllten Überweisungsträger.
Ein paar Tage später schickte der Kunde ein Schreiben an den Unternehmer, in dem er zum Ausdruck brachte, dass er sich vom Vertrag lösen wolle. Er bat den Unternehmer, sich dazu zu äußern, ob der Kunde die Alarmanlage zurückschicken solle oder ob der Unternehmer diese wieder abhole. Außerdem bat er darum, den Überweisungsträger nicht bei der Bank einzulösen.
Letztes tat der Unternehmer aber dennoch.
Auf telefonische Nachfrage teilte der Unternehmer mit, er wolle den Vertrag nicht "wandeln" (das ist ein Begriff, den es schon seit 2002 nicht mehr gibt. Im früheren Recht war das ein Begriff aus dem Gewährleistungsrecht.).
Letztlich klagte der Kunde auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe der Alarmanlage.
Zunächst beschäftigte sich das Gericht (AG Bonn, Urt. v. 8.7.2015, 103 C 173/14) mit der Frage, ob dem Kunden ein Widerrufsrecht zustand. Hierzu musste die Frage erörtert werden, ob der Kunde als Verbraucher oder als Unternehmer gehandelt hatte.
Der Kläger handelte als Verbraucher.
Gemäß § 13 BGB ist Verbraucher jede natürliche Person ist, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Soll der Vertragsgegenstand sowohl der beruflichen als auch der privaten Benutzung dienen, ist entscheiden, welche Benutzung überwiegt (Palandt/Ellenberg, BGB, § 13 Rn. 4.). Entscheidend ist nicht der innere Wille des Handelnden, sondern der durch Auslegung zu ermittelnde Inhalt des Rechtsgeschäfts. In die Auslegung sind die äußeren Begleitumstände des Vertragsschlusses mit einzubeziehen.
Vorliegend sprechen insofern fast alle Anhaltspunkte für ein Handeln des Klägers als Verbraucher. Schon gar nicht steht eine überwiegende Nutzung der Anlage im unternehmerischen Bereich fest.
Die Beratung und „Installation“ der Anlage seitens des Mitarbeiters der Beklagten erfolgte am Wohnsitz des Klägers und war durch eine Telefonmarketing- Aktion der Beklagten unter der privaten Rufnummer des Klägers initiiert worden. Der Mitarbeiter der Beklagten hielt sich während der gesamten Beratung ausschließlich in der privaten Wohnung des Klägers auf. Typischerweise wird man davon ausgehen können, dass der Kläger den Termin zur Vorführung der Alarmanlage auch an seinem Arbeitsplatz wahrgenommen hätte, wenn er an einer überwiegenden Nutzung für seine Geschäftsräume interessiert gewesen wäre. Auch die Anwesenheit der Ehefrau bei der Benutzung spricht für einen privaten Nutzungswillen.
Lediglich die Angabe der Geschäftsadresse als Rechnungsadresse sprach für das Gericht in Richtung einer unternehmerischen Tätigkeit. In der Regel soll damit erreicht werden, entsprechende Einkäufe steuerlich geltend zu machen. Ein dadurch versuchter Betrug des Finanzamtes sei für die zivilrechtliche Beurteilung der Verbrauchereigenschaft aber unerheblich, so das Gericht.
"Für eine Zuordnung zur unternehmerischen Tätigkeit des Klägers spricht lediglich die Tatsache, dass die Rechnungsstellung an die Geschäftsadresse des Klägers erfolgen sollte. Dies hat typischerweise den Zweck, eine im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit steuerrechtlich relevante Rechnung zu erhalten. Da die Anlage indes vor Ort angeschlossen worden ist, ergibt sich hieraus unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände (vgl. oben) nicht, dass die Anlage überwiegend im unternehmerischen Bereich eingesetzt werden sollte.
Allenfalls könnte man vermuten, dass das Finanzamt betrogen werden sollte, was indes für die zivilrechtliche Beurteilung der Verbrauchereigenschaft ohne Bedeutung ist."
Dies mag zunächst verwunderlich klingen. Entspricht aber der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 30.9.2009, VIII ZR 7/09). Dieser hatte sich ebenfalls mit der Frage zu beschäftigen, wann man von einem Verbraucher als Käufer ausgehen könne.
"Vielmehr ist bei einem Vertragsschluss mit einer natürlichen Person grundsätzlich von Verbraucherhandeln auszugehen.
Anders ist dies nur dann, wenn Umstände vorliegen, nach denen das Handeln aus der Sicht des anderen Teils eindeutig und zweifelsfrei einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist."
In dem damals entschiedenen Fall fehlte es an solchen Umständen.
"Die Angabe der Anschrift der Rechtsanwaltskanzlei als Lieferanschrift für die bestellten Lampen mag schon darin eine naheliegende Erklärung finden, dass die Klägerin an Arbeitstagen zu den üblichen Postzustellzeiten unter ihrer Privatanschrift nicht erreichbar war.
Auch die Angabe der Anschrift "Kanzlei Dr. B." in Verbindung mit dem hiervon abweichenden Namen der Klägerin als Rechnungsadresse lässt keinen eindeutigen und zweifelsfreien Schluss auf eine Bestellung der Lampen zu selbstständigen beruflichen Zwecken zu."
Letztlich hat sich das Gericht - noch kurz - mit der Frage beschäftigt, ob das Widerrufsrecht bei einer bereits aufgestellten und mit der Steckdose verbundenen Alarmanlage ausgeschlossen sei.
"Soweit die Beklagte meint, ein Widerrufsrecht sei nach den Vertragsbedingungen ausgeschlossen, weil es sich um eine „installierte“ Anlage handele, greift dieser Einwand nicht durch.
Zunächst sind die Ausschlussgründe gemäß § 312g Abs. 2 BGB abschließend und nicht durch allgemeine Vertragsbedingungen abdingbar.
Allenfalls in Betracht käme § 312g Abs. 2 Nr. 4 BGB. Die Anlage wurde vorliegend -wie in der mündlichen Verhandlung eindrucksvoll demonstriert - indes nicht untrennbar mit anderen Gütern vermischt (also „installiert“), sondern lediglich aufgestellt. Sie konnte durch den Kläger ohne weiteres zum Gerichtstermin mitgenommen werden."
Der Kunde hatte seinen Vertrag also wirksam widerrufen.
In dem entschiedenen Fall war der private Zweck des Alarmanlagen-Kaufs ziemlich offenkundig, da der Unternehmer selbst - bzw. einer seiner Mitarbeiter - die Alarmanlage im Privathaus des Verbrauchers "installiert" hatte. Bei Fernabsatzgeschäften können Online-Händler die tatsächliche Nutzung von Produkten nicht auf diese Weise überprüfen. Die Feststellung, ob der Kunde als Unternehmer gehandelt hat, ist schwierig und mit hohen Hürden verbunden.
Kauft eine natürliche Person im Online-Shop ein, ist - wie der BGH entschieden hat - grundsätzlich von Verbraucherhandeln auszugehen. Anderes ist nur dann anzunehmen, wenn aus den Umständen eindeutig und zweifelsfrei etwas anderes ergibt. (mr)