Umsetzung der VRRL: Neue Ausnahmen vom Widerrufsrecht

Mit der Umsetzung der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, wird auch das Widerrufsrecht umfassend neu geregelt werden. Davon betroffen sind auch die Ausnahmen vom Widerrufsrecht, die erweitert wurden. Ob damit aber mehr Rechtssicherheit eintreten wird, muss abgewartet werden.

Achtung, der folgende Beitrag bezieht sich auf vorgeschlagene Änderungen des Gesetzes aus einem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz. Es handelt sich hierbei noch nicht um geltendes Recht. Der Beitrag soll nur dazu dienen, Sie bereits frühzeitig über die geplanten Änderungen zu informieren.

Die Ausnahmen vom Widerrufsrecht sind in § 312g Abs. 2 und 3 BGB-RefE geregelt. Drei Ausnahmen sind dabei für Online-Händler von besonderer Bedeutung, da sie bisher nicht existierten.

Neue Ausnahmen

Kein Widerrufsrecht hat der Verbraucher nach den neu hinzugekommenen Ausnahmen künftig, bei Verträgen

  • zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde;
  • zur Lieferung von Waren, die nach der Lieferung aufgrund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurden;
  • zur Lieferung alkoholischer Getränke, deren Preis beim Abschluss des Kaufvertrags vereinbart wurde, deren Lieferung aber erst nach 30 Tagen erfolgen kann und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat.

Gesundheitsschutz und Hygiene

Schon die erste Ausnahme bietet viel Spielraum für Auslegung.

Es stellt sich zunächst die Frage, welche Produkte aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sein sollen. Diese erste Voraussetzung dürfte unzweifelhaft bei allen Produkten erfüllt sein, die in Körperöffnungen eingeführt werden, wie z.B. Piercing-Schmuck, Zahnbürsten oder Erotikspielzeug. Eine nähere Erklärung für diese Ausnahme findet sich allerdings in der Richtlinie nicht, auch nicht in ihren Erwägungsgründen. Auch in der deutschen Begründung für den Referentenentwurf findet sich keine Erklärung.

Bei einer sehr weiten Auslegung würden unter diese Ausnahme wohl auch Handtücher, Bekleidungsartikel oder Schuhe gehören. Ausnahmen sind aber nach EuGH-Rechtsprechung äußerst eng auszulegen, sodass nicht jedes Produkt, was irgendwie mit dem Körper eines Menschen in Berührung kommt, darunter zu fassen ist.

Das OLG Koblenz hat im "Badeenten-Fall" einmal versucht, eine Definition für Hygieneprodukte zu liefern. Wenn die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt worden ist, werden wohl noch viele Gerichte sich mit solchen Definitionsfragen beschäftigen müssen.

Versiegelung

Damit diese Artikel vom Widerrufsrecht ausgenommen sind, muss zudem deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt worden sein. Das setzt voraus, dass die Produkte überhaupt erst einmal versiegelt sind.

Da stellt sich die Frage, was unter Versiegelung im Sinne der Vorschrift zu verstehen ist. Eine einfache Cellophanhülle um das Produkt reicht - zumindest nach Ansicht des OLG Hamm - nicht aus, um als Siegel angesehen zu werden. Dieses verlangt vielmehr einen Warnhinweis, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht verliert, wenn er die Hülle öffnet, z.B. in Form eines Aufklebers. Das Wort "Siegel" müsse dabei aber nicht zwingend verwendet werden.

Gerade bei kleinen Produkten, wie Piercing-Schmuck, dürfte dieser Hinweis wohl sehr schwer fallen. Ob in solchen Fällen auch z.B. eine Blisterverpackung als Siegel anzusehen ist, muss der Klärung durch die Gerichte überlassen werden. Die Rechtsprechung des OLG Hamm kann jedenfalls nicht einfach übernommen werden.

Untrennbare Vermischung

Stoffe, die nach ihrer Lieferung untrennbar mit anderen vermischt werden, sind z.B. Brennstoffe. Wer also Heizöl in einem Online-Shop kauft, hat hier zukünftig kein Widerrufsrecht mehr, sobald das Öl im heimischen Tank gelandet ist. Ein anderes Beispiel wäre Zement, der bereits zu Beton verarbeitet wurde.

Alkoholische Getränke

Bei der Ausnahme zu den alkoholischen Getränken, deren Lieferung erst nach über 30 Tagen nach Vertragsschluss erfolgen kann und deren Wert Schwankungen unterliegt, auf die der Händler keinen Einfluss hat, handelt es sich um das Ergebnis sehr erfolgreicher Lobby-Arbeit der Weinhändler. Das war im ersten Entwurf der Richtlinie noch sehr deutlich zu lesen, da in diesem die Ausnahme ausschließlich für Wein galt und nicht für alle alkoholischen Getränke.

Mit der Ausnahme soll die Spekulation mit edlen Weinen verhindert werden. Insbesondere in Frankreich ist es üblich, Weine eines kommenden Jahrgangs bereits lange im Voraus zu kaufen, obwohl noch nicht klar ist, wie wertvoll der Jahrgang dann tatsächlich wird.

Erlöschen bei Downloads

Neu eingeführt werden soll auch § 356 Abs. 6 BGB-RefE . Darin ist das Erlöschen des Widerrufsrechtes bei Downloads geregelt:

Das Widerrufsrecht erlischt bei einem Vertrag über die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten auch dann, wenn der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrags begonnen hat, nachdem der Verbraucher dazu seine ausdrückliche Zustimmung gegeben hat und gleichzeitig seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er sein Widerrufsrecht bei Beginn mit der Vertragsausführung verliert.

Das Widerrufsrecht bei Verträgen über die Lieferung digitaler Inhalte, die nicht auf einem materiellen Datenträger erfolgt, oder kurz: Downloads, ist damit explizit geregelt. Bisher wurde in der juristischen Literatur darüber gestritten, ob Downloads Waren darstellen, die zur Rücksendung nicht geeignet sind - und deswegen vom Widerrufsrecht ausgenommen - oder Dienstleistungen, bei denen ein Widerrufsrecht unter Umständen erlischt.

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Bildnachweis: Sebastian Duda/shutterstock.com

Weitere Ausnahmen

Die übrigen Ausnahmen in § 312g Abs. 2 BGB-RefE decken sich weitgehend mit den derzeit schon geltenden Ausnahmen des § 312d Abs. 4 BGB. Es wurden allerdings kleinere Änderungen der Formulierungen vorgenommen. Abschließend noch einmal alle Ausnahmen:

(2) Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:

  1. Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind,
  2. Verträge zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde,
  3. Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
  4. Verträge zur Lieferung von Waren, die nach der Lieferung aufgrund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurden,
  5. Verträge zur Lieferung alkoholischer Getränke, deren Preis beim Abschluss des Kaufvertrags vereinbart wurde, deren Lieferung aber erst nach 30 Tagen erfolgen kann und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat,
  6. Verträge zur Lieferung von Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware in einer versiegelten Packung, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
  7. Verträge zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten mit Ausnahme von Abonnement-Verträgen,
  8. Verträge zur Lieferung von Waren oder zur Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, mit Anteilsscheinen, die von einer Kapitalanlagegesellschaft oder einer ausländischen Investmentgesellschaft ausgegeben werden, und mit anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarkinstrumenten,
  9. Verträge zur Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Kraftfahrzeugvermietung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie zur Erbringung weiterer Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht,
  10. Verträge, die im Rahmen einer Vermarktungsform geschlossen werden, bei der der Unternehmer Verbrauchern, die persönlich anwesend sind oder denen diese Möglichkeit gewährt wird, Waren oder Dienstleistungen anbietet, und zwar in einem vom Versteigerer durchgeführten, auf konkurrierenden Geboten basierenden transparenten Verfahren, bei dem der Bieter, der den Zuschlag erhalten hat, zum Erwerb der Waren oder Dienstleistungen verpflichtet ist (öffentlich zugängliche Versteigerung),
  11. Verträge, bei denen der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen; dies gilt nicht hinsichtlich weiterer Dienstleistungen, die der Verbraucher nicht ausdrücklich verlangt hat, oder hinsichtlich solcher Waren, die bei der Instandhaltung oder Reparatur nicht unbedingt als Ersatzteile benötigt werden, die der Unternehmer bei einem solchen Besuch erbringt,
  12. Verträge zur Erbringung von Wett- und Lotteriedienstleistungen, es sei denn, dass der Verbraucher seine Vertragserklärung telefonisch abgegeben hat oder der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde, und
  13. Verträge, die im Verfahren der notariellen Beurkundung geschlossen worden sind; dies gilt nicht für Verträge über Finanzdienstleistungen.

Fazit

Es ist sehr zu begrüßen, dass es für Downloads nun endlich eine eindeutige Regelung gibt. Die weiteren Ausnahmen sind jedoch erneut das Ergebnis von Lobbyistenwerk. Auch wenn einiges vordergründig klarer scheint, wird es auch künftig bei diesem zentralen Thema viele Diskussionen und Rechtsstreitigkeiten geben, z.B. zu der Frage, wann Waren aus Gründen der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind.

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19.10.12