Bekommt der Verbraucher eine mangelhafte Sache geliefert, so steht im innerhalb einer Frist von 2 Jahren ein Gewährleistungsrecht zu. Aber welche Kosten verursacht dies für den Händler? Wer trägt beispielsweise die Kosten für den Ausbau bereits verlegter, mangelhafter Fliesen?
Ein Verbraucher hatte 2005 bei einem Baustoffhandel polierte Bodenfliesen zum Preis von etwa 1.400 Euro (inkl. MwSt) gekauft. Nachdem er 33 der 45 m² Fliesen verlegt hatte, fielen ihm störende Schattierungen auf, die mit bloßem Auge zu erkennen waren. Hierbei handelte es sich um einen herstellungsbedingten Polierfehler, der nicht beseitigt werden konnte, so dass Abhilfe nur durch einen kompletten Austausch der Fliesen möglich wäre. Die Kosten hierfür veranschlagte ein Gutachter mit knapp 6.000 Euro.
Letztlich verklagte der Verbraucher den Händler auf Lieferung von mangelfreien Fliesen sowie zur Zahlung für den Aus- und Wiedereinbau in Höhe von 5.830,57 Euro. Das LG Kassel wies die Klage weitestgehend ab.
In der Berufung verurteilte das OLG Frankfurt den Händler zur Lieferung neuer, mangelfreier Fliesen sowie zur Zahlung von 2.122,37 Euro für den Ausbau und die Entsorgung der alten Fliesen. Im Übrigen (also in Bezug auf die Erstattung der Kosten für den Wiedereinbau) wies es die Klage ab.
Gegen diese Verurteilung wandte sich das beklagte Unternehmen mit Revision zum BGH. Dieser legte dem EuGH die folgenden Fragen vor:
“1. Sind die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 und 2 der Richtlinie dahin auszulegen, dass sie einer nationalen gesetzlichen Regelung entgegenstehen, wonach der Verkäufer im Fall der Vertragswidrigkeit des gelieferten Verbrauchsguts die vom Verbraucher verlangte Art der Abhilfe auch dann verweigern kann, wenn sie ihm Kosten verursachen würde, die verglichen mit dem Wert, den das Verbrauchsgut ohne die Vertragswidrigkeit hätte, und der Bedeutung der Vertragswidrigkeit unzumutbar (absolut unverhältnismäßig) wären?
2. Falls die erste Frage zu bejahen ist: Sind die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie dahin auszulegen, dass der Verkäufer im Fall der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch Ersatzlieferung die Kosten des Ausbaus des vertragswidrigen Verbrauchsguts aus einer Sache, in die der Verbraucher das Verbrauchsgut gemäß dessen Art und Verwendungszweck eingebaut hat, tragen muss?”
Die zugrunde liegende Vorschrift ist § 439 BGB. Nach dieser kann der Käufer zum Zwecke der Nacherfüllung zwischen Reparatur und Ersatzlieferung wählen, der Verkäufer kann die gewählte Art der Nacherfüllung jedoch verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.
Die deutschen Vorschriften zu den Rechten eines Käufers bei einer mangelhaften Sache beruhen auf der EU-Richtlinie 1999/44/EG zum Verbrauchsgüterkauf, in deren Art. 3 Abs. 3 bestimmt ist:
„(3) Zunächst kann der Verbraucher vom Verkäufer die unentgeltliche Nachbesserung des Verbrauchsgutes oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung verlangen, sofern dies nicht unmöglich oder unverhältnismäßig ist.
Eine Abhilfe gilt als unverhältnismäßig, wenn sie dem Verkäufer Kosten verursachen würde, die
- angesichts des Werts, den das Verbrauchsgut ohne die Vertragswidrigkeit hätte,
- unter Berücksichtigung der Bedeutung der Vertragswidrigkeit und
- nach Erwägung der Frage, ob auf die alternative Abhilfemöglichkeit ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zurückgegriffen werden könnte,
verglichen mit der alternativen Abhilfemöglichkeit unzumutbar wären.
Die Nachbesserung oder die Ersatzlieferung muss innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen, wobei die Art des Verbrauchsgutes sowie der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut benötigte, zu berücksichtigen sind.“
Der EuGH (Urteil v. 16.06.2011, Rs. C-65/09 und Rs. C-87/09) entschied, dass der Verkäufer grundsätzlich verpflichtet ist, den Ausbau des mangelhaften sowie den Wiedereinbau des als Ersatz gelieferten Gebrauchsgutes vorzunehmen oder die Kosten hierfür zu tragen.
Des Weiteren sei Art. 3 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die es dem Verkäufer gewährt, die Ersatzlieferung als einzig mögliche Art der Nachlieferung zu verweigern, wenn die Kosten unverhältnismäßig sind.
Nun entschied der BGH (U. v. 21.12.2011, VIII ZR 70/08) abschließend über diese Frage und übertrug damit die Ausführungen des EuGH auf das deutsche Recht.
„Vor diesem Hintergrund ist zunächst § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die dort genannte Nacherfüllungsvariante "Lieferung einer mangelfreien Sache" auch den Ausbau und den Abtransport der mangelhaften Kaufsache - hier der von der Beklagten gelieferten mangelhaften Bodenfliesen – umfasst.“
So hatte bereits der EuGH darauf verwiesen, dass die Rechte des Art. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zur Herstellung der Situation dienen sollen, die vorgelegen hätte, wenn der Verkäufer von vornherein ein vertragsgemäßes Verbrauchsgut geliefert hätte.
Dem Käufer stehe aber kein Wahlrecht im Rahmen des Nacherfüllungsverlangens zu, ob diese Arbeiten vom Verkäufer durchgeführt werden oder der Käufer diese selbst vornimmt und den Verkäufer auf Kostenerstattung in Anspruch nimmt.
Der EuGH entschied weiter, dass der Verkäufer die einzig mögliche Art der Abhilfe, durch die sich der vertragsgemäße Zustand des Verbrauchsguts herstellen lasse, nicht wegen Unverhältnismäßigkeit der hierfür erforderlichen Kosten verweigern könne.
Nach § 439 Abs. 3 BGB können aber gerade beide Formen der Nacherfüllung verweigert werden, wenn sie unverhältnismäßig hohe Kosten für den Verkäufer verursachen (absolute Unverhältnismäßigkeit).
Insofern bedarf es einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung durch eine teleologische Reduktion des § 439 Abs. 3 BGB, damit dieser mit Art. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vereinbar sei, so der BGH.
„[§ 439 Abs. 3 BGB] ist in solchen Fällen einschränkend dahingehend anzuwenden, dass ein Verweigerungsrecht nicht besteht, wenn nur eine Art der Nacherfüllung möglich ist oder der Verkäufer die andere Art der Nacherfüllung zu Recht verweigert.“
Wäre also eine Reparatur der Sache nicht möglich (wie im entschiedenen Fall bei den fehlerhaften Fliesen), so kann der Verkäufer die Ersatzlieferung nicht aufgrund unverhältnismäßig hoher Kosten verweigern.
Begründet wird dies damit, dass die gegenüber der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands subsidiären Mittel der Auflösung des Vertrags oder der Kaufpreisminderung nicht dasselbe Verbraucherschutzniveau gewährleisteten.
Kann der Verkäufer die Ersatzlieferung nicht verweigern, so ist es ihm zumindest möglich, die Kosten für den Ausbau der mangelhaften und den Einbau der als Ersatz gelieferten Sache auf einen angemessenen Betrag zu begrenzen.
Bei der Bemessung dieses Betrages seien sowohl der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand als auch die Bedeutung des Mangels zu berücksichtigen, so der BGH.
Dies hatte auch schon der EuGH als eine Möglichkeit angesehen, den Verkäufer zu entlasten.
„Der - auf eine angemessene Höhe begrenzte - Anspruch des Klägers auf Erstattung der für den Ausbau der mangelhaften Fliesen entstehenden Kosten setzt [...] auch nicht voraus, dass der Kläger den Austausch bereits vorgenommen hat und die Kosten schon entstanden sind.“
„Es müsste gewährleistet sein, dass durch die Beschränkung auf eine Kostenbeteiligung des Verkäufers das Recht des Käufers auf Erstattung der Aus- und Einbaukosten nicht ausgehöhlt wird.“
Die teleologische Reduktion ist jedoch nur bei B2C-Geschäften relevant, da auch die Verbrauchsgüterkaufsrichtlinie nur diese Geschäfte erfasst. Das bedeutet, dass beim Handel zwischen Unternehmern etwas anderes gilt.
„Die hierdurch auftretende Regelungslücke ist bis zu einer gesetzlichen Neuregelung durch eine teleologische Reduktion des § 439 Abs. 3 BGB für Fälle des Verbrauchsgüterkaufs (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu schließen.“
Der Senat betonte mehrfach, dass nun der Gesetzgeber gefragt ist, die betroffene Regelung EU-rechtskonform anzupassen.
Da keine weiteren Feststellungen erforderlich waren, traf der BGH eine Endentscheidung zu dem Sachverhalt:
„Der Anspruch ist auf insgesamt 600 Euro zu begrenzen. Dieser Betrag erscheint dem Senat unter Berücksichtigung der Bedeutung der Vertragswidrigkeit (optischer Mangel der Fliesen ohne Funktionsbeeinträchtigung) und des Werts der mangelfreien Sache (circa 1.200 Euro) angemessen.“
Der Anspruch auf den Einbau der neuen Fliesen war dem Kläger bereits (durch das OLG Frankfurt) rechtskräftig aberkannt worden.
Es handelt sich hierbei um ein sehr verbraucherfreundliches Urteil. Zwar ist positiv anzumerken, dass der BGH von der vom EuGH eröffneten Möglichkeit, die Kostenerstattung auf einen angemessenen Betrag zu begrenzen, Gebrauch gemacht hat. Allerdings wird die Frage, was denn im Einzelfall genau angemessen ist, schwierig zu beantworten sein und zu zahlreichen weiteren Entscheidungen führen.
Mit gleichem Urteil entschied übrigens der EuGH, dass der Unternehmer auch die Wiedereinbaukosten zu tragen habe. Diese waren aber nicht Gegenstand der Revision, weil bezüglich dieses Teils des Berufungsurteils keine Revision durch den Kläger eingelegt wurde, sodass die Entscheidung des OLG Frankfurt hierzu Rechtskraft erlangte. (mr)
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