Erst kürzlich kam das Kammergericht Berlin in einem umstrittenen Urteil zu dem Ergebnis, dass ein Verstoß gegen Datenschutzvorschriften des Telemediengesetzes (TMG) nicht wettbewerbsrechtlich abgemahnt werden kann. Das Urteil erweckt den Eindruck, man könne sich als Online-Händler vor Abmahnungen wegen Datenschutzverstößen sicher fühlen.
Doch sind Datenschutzverstöße tatsächlich nicht abmahnbar?
Ähnlich wie in der Vergangenheit die Wettbewerbswidrigkeit fehlerhafter AGB-Klauseln, ist derzeit die Möglichkeit von Abmahnungen wegen Verstößen gegen das Datenschutzrecht strittig.
Mögliche Grundlagen für Abmahnungen lassen sich in zwei Gesetzen finden: dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) und dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG).
Eine Abmahnung nach dem UKlaG kommt nur dann in Betracht, wenn die Vorschrift, gegen die verstoßen wird, eine Verbraucherschutzvorschrift im Sinne des § 2 UKlaG ist.
Befugt, Abmahnungen nach UKlaG auszusprechen, sind gemäß § 3 UKlaG qualifizierte Einrichtungen, rechtsfähige Verbände und die Industrie- und Handelskammern. Anders, als bei Abmahnungen nach dem UWG, sind Mitbewerber hier nicht anspruchsberechtigt.
Das OLG Düsseldorf hat in einer älteren Entscheidung (Urt. v. 20.02.2004, I-7 U 149/03), in der es um die Verletzung von Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) ging, zunächst deutlich gemacht, dass eine mögliche Verbraucherschutzeigenschaft verletzter Vorschriften, für jede einzelne Vorschrift gesondert zu prüfen ist.
Im Fall des § 28 Abs. 4 BDSG a.F. sah es diese Voraussetzung als nicht erfüllt an.
"Das Gesetz zielt nicht auf den Schutz einer Person im Zusammenhang mit dem Abschluss von Rechtsgeschäften ab [...]
Regelungsgegenstand ist die Weitergabe von persönlichen Daten an Dritte und die Nutzung dieser Daten zum Marketingzwecken. Der Inhaber der Daten soll nicht bei der Durchsetzung seiner vertraglichen Rechte geschützt werden. Schutzgut des Datenschutzes ist nicht das Vermögen und die ökonomische Durchsetzungskraft des Betroffenen, sondern vielmehr sein allgemeines Persönlichkeitsrecht.
Mit dem Abschluss von Rechtsgeschäften und dem Schutz des Vermögens des Verbrauchers hat dies nichts zu tun."
Dieser Ansicht hat sich auch das OLG Hamburg (Urt. v. 09.06.2004, 5 U 186/03) angeschlossen. Darüber hinaus hat es angeführt, dass sich aus dem Zusammenspiel von Unterlassungsklagenrichtlinie und Datenschutzrichtlinie ergäbe, dass der europäische Gesetzgeber das Datenschutzrecht nicht als Verbraucherschutzrecht ansehe.
Ähnlich entschied auch das OLG Frankfurt (Urt. v. 30.06.2005, 6 U 168/04), das in § 4 BDSG ebenfalls keine verbraucherschützende Norm i. S. von § 2 Abs. 1 UKlaG erkannte.
Die Entscheidungen sind zwar zu unterschiedlichen Einzelnormen des BDSG ergangen, allerdings lässt sich eine klare Tendenz in der Rechtsprechung erkennen. Eine Abmahnung nach dem UKlaG - z.B. durch Verbraucherschutzverbände - erscheint demnach äußerst unwahrscheinlich. Völlig ausgeschlossen sind solche Abmahnungen jedoch nicht.
Für Abmahnungen nach § 4 Nr. 11 UWG ist es erforderlich, dass die verletzte Vorschrift einen Marktbezug aufweist. Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter, wer
"einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln."
Die verletzte Norm muss demnach (zumindest auch) die Funktion haben, das Marktverhalten zu regeln und so gleiche Voraussetzungen für die auf diesem Markt tätigen Wettbewerber zu schaffen.
Das KG Berlin (Beschluss v. 29.04.2011, 5 W 88/11) hat zur Verletzung der Informationspflichten nach § 13 Abs. 1 TMG (hier: durch Verwendung des "Gefällt mir" -Buttons ohne entsprechende Information) entschieden, dass es sich bei der verletzten Vorschrift nicht um eine Marktverhaltensregel i. S. von § 4 Nr. 11 UWG handele.
Das Gericht führte aus, dass es sich bei einem Verstoß gegen die Informationspflicht nach § 13 Abs. 1 TMG um ein Verhalten handele, das dem Marktverhalten vorausgegangen sei, demnach also keinen unmittelbaren Marktbezug aufweise. Die Norm stelle zudem keine Marktverhaltensvorschrift dar, da sie keine wettbewerbsbezogene Schutzfunktion beinhalte.
Eine überzeugende Argumentation, warum der Vorschrift eine solche Schutzfunktion nicht zu entnehmen sei, bleibt das Gericht jedoch schuldig. Darüber hinaus und im Widerspruch dazu stellen die Richter anschließend fest, dass es Ziel der Vorschrift (neben der Gewährleistung des Datenschutzes) auch sei
"einen Ausgleich zwischen dem Wunsch nach freiem Wettbewerb, berechtigten Nutzerbedürfnissen und öffentlichen Ordnungsinteressen zu schaffen."
Die Urteilsbegründung vermag daher wenig zu überzeugen. Zudem kann dieses eine Urteil nicht als gesicherte Rechtsprechung zur Abmahnfähigkeit von Verstößen gegen datenschutzrechtliche Informationspflichten angesehen werden.
Das OLG Stuttgart (Urt. v. 22.02.2007, 2 U 132/06) hatte den Marktbezug des § 28 Abs. 3 BDSG für den Fall bejaht, dass der Empfänger diese Daten zu Werbezwecken oder in sonstiger Weise wettbewerbserheblich verwendet.
"Denn der Empfänger bewirkt den in der Weitergabe liegenden Rechtsbruch gezielt zu dem Zweck, sich einen wettbewerbsrechtlichen Vorteil zu verschaffen. [...]
Spätestens durch die in Umsetzung eines Gesamtplanes erfolgte wettbewerbsrelevante Verwendung der Daten sind die durch deren Weitergabe hervorgerufenen Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht mehr bloßer Reflex des in der Weitergabe selbst liegenden Rechtsverstoßes."
Das LG Berlin (Urt. v. 05.12.2008, 103 O 104/08) entschied in einem Fall der unbefugten Veröffentlichung von E-Mail-Korrespondenz ebenfalls, dass es sich bei § 28 BDSG um ein Marktverhaltensregel im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG handele.
"Der Antragssteller hat zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt, denn er hat einen Mitbewerber verunglimpft."
Das OLG Köln (Urt. v. 14.08.2009, 6 U 70/09) hat den Wettbewerbsbezug bei § 4 Abs. 1 BDSG bejaht:
"Zwar zielt das in § 4 Abs.1 BDSG enthaltene Verbot mit Erlaubnisvorbehalt weitaus überwiegend nicht darauf ab, Marktverhalten zu regeln.
Soweit jedoch ein Marktteilnehmer sich auf einen Erlaubnistatbestand beruft, um diese Erlaubnis dazu zu nutzen, Werbung für sich zu machen, bezwecken die Grenzen, die das Bundesdatenschutzgesetz einem solchen Marktverhalten setzt, den Schutz des Betroffenen in seiner Stellung als Marktteilnehmer."
Anders entschied hierzu das OLG Frankfurt (Urt. v. 30.06.2005, 6 U 168/04), allerdings ohne seine Auffassung näher zu begründen.
Wie die unterschiedlichen instanzgerichtlichen Entscheidungen zeigen, ist die Frage der Abmahnfähigkeit von Datenschutzverstößen nicht abschließend geklärt. Insbesondere zur Verletzung von datenschutzrechtlichen Informationspflichten hat das Kammergericht zwar eine erste Entscheidung gefällt, jedoch erscheint diese in sich widersprüchlich und ist aus juristischer Sicht nur schwer nachvollziehbar.
Online-Händler, die eine Abmahnung wegen der Verletzung von datenschutzrechtlichen Vorschriften erhalten, sollten diese daher auf keinen Fall ignorieren. Wie bei jeder anderen Abmahnung, sollte stattdessen unverzüglich der Rat eines spezialisierten Rechtsanwalts eingeholt werden. (lk)
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