Auf europäischer Ebene wird derzeit ein Entwurf einer Richtlinie über Recht der Verbraucher diskutiert. Aktuell liegt eine Entschließung des Europäischen Parlamentes vor, die massive Änderungen für die Online-Händler bringen soll. Eine deutsche Eigenart - die 40-Euro-Klausel - will das Parlament europaweit einführen.
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Die deutschen Online-Händler haben bereits viele Erfahrungen mit der sog. 40-Euro-Klausel gemacht. Es sei nur an die Rechtsprechung des vergangenen Jahres erinnert, nach der es nicht ausreicht, diese Klausel in die Widerrufsbelehrung aufzunehmen, damit der Verbraucher die Rücksendekosten bei Artikeln, die weniger als 40 Euro kosten, zu tragen hat.
Es muss eine zweite Klausel in die AGB, die von der Formulierung innerhalb der Belehrung auch noch geringfügig abweicht, denn dem Verbraucher dürfen vertraglich nur "die regelmäßigen Kosten" und nicht sämtliche Kosten auferlegt werden.
In dem 2008 vorgelegten - guten - Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie über Rechte der Verbraucher war eine äußerst gerechte Regelung enthalten: Nach erfolgtem Widerruf sollte der Unternehmer die Hinsendekosten und der Verbraucher die Kosten der Rücksendung tragen. Diese Regelung findet sich bereits jetzt in der Fernabsatzrichtlinie, die Mitgliedstaaten durften aber hiervon abweichen.
Nach dem Richtlinienvorschlag der Kommission wäre den Mitgliedstaaten (also speziell Deutschland und Finnland) eine Abweichung verwehrt gewesen. Der Kommissionsvorschlag lautete:
"Der Verbraucher hat nur für die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren aufzukommen, es sei denn, der Gewerbetreibende hat sich bereit erklärt, diese Kosten zu übernehmen."
Im letzten Jahr schlug dann der Binnenausschuss des Europäischen Parlamentes Änderungen am Kommissionsvorschlag vor. Darin wurde bereits die gerechte Lösung aufgegeben und eine die Händler einseitig belastende Regelung gewählt.
"Der Verbraucher hat nur für die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren aufzukommen. Er hat für diese Kosten nicht aufzukommen, wenn der Gewerbetreibende sich bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen oder der Preis der zurückzusendenden Waren einen Betrag von 50 Euro übersteigt."
Mit dieser Klausel war das Parlament nicht einverstanden und formulierte den geplanten Artikel 17 Abs. 1 so:
"Der Verbraucher hat nur für die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren aufzukommen. Er hat für diese Kosten nicht aufzukommen, wenn der Unternehmer sich im Vertrag bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen, oder der Preis der zurückzusendenden Waren einen Betrag von 40 Euro übersteigt."
Eine Tragung der Rücksendekosten durch den Verbraucher kommt also überhaupt nur in Betracht, wenn es sich um Waren unter 40 Euro handelt. Den ersten Satz dieses Absatzes könnte man also auch streichen, da er keinerlei Bedeutung mehr hat, da die Tragung der Rücksendekosten durch den Verbraucher über den zweiten Satz eher zur Ausnahme, als zur Regel erklärt wird.
Für Deutschland hätte diese eine Änderung sogar positive Folgen: Die Tragung der Rücksendekosten wäre dann klar und verständlich für jedermann im Gesetz geregelt. Weder Verbraucher noch Händler müssten versuchen, einen unverständlichen Schachtelsatz wie derzeit zu verstehen.
Es gäbe nur noch eine einzige Bedingung für die Tragung der Kosten, nämlich den Warenwert. Der Zeitpunkt und die Höhe einer bereits geleisteten Zahlung (oder Teilzahlung) zum Zeitpunkt des Widerrufes wären völlig egal.
Eine separate Vereinbarung der Kostentragungspflicht wäre passé, weil sie gesetzliche Pflicht würde. Abmahnungen und gerichtliche Entscheidung dazu würden ebenfalls der Vergangenheit angehören.
Allerdings wäre dann eine äußerst ungerechte Regelung auf europäischer Ebene festgeschrieben.
Aber zum Glück gibt es in der EU nicht nur Deutschland. Die anderen europäischen Mitgliedstaaten laufen Sturm gegen diese geplante Änderung. Besonders unsere französischen Nachbarn werden alles daran setzen, diesen Vorschlag zu kippen.
Für die Händler in den anderen europäischen Staaten (außer Finnland) ist die Vorstellung, die Kosten der Rücksendung tragen zu müssen, absolut weltfremd. Der Verzicht auf eine Rücksendekostenregelung wie in Deutschland führt nicht zu einer Gefährdung eines angemessenes Verbraucherschutzniveaus, vielmehr würde ein angemessenes Anreizsystem geschaffen, das Missbräuche des Widerrufsrechts durch „Bestellungen ins Blaue hinein“ etc. etwas eindämmen kann.
Letztlich bliebe es immer noch besonders serviceorientierten Händlern freigestellt, die Übernahme der Rücksendekosten anzubieten, was eine besondere Distinktionsmöglichkeit im Wettbewerb darstellt. So ausgestaltet, ist die Kostenregelung geeignet, den Wettbewerb zu beeinträchtigen, da kleinere und mittlere Unternehmen, die sich die Übernahme der Rücksendekosten i.d.R. nicht leisten können, gezwungen werden, diese in den Preis einzukalkulieren, was ihre Wettbewerbsfähigkeit einschränkt.
Mittlerweile ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass der Rat den Vorschlag des Parlaments vollständig (oder zumindest weitestgehend) ablehnen wird.
Die Bundesrepublik Deutschland hat in ihrer Stellungnahme v. 21.09.2006 im Zuge der Konsultation der Fernabsatzrichtlinie noch die Ansicht vertreten, die Beibehaltung der 40-EUR-Klausel sei als "nationale Gewohnheit" sachgerecht und eine Abschaffung des bürokratischen Monstrums sei eine "Überreglementierung" aus Brüssel:
"Art. 6 Abs. 2 überlässt es den Mitgliedstaaten, die Kosten der Rücksendung dem Verbraucher aufzuerlegen. Dies ist im Interesse der Beibehaltung der nationalen Gewohnheiten sachgerecht. Eine weitergehende Harmonisierung würde zu einer Überreglementierung führen." (Stellungnahme der zu ANHANG II zu KOM (2006) 514 endgültig vom 21.09.2006)
Dies ist nicht nachvollziehbar, führt doch nicht die avisierte Harmonisierung der Rücksendekostenregelung zu mehr Bürokratie, sondern die deutsche Regelung ist ein Musterbeispiel für Überreglementierung.
EU-Justizkommissarin Reding bezeichnete die Änderungen des Parlaments als gute Grundlage für die nun beginnenden Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament. Sie will, dass die abschließende Abstimmung im Juni oder Juli stattfinde, sollte ein Kompromiss zw. Rat und Parlament gefunden werden.
Weshalb nun, nachdem über 3 Jahre fast nichts passiert ist, so ein zeitlicher Druck aufgebaut wird, ist vollkommen unverständlich.
Die Vorteile, die für Verbraucher und Händler durch diesen Vorschlag kommen sollen, möchte ich unkommentiert von Frau Reding hier übernehmen:
"Consumer benefits:
- The withdrawal period for consumers is extended to 14 calendar days (compared to the seven days legally prescribed by EU law today)
- After withdrawal, the consumer will have the right to be reimbursed (including the costs of delivery) without undue delay and within 14 days
- In general, the trader will bear the risk for any damage to goods in transport until the consumer takes possession of the goods
- Consumers will also be protected and enjoy a right of withdrawal for solicited visits, such as when a trader called beforehand and pressed the consumer to agree to a visit. In addition, a distinction no longer needs to be made between solicited and unsolicited visits; circumvention of the rules will thus be prevented
- For off-premises contracts, the withdrawal period will start from the moment the consumer receives the goods, rather than at the time of conclusion of the contract, which is currently the case. As a result, the rules are adapted to those of distance contracts
Business benefits:
- A single set of core rules for distance and off-premises contracts in the European Union, creating a level playing field and reducing transaction costs for cross-border traders, notably in e-commerce
- Clear definitions of off-premises and distance contracts: clearer definitions will close loopholes and prevent circumvention of rules, thereby increasing legal certainty for businesses
- Standard forms will make life easier for businesses: a form to comply with the information requirements on the right of withdrawal; a standard withdrawal form to be put at the disposal of the consumer."
Wir hoffen, dass das Parlament entweder einen Großteil der Änderungen zurück nimmt, oder aber dass es massiven Widerstand der anderen Mitgliedstaaten im Rat gibt und es zu keinem Kompromiss kommt. Dann besteht nämlich die Chance, dass die ganze Richtlinie zurückgezogen wird und die derzeit geplanten Änderungen kein geltendes Recht werden.
Das Parlament sollte bedenken, dass der Online-Handel nicht nur aus der Säule "Verbraucherschutz" besteht. Die zweite, genauso wichtige Säule dieses erfolgreichen Geschäftsmodells sind die Händler. Eine völlig überzogene, einseitige Bevormundung der Verbraucher ist kontraproduktiv und schadet dem Handel. Ziel sollte es eigentlich sein, einen Interessensausgleich zwischen Verbrauchern und Händlern zu erreichen.
Diesen wollte die Kommission mit ihrem 2008 vorgelegten Entwurf erreichen. Mit dem Vorschlag des Parlamentes wird kein Interessenausgleich mehr verfolgt.
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