Die 20 wichtigsten Urteile für Shopbetreiber im Jahr 2010

Auch im Jahr 2010 gab es eine Vielzahl von Urteilen, die gravierende Auswirkungen auf den Online-Handel haben. Wichtige Entscheidungen ergingen zu Aktualität von Preisen in Preissuchmaschinen, Ausnahmen vom Widerrufsrecht, Hinsendekosten, Wertersatz, aber auch wieder zur Einwilligung in Newsletter-Werbung.

1. Das OLG Hamm und die Cellophanhülle

Am 30.03.2010 entschied das OLG Hamm (4 U 212/09), dass eine Cellophanhülle, in welche eine CD eingeschweißt ist, nicht als Siegel anzusehen ist, sodass deren Zerreißen nicht das Widerrufsrecht gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB ausschließt. Dieses Urteil wurde stark kritisiert. Den Bericht zu diesem Urteil finden Sie noch einmal hier:

2. EuGH: Hinsendekosten sind zu erstatten

Ein langer Rechtsstreit wurde am 15. April 2010 durch den EuGH (C-511/08) beendet. Es ging um die Frage, ob ein Unternehmer dem Verbraucher die Kosten der Hinsendung erstatten muss, wenn dieser sein Widerrufsrecht ausübt. Der EuGH entschied hier eindeutig: Sämtliche vom Verbraucher geleisteten Zahlungen sind zu erstatten.

Diesem Urteil folgte der BGH am 07. Juli 2010: BGH-Urteil zu Hinsendekosten

Das AG Berlin Köpenick (Urteil v. 25.08.2010, Az: 6 C 369/09) verurteilte einen Händler darüber hinaus auch zur Rückzahlung der durch die Auswahl der Zahlungsart Nachnahme entstandenen Mehrkosten.

Dr. Felix Buchmann beschäftigte sich in einem lesenswerten Aufsatz damit, welche Kosten im Falle eines Teilwiderrufs und bei verschiedenen Berechnungsgrundlagen für die Versandkosten zu erstatten sind.

3. BGH: Preise in Preissuchmaschinen müssen aktuell sein

In diesem vom BGH entschiedenen Fall (Urteil v. 11.03.2010, Az: I ZR 123/09) ging es um einen Händler, der in einer Preissuchmaschine eine Espressomaschine bewarb. In seinem Shop war diese Maschine allerdings in Folge einer Preiserhöhung, die in der Preissuchmaschine noch nicht angezeigt wurde, für einige Stunden ca. 50 Euro teurer als in der Suchmaschine angezeigt. Der BGH entschied, dass dies wettbewerbswidrig ist.

Der Preis dürfe im Shop erst dann erhöht werden, wenn der neue Preis in der Preissuchmaschine angezeigt wird.

4. BGH: Hinweis auf MwSt und Versandkosten im Warenkorb ist zu spät

Bereits im Jahr 2007 lockerte der BGH die Pflicht zur Angabe von MwSt und Versandkosten, in dem er sagte, ein entsprechender Hinweis müsse spätestens vor Einleitung des Bestellprozesses erfolgen. Danach blieb aber unklar, was dies bedeute.

Im Juli 2009 entschied der BGH (Urteil v. 16.7.2009, I ZR 50/07), dass der Bestellprozess dann eingeleitet wird, wenn der Verbraucher die Waren in den virtuellen Warenkorb legt. Das bedeutet also, dass der Hinweis auf MwSt und Versandkosten auf jeder Seite angezeigt werden muss, von der aus Produkte in den Warenkorb gelegt werden können. (Das Urteil erscheint hier in dieser Zusammenfassung, da es erst im Frühjahr 2010 veröffentlicht wurde).

5. Die OLG-Rechtsprechung zur 40-Euro-Klausel

Das Widerrufsrecht bereitet auch nach über 10 Jahren Geltung noch immer die meisten Schwierigkeiten im Fernabsatz. Dazu beigetragen haben auch mehrere Oberlandesgerichte, die ohne erkennbaren Vorteil für die Verbraucher verlangten, dass die sog. 40-Euro-Klausel doppelt verwendet werden muss.

Hintergrund ist, dass der gesetzliche Regelfall vorsieht, dass der Unternehmer die Kosten der Rücksendung zu tragen. Er kann diese aber im Rahmen der sog. 40-Euro-Klausel dem Verbraucher auferlegen. Hierzu verwendeten viele Shops diese Klausel einfach in ihrer Widerrufsbelehrung.

Dies reicht nicht, entschieden die Gerichte, und zwar nicht einmal dann, wenn die Widerrufsbelehrung Bestandteil der AGB ist, da hiermit keine Vereinbarung vorliegt, die aber zwingend erforderlich ist.

Eine Zusammenfassung der Rechtsprechung finden Sie hier:

6. Die Nichtannahme unfreier Rücksendungen ist wettbewerbswidrig

In dem Fall, dass der Unternehmer die Rücksendekosten zu tragen hat, stellt sich die Frage, ob der Verbraucher diese vorschießen muss. Das OLG Hamburg entschied in der Vergangenheit dazu bereits mehrfach, dass die Klausel "unfreie Rücksendungen werden nicht angenommen" wettbewerbswidrig ist.

Das LG Düsseldorf (Urteil v. 23.07.2010, 38 O 19/10) und das LG Bochum (Urteil v. 10.02.2009, 12 O 12/09) entschieden darüber hinaus, dass auch die tatsächliche Nichtannahme einer unfreien Rücksendung gegen das Wettbewerbsrecht verstößt.

7. Wann kann man Newsletter auch ohne Einwilligung verschicken?

Vom OLG Jena (Urteil v. 21.04.2010, Az: 2 U 88/10) kommt ein erstes Urteil zum Newsletter-Versand ohne Einwilligung. Dieses Urteil konkretisiert die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG. Besonders umstritten war bisher, was unter dem Begriff "eigene ähnliche Waren" zu verstehen sei. Das OLG Jena entschied sich hier für den Mittelweg aus drei verschiedenen Meinungsrichtungen.

8. Haftungsfalle Shopping-Apps

Der wachsende M-Commerce ist für Shopbetreiber nicht nur ein Segen, denn dadurch wird auch ein weiterer "Markt" für Abmahnungen eröffnet. Denn eins steht fest: Im mobilen Handel gelten die gleichen rechtlichen Bestimmungen wie im "normalen" Online-Shop. Und verstößt man als Händler gegen diese, kann man abgemahnt werden.

Dies gilt auch dann, wenn man z.B. seine Artikel über eBay anbietet und es zu einer fehlerhaften Darstellung in der von eBay programmierten App kommt. In diesem Fall haftet der Händler für die Fehler auf Unterlassung, bestätigte das OLG Hamm  (Urteil v. 20.05.2010, I-4 U 225/09).

9. OLG Köln: "Es gibt einen Markt für gebrauchte Gesichtscreme"

Das OLG Köln (U. v. 27.04.2010, 6 U 43/10) hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob die Klausel in einem Online-Angebot "Kosmetik kann nur in einem unbenutztem Zustand zurückgenommen werden" wettbewerbsrechtlich zu beanstanden ist. Das Gericht untersagte die Verwendung dieser Klausel einer Händlerin für Gesichtscreme, da dem Verbraucher nicht klar sei, was "unbenutztem Zustand" bedeute.

Außerdem meinte das Gericht, dass die Rücknahme benutzter Gesichtscreme für den Händler nicht unzumutbar sei, da es einen "Markt für gebrauchte Gesichtscreme" gäbe.

10. BGH: Kein Wertersatz für ein befülltes Wasserbett

Der Bundesgerichtshof (Urteil v. 03.11.2010, VIII ZR 337/09) hatte nach der Messner-Entscheidung des EuGH die Gelegenheit, sich zum Umfang des Prüfungsrechtes des Verbrauchers zu äußern, für den er keinen Wertersatz zu leisten hat.

In dem entschiedenen Fall kaufte ein Verbraucher ein Wasserbett, befüllte es mit Wasser, schlief darin drei Tage und übte anschließend sein Widerrufsrecht aus. Der Händler machte 1.007 Euro als Wertersatz geltend, da das Bett - mit Ausnahme der Heizung - für ihn nicht wieder verkäuflich sei.

Der BGH verurteilte den Händler jedoch zur Rückzahlung, da das Befüllen des Bettes notwendig sei, um die Ware zu prüfen. Das Recht der Prüfung schließt bei Möbeln auch das Aufbauen oder eben Befüllen mit ein, wenn dies notwendig ist. Einen dadurch entstehenden evtl. Wertverlust muss der Unternehmer hinnehmen.

11. BGH: Eine Webseite stellt keine Textformbelehrung dar

Lange Zeit bestand Streit um die Frage, ob eine Widerrufsbelehrung, die auf einer Webseite steht, das Textformerfordernis des § 126b BGB erfülle. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage in seiner Entscheidung "Holzhocker" (Urteil v. 29.04.2010, I ZR 66/08) endgültig verneint und entschied, dass auch die Speicherung der Widerrufsbelehrung nach Auktionsende auf den Seiten von eBay das gesetzliche Textformerfordernis nicht erfüllen kann.

Es ist daher zwingend erforderlich, die Widerrufsbelehrung dem Kunden noch zuzusenden, am besten direkt in der e-Mail, mit der Sie dem Verbraucher den Eingang der Bestellung bestätigen.

12. BGH: Unzulässige Gewährleistungsklauseln im Internet

Der BGH (Urteil v. 31.03.2010, I ZR 34/08) stellte klar, dass die rechtswidrige Einschränkung von Gewährleistungsrechten des Verbrauchers auch einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht darstellt.

13. OLG Braunschweig zum Wettbewerbsverhältnis auf dem Bekleidungsmarkt

Im Fall des OLG Braunschweig (Urteil v. 27.01.2010, Az: 2 U 225/09) wurde eine Händlerin, welche gebrauchte Damen- und Kinderbekleidung bei eBay verkaufte von einem Designer und Hersteller von Herrenunterwäsche und Herrenbadebekleidung abgemahnt.

Das Gericht urteilte überzeugend: "Ein verständiger Durchschnittsverbraucher, der hiernach [nach Herrenunterwäsche bzw. -bademode] sucht, greift nicht alternativ nicht zu der von der Beklagten angebotene Damen- oder Kinderbekleidung, so dass das Angebot der Beklagten den Kläger nicht im Absatz behindern oder stören kann."

14. Händler schuldet Schadensersatz bei Abbruch einer eBay-Auktion

Einige Händler sind der Meinung, dass sie geschlossene Verträge einfach "stornieren" könnten, wenn sich z.B. nach Vertragsschluss Lieferschwierigkeiten o.ä. ergeben. Das Gesetz sieht allerdings das "Stornieren" nicht vor. Vielmehr begeht der Händler eine Pflichtverletzung, welche zum Schadensersatzanspruch des Kunden führen.

So geschehen bei eBay: Ein Händler brach eine Auktion über Felgen ab, da er versehentlich ein falsches Startgebot eingab. Allerdings lag bereits ein erstes Gebot eines Verbrauchers vor. Nach den eBay-AGB kommt ein Vertrag aber auch im Falle des Abbruchs der Auktion zustande. Der Händler weigerte sich jedoch zu liefern. Als der Verbraucher das gewünschte Produkt dann bei einem anderen Händler kaufte, verlangte er den Differenzbetrag.

Das AG Gummersbach (Urteil v. 28.06.2010 - 10 C 25/10) gab dem Verbraucher Recht und verurteilte den Händler zur Zahlung des durch die Lieferweigerung entstandenen Schadens.

15. OLG Hamburg zur Werbung mit ab-Preisen

Das OLG Hamburg (Urteil v. 25.03.2010, 3 U 108/09) hob ein Urteil LG Hamburg auf, dass die Werbung mit ab-Preisen als wettbewerbswidrig, wenn bei jedem Kauf eine Vorverkaufs- sowie eine Systemgebühr zum beworbenen Preis hinzukomme.  Die Richter am OLG konnten darin jedoch keine Irreführung erkennen, da der dargestellte "ab-Preis" mittels Sternchen aufgeklärt wurde und die weiteren Bedingungen genannt wurden.

16. Newsletter-Einwilligung darf nicht mit anderen Hinweisen gekoppelt werden

Für die Werbung per Newsletter, müssen Online-Händler grundsätzlich eine ausdrückliche Einwilligung des Empfängers einholen. Das LG München I (Urteil v. 09.07.2010, 21 O 23548/09) entschied, dass diese über ein "gesondertes Opt-in" eingeholt werden muss und nicht z.B. mit der Bestätigung der Kenntnisnahme der AGB verknüpft werden darf.

17. Infopflichten beim Handel mit Event-Gutscheinen

Neben den fernabsatzrechtlichen Informationspflichten gibt es noch weitere Informationspflichten im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Demnach muss ein Unternehmer z.B. die Identität und Anschrift desjenigen, für den er handelt, bereits im Angebot nennen.

Dies gilt etwa dann, wenn ein Online-Händler Event-Gutscheine verkauft (z.B. für eine Ballonfahrt), selbst aber nicht die Durchführung des Events übernimmt, sondern diese ein Dritter übernimmt. In diesen Fällen muss der Dritte bereits auf der Angebotsseite im Shop genannt werden, entschied das LG München I (bestätigt durch OLG München, Urteil v. 09.09.2010, 6 U 2690/10).

18. Kein Widerrufsrecht für online gekaufte Bahntickets

Das OLG Frankfurt (Urteil v. 15.04.2010 - 6 U 49/09) hatte die Frage zu entscheiden, ob auf Verträge über Bahntickets, welche über das Internet geschlossen wurden, die Vorschriften über Fernabsatzverträge Anwendung finden, wenn man mit diesen Tickets innerhalb eines genau vorgegebenen Zeitraumes von ca. 11 Wochen zwei einfache Fahrten angetreten werden dürfen.

Das Gericht entschied, dass in diesem Fall ein Widerrufsrecht für die online gekauften Bahntickets nicht bestehe, da die Vorschriften über das Fernabsatzrecht hier keine Anwendung finden würden.

19. Zulässigkeit der Werbung mit durchgestrichenen statt-Preisen

Wer seine Preise reduziert, möchte damit verständlicherweise auch werben, da ein Preisnachlass für viele Kunden noch immer ein wichtiges Kaufargument ist. Aber wie kann man die Preisänderung rechtssicher bewerben? Das OLG Düsseldorf (Urteil v. 29.06.2010 - I-20 U 28/10) hat entschieden, dass das Durchstreichen von Preisen ohne weitere Erläuterung zulässig ist.

20. Wann kann ein Händler im Ausland verklagt werden?

Richtet sich ein Online-Shop aktiv auch auf Verbraucher anderer Staaten aus, muss der Händler damit rechnen, in diesen Staaten verklagt zu werden, wenn er einen Fehler macht. Aber wann liegt dieses "Ausrichten vor"? Die Antwort auf diese Frage war lange unklar, aber der EuGH hat in seinem Urteil aus dem Dezember 2010 (Rechtssachen C-585/08 und C-144/09) klare Kriterien genannt.

19.01.11