Seit Dezember 2005 ist in Deutschland ein Rechtstreit über die Frage der Auferlegung der Hinsendekosten bei Ausübung des Widerrufsrechtes anhängig. Nun wurde dieser Streit durch ein Urteil des BGH beendet. Dieser folgte in seinem Urteil der Entscheidung des EuGH vom 15.04.2010, wie bereits in einer Pressemitteilung mitgeteilt. Jetzt liegt das Urteil im Volltext vor.
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In seinem Urteil vom 07.07.2010, Az: VIII ZR 268/07, schildert der BGH zunächst noch einmal den zugrunde liegenden Sachverhalt:
"Der Kläger ist ein Verbraucherverband, der in die gemäß § 4 Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) beim Bundesverwaltungsamt geführte Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragen ist. Die Beklagte betreibt ein Versandhandelsunternehmen. Sie stellt ihren Kunden für die Zusendung der Ware einen Versandkostenanteil von pauschal 4,95 € in Rechnung. Mit der Klage erstrebt der Kläger die Verurteilung der Beklagten, es zu unterlassen, im Geschäftsverkehr künftig Verbrauchern bei Fernabsatzgeschäften nach Ausübung des Widerrufs- bzw. Rückgaberechts (§§ 355, 356 BGB) die Kosten für die Hinsendung der Ware (Versandkostenpauschale) in Rechnung zu stellen oder im Falle der bereits erfolgten Zahlung diese Kosten nicht zu erstatten."
Sowohl das LG Karlsruhe als auch das OLG Karlsruhe gaben dem Kläger Recht. Das Revisions-Verfahren beim BGH wurde ausgesetzt. Der Bundesgerichtshof legte zunächst dem EuGH die Frage vor (Beschluss vom 1. Oktober 2008 - VIII ZR 268/07), ob der Verbraucher diese Kosten zu tragen habe.
Am 15.04.2010 entschied der EuGH (Rs. C-511/08),
"dass die [Fernabsatz-]Richtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der der Lieferer in einem im Fernabsatz geschlossenen Vertrag dem Verbraucher die Kosten der Zusendung der Waren auferlegen darf, wenn dieser sein Widerrufsrecht ausübt."
Der EuGH begründete diese Entscheidung unter Anderem damit, dass diese Auslegung der Richtlinie eine angemessene Risikoverteilung darstelle. Denn in der Richtlinie ist geregelt, dass dem Verbraucher als einzige Kosten die Kosten der Rücksendung der Ware auferlegt werden dürfen.
Deutschland ist allerdings bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht über diesen Mindeststandard hinaus gegangen und hat die komplizierte 40-Euro-Klausel geschaffen, die nicht nur in der Widerrufsbelehrung selbst, sondern zusätzlich auch in AGB wiederholt werden muss. Demnach trägt im Regelfall der Händler auch die Rücksendekosten.
Die Entscheidung zur Auslegung einer EU-Richtlinie des EuGH ist für sämtliche nationalen Gerichte bindend. Daher war nach dem EuGH-Urteil klar, dass auch der BGH dem Händler die Kosten der Hinsendung auferlegen würde und er wies die vom Beklagten eingelegte Revision gegen das Urteil des OLG Karlsruhe zurück. Dieses hatte entschieden:
"Die Kosten der Zusendung im Fall des Widerrufs seien im deutschen bürgerlichen Recht im Gegensatz zu den Kosten der Rücksendung nicht ausdrücklich geregelt. [...]
Die Richtlinie 97/7/EG vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Fernabsatzrichtlinie) gebiete jedoch, den Verbraucher bei einem Fernabsatzgeschäft im Falle der Ausübung des Widerrufs-/Rückgaberechts (§§ 355, 356 BGB) von den Kosten der Zusendung freizustellen."
Diese Beurteilung des OLG Karlsruhe hielt der Überprüfung durch den BGH stand.
Aufgrund der Entscheidung des EuGH entschied daher der BGH:
"Da dem Verbraucher mithin nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie im Falle des Widerrufs eines Fernabsatzvertrages die Hinsendekosten der Ware nicht auferlegt werden dürfen, sind nach § 346 Abs. 1 BGB in Verbindung mit §§ 312d, 355 BGB - richtlinienkonform - dahin auszulegen, dass dem Verbraucher nach dem Widerruf eines Fernabsatzvertrages ein Anspruch auf Rückgewähr geleisteter Hinsendekosten zusteht.
Dementsprechend ist es der Beklagten verwehrt, in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen Verbrauchern die Kosten für die Hinsendung der von ihr vertriebenen Waren auch dann aufzuerlegen, wenn diese von ihrem Widerrufs- oder Rückgaberecht nach §§ 355, 356 BGB Gebrauch machen."
Händler, die dem Verbraucher die Hinsendekosten nicht erstatten, müssen zum einen damit rechnen, von diesem verklagt zu werden und auf der anderen Seite müssen sie auch mit wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen rechnen. Denn die Nichterstattung der Hinsendekosten stellt einen Wettbewerbsverstoß dar.
Unklar bleibt, ob nun in der Widerrufsbelehrung darüber informiert werden muss, dass die Hinsendekosten zurückerstattet werden. Hierfür spricht Einiges. Das aktuelle Muster des BMJ sieht einen solchen Hinweis derzeit jedoch nicht vor. Denkbar ist, dass nun das gerade erst zum 11.6.2010 geänderte Muster erneut geändert werden muss.