Nachdem im September 2009 der EuGH in der "Messner" Entscheidung Rahmenbedingungen für die deutschen Vorschriften zum Wertersatz festlegte, begann die Diskussion, ob die Wertersatz-Hinweise in der Widerrufsbelehrung verändert werden müssen oder nicht. Das LG Düsseldorf entschied jetzt, dass die Musterbelehrung des BMJ weiterhin so verwendet werden könne.
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Am 03.09.2009 entschied der Europäische Gerichtshof (Rechtssache C-489/07), dass die deutschen Vorschriften zum Wertersatz teilweise gegen Gemeinschaftrecht verstoßen. Konkret hieß es u.a.:
"Diese Bestimmungen [der Fernabsatzrichtlinie] stehen jedoch nicht einer Verpflichtung des Verbrauchers entgegen, für die Benutzung der Ware Wertersatz zu leisten, wenn er diese auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise benutzt hat, sofern die Zielsetzung dieser Richtlinie und insbesondere die Wirksamkeit und die Effektivität des Rechts auf Widerruf nicht beeinträchtigt werden; dies zu beurteilen ist Sache des nationalen Gerichts."
Nach diesem Urteil entbrannte eine heftige Diskussion, ob folgender Satz in der Widerrufsbelehrung demnach unzulässig und somit wettbewerbswidrig sei:
"Im Übrigen können Sie die Pflicht zum Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie Ihr Eigentum in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt."
Die Zulässigkeit wurde von Anwälten insbesondere dann angezweifelt, wenn zuvor (wie in der Musterbelehrung) steht:
"Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits gezogenen Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. Bei der Überlassung von Sachen gilt dies nicht, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung, wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre, zurückzuführen ist."
Auch Trusted Shops empfiehlt bis zur Neuregelung des Widerrufsrechtes zum 11. Juni 2010, die Belehrung leicht abzuwandeln, sodass diese in puncto Wertersatz eigentlich der eBay-Variante entspricht. Dies entspricht einer Umsetzung des Gestaltungshinweises 8 der aktuellen Musterbelehrung, sodass am Ende folgende Wertersatzbelehrung entsteht:
"Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. Bei der Überlassung von Sachen gilt dies nicht, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung - wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre - zurückzuführen ist. Für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung müssen Sie keinen Wertersatz leisten."
Im Fall des LG Düsseldorf (Urteil v. 12.05.2010, Az: 38 O 129/09) ging es genau um diese Frage: Ist es nach dem Urteil des EuGH wettbewerbsrechtlich zu beanstanden, die Musterwiderrufsbelehrung ohne Umsetzung von Gestaltungshinweis 8 zu verwenden?
Die Beklagte mahnte die Klägerin wegen Verwendung der unveränderten Muster-Widerrufsbelehrung ab, woraufhin die Klägerin negative Feststellungsklage beim LG Düsseldorf erhob.
Mit dieser Klage wollte sie feststellen lassen, dass die Beklagte keinen Unterlassungsanspruch wegen Verwendung dieser Klausel hat. Die Parteien erklärten zwar diese Klage für erledigt, die Beklagte erhob allerdings Widerklage, um feststellen zu lassen, dass ihr der entsprechende Anspruch zustehe.
Sie ist der Meinung, durch die Klausel der Klägerin werde dem Verbraucher entgegen dem Urteil des EuGH eine generelle Wertersatzpflicht für Nutzungen auferlegt. Dies verstoße jedoch gegen §§ 355 Abs. 2 und 312d BGB i.V.m. der BGB-InfoV.
Hiergegen wendete die Klägerin ein, dass die Musterwiderrufsbelehrung aus der BGB-InfoV sowohl nationalen als auch europarechtlichen Vorgaben entspreche. Die Klausel selbst statuiere auch gar keine Wertersatzpflicht.
"Der Entscheidung des EuGH sei im Übrigen zu entnehmen, dass keine Auswirkungen auf die Verpflichtung zum Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung betroffen seien. Nur eine generelle Auferlegung von Wertersatz sei gemeint."
Das Gericht geht davon aus, dass die Klausel noch immer zulässig ist.
"Zutreffend weist allerdings die Klägerin darauf hin, dass die konkret beanstandete Klausel "im Übrigen können sie die Pflicht..." für sich betrachtet keine Konkretisierung einer die Erstattung von Nutzungen betreffenden Regelung darstellt. Der Satz beinhaltet lediglich einen Hinweis, wie nach Auffassung des Klauselverwenders eine Ersatzpflicht eindeutig zu vermeiden ist."
Eine darüber hinaus gehende Einschränkung etwaiger Wertersatzpflichten werde auch nicht durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 3. September 2009 ausgesprochen, so dass LG Düsseldorf:
"Dem Urteil ist letztlich zu entnehmen, dass für eine Nutzung der Ware während der Frist, innerhalb derer ein Widerruf noch erklärt werden kann, nicht generell Wertersatz für während dieser Zeit gezogene Nutzungen vom Verbraucher verlangt werden kann.
Die von der Klägerin verwendete Musterklausel enthält jedoch keine derartige generelle Wertersatzregelung. Selbst eine Verschlechterung der Ware wird hingenommen, wenn sie auf einer Prüfung der Ware beruht. Deren Umfang wiederum richtet sich entsprechend Treu und Glauben, die auch nach der Auffassung des Europäischen Gerichtshofes zu beachten sind, nach den Einzelumständen, insbesondere der Art der Ware.
Der nationale Gesetzgeber hat in Kenntnis der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes eine der bisherigen Musterfassung entsprechende Belehrung als Gesetz vorgesehen."
Außerdem hält das Gericht es für abwegig, eine Unlauterkeit zu bejahen, weil die Klägerin die vom Verordnungsgeber vorgesehene Musterbelehrung verwendete.
"Grundsätzlich muss ein Marktteilnehmer nicht die Richtigkeit der in staatlichen Verordnungen geregelten Normen in Frage stellen."
Damit folgt das Gericht inhaltlich dem OLG Hamburg (Beschluss v. 12.09.2007, Az: 5 W 129/07), welches ebenfalls zur Musterwiderrufsbelehrung entschied, dass der Händler nicht klüger als der Gesetzgeber sein müsse.
"Da somit keine als Gesetzesverstoß einzuordnende unlautere geschäftliche Handlung zu erkennen ist, sind auch die geltend gemachten Folgeansprüche auf Auskunft, Schadensersatz und Erstattung der Abmahnkosten unbegründet."
Ich begrüße das Urteil des LG Düsseldorf ausdrücklich und wäre froh, wenn künftig kein Gericht der Ansicht ist, dass Wertersatz für bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme nur in Ausnahmefällen zu leisten ist. Es ist erfreulich, dass nun nach dem AG Berlin-Mitte schon das zweite Instanzengericht in diese Richtung entscheidet und somit Ihre Ansicht teilt.
Gleichwohl folgende Anmerkungen:
Ein oder zwei Schwalben machen noch keinen Sommer. Selbst nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf wird es immer wieder Angreifer geben, die möglicherweise vor anderen Gerichten Recht bekommen.
Gegen dieses Urteil kann die Beklagte noch Berufung vor dem OLG Düsseldorf einlegen. Sobald wir Näheres zum Fortgang des Verfahrens wissen, werden wir Sie informieren.
Vielen Dank an den Kollegen Dr. Thomas Engels (Terhaag & Partner, Düsseldorf), der das Urteil erstritten und darauf hingewiesen hat.