Bundesregierung antwortet auf Kleine Anfrage zum Thema Abmahnmissbrauch

bundestagIn einer Kleinen Anfrage wollte die SPD-Bundestagsfraktion wissen, welche Änderungen die Bundesregierung zur Eindämmung des Abmahnmissbrauchs plant. Jetzt hat die Bundesregierung geantwortet. Das System der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung habe sich bewährt, so die Regierung. Änderungen sind vorerst nicht geplant.

Lesen Sie hier die ganze Antwort.

Am 21.04.2010 stellte die SPD-Bundestagsfraktion eine Kleine Anfrage (BT-Drucksache 17/1447) an die Regierung. Insgesamt beinhalte diese Anfrage 12 Einzelfragen zum Thema Rechtsmissbrauch bei wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen.

Antwort der Bundesregierung

Die Regierung (BT-Drucksache 17/1585) antwortete nun auf die Kleine Anfrage:

"Nach Ansicht der Bundesregierung hat sich die zivilrechtliche Verfolgung von Wettbewerbsverstößen in Form der Abmahnung in Deutschland als effektives Mittel zur Durchsetzung von Rechten grundsätzlich bewährt. Das schreibt sie in einer Antwort (17/1585) auf eine Kleine Anfrage (17/1447) der SPD-Fraktion, in der diese einen ”Abmahnmissbrauch“ beim Online-Handel bemängelt hatte. Den Abgeordneten zufolge dienten Abmahnungen in diesem Bereich vor allem dazu, ”Geld zu verdienen und Wettbewerb zu verhindern“. Daher sei eine Mehrheit der Händler der Meinung, dass der Rechtsrahmen geändert werden müsse.

Die Bundesregierung erwidert darauf, dass sie ein Sonderrecht für den Bereich des Online-Handels für nicht sachgerecht hält. In vielen Fällen betreibe ein Online-Händler auch ein Ladengeschäft, so dass er die Einhaltung unterschiedlicher Regeln beachten müsste, schreibt sie. Sie räumt aber ein, dass es durch Wettbewerbsverstöße zu einer Verzerrung des Wettbewerbs kommen kann.

Derzeit werde ”sorgfältig und intensiv geprüft“, ob und gegebenenfalls welche gesetzgeberischen Maßnahmen ergriffen werden sollen. Konkrete Gesetzgebungsvorschläge oder Planungen gebe es aber noch nicht. Einen Bedarf, diese Frage auf EU-Ebene zu regeln, sieht die Bundesregierung nicht. Dies begründet sie damit, dass die zivilrechtliche Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch Abmahnungen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union außer in Österreich nicht vorgesehen ist.

Quelle: Newsletter des Bundestages Nr. 159"

Ausführliche Antwort

In der o.g. Drucksache heißt es zunächst, dass die Bundesregierung den Online-Handel als wichtigen Wirtschaftsfaktor betrachtet. Die Einzelfragen werden wie folgt beantwortet:

1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die durchschnittliche Anzahl von Abmahnungen sowie die finanziellen Folgen für die einzelnen Unternehmer im Online-Handel, die durch die hier als Abmahnmissbrauch beschriebene Praxis verursacht werden?

Der Bundesregierung liegen keine Untersuchungen vor, aus denen sich verlässliche Angaben über die Zahl missbräuchlicher Abmahnungen bzw. der dadurch verursachten finanziellen Folgen ergeben.

2. Aufgrund welcher Verstöße werden nach Erkenntnis der Bundesregierung die Unternehmen abgemahnt?

Besonders häufig sind Verstöße gegen Impressumspflichten nach § 5 des Telemediengesetzes (TMG), Verstöße gegen die Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht (BGB-InfoV), Verstöße gegen Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs) und Verstöße gegen die Preisangabenverordnung (PAngV). Zu Abmahnungen auf Grund der Verletzung der Pflicht, Verbraucherinnen und Verbraucher im Fernabsatz über ihr Widerrufs- oder Rückgaberecht zu belehren und zu informieren, ist auf Folgendes hinzuweisen: Die bislang in der BGBInfoV enthaltenen Muster für die Widerrufs- und für die Rückgabebelehrung werden durch das bereits verabschiedete Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht (BGBl. I 2009, S. 2355) in das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche überführt und damit Gesetzesrang erhalten. Damit können Gerichte die Muster in Zukunft nicht mehr als den Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuchs widersprechend ansehen, wodurch Abmahnungen in diesem Bereich zurückgehen dürften. Die Regelungen werden zum 11. Juni 2010 in Kraft treten.

3. Welche Auswirkungen haben die abgemahnten Verstöße auf den Wettbewerb und auf die Durchsetzung von Verbraucherrechten?

Durch Wettbewerbsverstöße kann es zu einer Verzerrung des Wettbewerbs kommen und Verbraucher können in ihren Rechten beeinträchtigt werden.

4. Sieht die Bundesregierung alternative Möglichkeiten, die abgemahnten Wettbewerbsverstöße zu beseitigen?

Nein. Die zivilrechtliche Verfolgung von Wettbewerbsverstößen in Form der Abmahnung hat sich in Deutschland als effektives Mittel zur Durchsetzung von Rechten grundsätzlich bewährt.

5. Welche Aufgaben haben aus Sicht der Bundesregierung die Betreiber von virtuellen Marktplätzen an der Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen?

Sie können Wettbewerbsverstöße von Mitbewerbern, die den lauteren Wettbewerb und Verbraucherrechte beeinträchtigen, abmahnen.

6. Plant die Bundesregierung zur Lösung dieser Problematik gesetzgeberisch tätig zu werden, und wenn ja, wie sieht der Zeitplan der Bundesregierung aus?

7. Welche konkreten Gesetzesvorschläge gibt es bzw. sind in Planung (etwa Ausweitung der Deckelung des Ersatzes der erstattungsfähigen Abmahnkosten bei erstmaligem Verstoß auf das Wettbewerbsrecht; Senkung des Streitwerts bei Erstabmahnungen; Begrenzung des Kreises der Abmahnberechtigten)?

Es wird derzeit sorgfältig und intensiv geprüft, ob und gegebenenfalls welche gesetzgeberischen Maßnahmen ergriffen werden sollen. Daher gibt es derzeit noch keine konkreten Gesetzgebungsvorschläge oder Planungen.

8. Plant die Bundesregierung eine auf einzelne Gesetze, etwa das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, beschränkte Lösung oder schwebt ihr eine allgemeine Lösung vor (die z. B. auch den Bereich geistiger und gewerblicher Schutzrechte umfasst)?

Die Fragen 6 und 7 werden zusammen beantwortet.

Die Prüfung der Bundesregierung beschränkt sich derzeit auf den Bereich des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

9. Gibt es schon erste Ergebnisse der Überlegungen des Bundesministeriums der Justiz, das sich schon in der letzten Legislaturperiode mit dem Abmahnmissbrauch beschäftigt hat, und wie lauten diese?

Siehe Frage 6 und 7.

10. Gibt es Überlegungen, den „fliegenden Gerichtsstand“ einzuschränken?

Sieht die Bundesregierung in einer Abschaffung des fliegenden Gerichtstands zumindest auch eine Möglichkeit zur Entschärfung des Abmahnmissbrauchs, indem der Abmahnende sich nicht mehr ein Gericht aussuchen kann, das die ihm günstige Rechtsauffassung teilt?

Die Einschränkung des „fliegenden Gerichtsstands“ für den Bereich des UWG ist eine der Möglichkeiten, die von der Bundesregierung derzeit geprüft werden.

11. Wie sehen die ersten Erfahrungen mit dem neuen § 97a des Urheberrechtsgesetzes aus, der in bestimmten Fällen die ersatzfähigen Aufwendungen auf 100 Euro beschränkt?

Inwieweit haben sich die Begriffe „erstmalige Abmahnung“, „einfach gelagerte Fälle“ und „unerhebliche Rechtsverletzung“ dieser Norm in der Praxis nach Auffassung der Bundesregierung bewährt?

Die Regelung berücksichtigt in vertretbarer Weise die Interessen der Rechtsinhaber und der Verbraucher. Zwar zeigen erste Urteile, dass einzelne Tatbestandsmerkmale von den erstinstanzlichen Gerichten unterschiedlich ausgelegt werden. Eine Vereinheitlichung wird jedoch – wie stets – durch die höchstinstanzliche Rechtsprechung herbeigeführt werden.

12. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass eine Bekämpfung des Abmahnmissbrauchs auf EU-Ebene erfolgen muss?

Ist der Abmahnmissbrauch bisher Gegenstand der Verhandlungen über eine EU-Verbraucherrechterichtlinie gewesen?

Wenn ja, wie hat sich die Bundesregierung hierzu positioniert? Wenn nein, plant die Bundesregierung diesbezügliche Initiativen und ggf. welche?

Die Bundesregierung sieht derzeit keinen Bedarf nach einer Regelung auf EU-Ebene, da die zivilrechtliche Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch Abmahnungen in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union außer in Österreich nicht vorgesehen ist. Bei den Verhandlungen für eine EU-Verbraucherrechterichtlinie hat das Thema Abmahnung und Abmahnmissbrauch bisher keine Rolle gespielt. Der Vorschlag der Kommission für diese Richtlinie sieht in Artikel 41 eine Pflicht der Mitgliedstaaten vor, dafür zu sorgen, dass angemessene und wirksame Mittelvorhanden sind, mit denen die Einhaltung der Richtlinie sichergestellt wird. Dies soll Rechtsvorschriften einschließen, nach denen öffentliche Einrichtungen, Verbraucherverbände und Berufsverbände die Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsbehörden anrufen können, um die Anwendung der innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie sicherzustellen. Hinsichtlich der Frage, wie sie die Einhaltung der Richtlinie sicherstellen, wird den Mitgliedstaaten mit dieser Vorschrift ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Sie können danach Regelungen über die Abmahnung und zur Vermeidung von Abmahnmissbrauch eigenständig treffen. Ein Bedürfnis, den Richtlinienvorschlag um Regelungen zum Abmahnmissbrauch zu ergänzen, besteht daher nicht.

Fazit

Die Abschaffung des Systems der Abmahnung ist nicht zu erwarten, das geht klar aus der Antwort der Regierung hervor, zumindest wird aber die Abschaffung des sog. fliegenden Gerichtsstandes geprüft.

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18.05.10